Wie kann man einer Bibel glauben, die voller Widersprüche ist?
Was ist ein Widerspruch? Was muss keiner sein? Welche Lösungshilfen gibt es? Auf diese Fragen suchen wir hier Antworten.
Was ist ein Widerspruch?
DerSatz des ausgeschlossenen Widerspruchs, die Grundlage allen logischenDenkens, besagt, dass ein Ding nicht gleichzeitig A und Nicht-A seinkann. Es kann nicht gleichzeitig regnen und nicht regnen. Wenn in demeinen Evangelium stünde, Jesus sei in Jerusalem gekreuzigt worden, ineinem andern aber, in Nazareth, dann wäre das ein nachweisbarer Irrtum.Mir sind aber keine derartigen Abweichungen bekannt.
Eine Abweichung ist kein Widerspruch
Dasheisst nicht, dass zwei Aussagen nicht voneinander abweichen können.Matthäus berichtet zum Beispiel, dass zwei blinde Männer Jesus trafen,während Markus und Lukas nur einen erwähnen.[1]Doch keine dieser beiden Aussagen leugnet die andere oder macht sieunglaubhaft. Markus und Lukas haben einen der beiden herausgegriffenund namentlich erwähnt, während Matthäus das Gesamtgeschehen beschreibt.Eineanaloge Situation aus dem Alltag kann das veranschaulichen: Siesprechen im Rathaus mit dem Bürgermeister und einem Stadtpolizisten.Ihrem Freund Richard erzählen sie dann, Sie hätten heute mit demBürgermeister gesprochen. Eine Stunde später treffen Sie Elisabeth underzählen ihr, dass Sie sich heute sowohl mit dem Bürgermeister als auchmit einem Stadtpolizisten unterhalten haben. Die beiden Freunde könntennun ihre Aussagen versuchen gegeneinander auszuspielen – zu Unrecht.Denn sie waren zwar unterschiedlich, aber nicht widersprüchlich.
Eine ungenaue Übersetzung kann irritieren
Oftist auch nur die Übersetzung der betreffenden Bibelstelle ungenau.Fragen Sie jemand, der die Bibelsprachen Griechisch und Hebräischbeherrscht, wie er jene fraglich Stelle beurteilt. Ein gutes Beispielist Johannes 16,33, wo Jesus zu den Jüngern sagt: «In der Welt habt ihrAngst.» Das klingt nach einem Zugeständnis: „So ist das halt.“Andererseits gibt es die zahllosen Aufrufe «Fürchte dich nicht». DesRätsels Lösung: Das Wort für Angst müsste mit Bedrängnis wiedergegebenwerden. „Ihr werdet von aussen bedrängt“, stellt also Jesus fest.Diesem Umstand kann dann ein «Fürchte dich nicht» entgegengehaltenwerden.Oft fehlt einfach das Wissen
Auchbei anderen Stellen mag einem das nötige Hintergrundwissen fehlen.Weitere Forschungen und Erkundigungen können noch neues Licht aufschwierige Abschnitte werfen.[2]Mancher „Irrtum“ der Bibel weicht dann einem neuen Verständnis. Einegute Portion Gelassenheit ist also besser als zuviel falscher Eifer.Hier sollte dann auch ein Grundsatz beherzigt werden, der auch in derübrigen Literatur die Regel ist: im Zweifelsfalle dem Autor recht gebenund sein Wort stehen lassen, auch wenn man es nicht völlig verstandenhat.Stutzen – denken – staunen
Sprechenwir insgesamt besser von Spannungen als von Widersprüchen. Die könnendas Bibellesen in der Tat aufregend machen. An die Stelle einesvoreiligen Frustes tritt dann so manches Aha-Erlebnis, das zum Staunenführt über dieses Buch, das ganz zu Recht Gottes Wort heisst.[2]Auf den ersten Blick nicht zu vereinbaren sind beispielsweise das Gebotvon Jesus, die Feinde zu lieben, und die verschiedenen Aufforderungenim Alten Testament, sie umzubringen. Aber getötet wird auch im NeuenTestament, nämlich Jesus selber – anstelle jener Feinde. Es gilt also,beide Aussagen theologisch gewissenhaft zu bedenken.
Bearbeitung: Jesus.ch
Datum: 04.07.2005
Autor: Josh McDowell
Quelle: Das kann ich nicht glauben