‚Dorf der Hoffnung‘

Ferienland Marokko?

Touristen sind willkommen, nicht aber Christen, die sich um Waisenkinder kümmern. Am 8. und 9. März hat Marokko 20 Ausländer, die in Ain Leuh, 70 km von Fès, das Waisenhaus "Dorf der Hoffnung" führten, ausgewiesen. Die 33 Kinder bleiben zurück - zum zweiten Mal verwaist.
Herzzerreissender Abschied: Am 8. März müssen die Volontäre abreisen.
Familiäre Gemeinschaft: eine Gruppe im "Dorf der Hoffnung" – vor dem 8. März.
Wie sollen sie es verstehen? Abschied in Ain Leuh.

Das Hilfswerk "Open Doors" protestierte in einer Pressemitteilung gegen das inhumane Vorgehen der marokkanischen Behörden. Die Kinder seien nun ohne Fürsorge - allein deswegen, weil die Pflegeeltern Christen waren. "Das ‚Dorf der Hoffnung‘ weint. Dieses Waisenhaus, vor zehn Jahren gemäss den marokkanischen Gesetzen gegründet, ist zum Schauplatz eines unerträglichen Zerrisses geworden."

Herzzerreissender Abschied

Hermann Boonstra, der Leiter, hat laut "Open Doors" elf Jahre in Marokko gelebt und acht Kinder aufgenommen, "die er wie seine eigenen liebte. Er hat sie verlassen müssen. Für ihn wie für die anderen ausgewiesenen Familien ist dies ein Schmerz ohne Ende. Was soll aus den Kindern werden?"

Laut der Agentur AFP beschuldigte das marokkanische Innenministerium die Ausländer, sie hätten aus der Armut von Familien Profit gezogen und bei der Aufnahme von verlassenen Kindern und Waisen Adoptionsrichtlinien verletzt. (Doch können in Marokko nur Muslime Kinder adoptieren.) Zuvor hatten die Behörden das Waisenhaus im Mittleren Atlas mehrfach kontrolliert; die Anerkennung seiner Gemeinnützigkeit wurde erhofft. Die älteren Kinder besuchten die staatliche Schule und lernten auch den Koran.

"Warum konnte ich nicht eigene Eltern haben?"

Die Verantwortlichen weisen alle Beschuldigungen zurück. "Wir haben den Behörden nie verheimlicht, dass wir Christen sind", schreibt der Personalverantwortliche Chris Broadbent in seinem Newsletter. "Zehn Jahre lang haben sie uns erlaubt, verlassene Kinder aufzunehmen und zu betreuen, Kinder, die sonst getötet oder in eines der staatlichen Mega-Waisenhäuser gesteckt würden... Diese Kinder haben nie eine andere Mutter gekannt. Einige haben zehn Jahre hier gelebt. Eines von ihnen sagte eben: ‚Warum konnte ich nicht eigene Eltern haben?‘... Die Kinder zu beobachten in diesem Moment, da ihre Pflegeeltern sich vielleicht auf Nimmerwiedersehen verabschieden mussten, ist das Schmerzlichste, was ich je erlebt habe."

Verhör über Verhör

Die Ausweisung, die auf eine Anordnung des neuen marokkanischen Justizministers Mohammed Naciri zurückgehen soll, ist nicht die erste. Ausländer werden reihenweise vorgeladen und stundenlang verhört. "Wir fühlen uns völlig hilflos", schreibt ein Betroffener - und bittet dringend um Gebet für Marokko.

Am 5. Februar war ein US-Amerikaner des Landes verwiesen worden. Die Behörden behaupteten, sie hätten ihn dabei ertappt, dass er 14 Muslime zum Übertritt zum Christentum bewegen wollte. 60 Soldaten waren am 4. Februar in ein Haus in Amizmiz bei Marrakesch eingedrungen und hatten alle Anwesenden, die die Bibel lasen, verhaftet. Sämtliche Bibeln und zwei Computer wurden beschlagnahmt.

Auch Säuglinge stundenlang festgehalten

Laut ‚Open Doors‘ wurden die Christen über 14 Stunden festgehalten. Unter ihnen waren zwei Säuglinge und drei Kinder unter vier Jahren. Man warf dem Amerikaner vor, er habe das "evangelistische Bekennntnis" verbreiten und die "Werte des marokkanischen Königreichs erschüttern" wollen. Im Dezember waren fünf Christen aus Südafrika, der Schweiz und Guatemala ausgewiesen worden.

Die marokkanische Gesetzgebung garantiert Religionsfreiheit, und die Abwendung vom Islam ist nicht ausdrücklich verboten. Artikel 220 des Strafgesetzbuches verurteilt jedoch jeden Versuch, Muslime zu einem Glaubenswechsel zu bewegen.

Vermeintliche und wahre Staatsfeinde

Die Behörden im Königreich Marokko gehen höchst unzimperlich auch gegen nicht regimehörige Journalisten vor. Raschid Nini und Said Laajal wurden im November wegen Verbreitung von Falschinformationen zu drei und zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Sie hatten über die Aushebung eines Drogenhändlerrings berichtet. Ein Appellationsgericht hob die Haftstrafen im Januar auf, bestätigte aber die Bussen (je 2800 Franken).

Mehr als genug zu tun haben die Ordnungskräfte mit muslimischen Extremisten. Anfang Februar teilten die Behörden mit, sie hätten eine terroristische Gruppe von sechs Personen, die sich in verschiedenen Städten bewegten, zerschlagen. Die Extremisten, die der Takfir-Ideologie huldigen, hätten Anschläge im Land geplant. Die Takfir-Bewegung, um 1973 von einem Muslimbruder in Ägypten gegründet, sieht den grössten Teil der Muslime als Abgefallene an und ruft zum Dschihad gegen sie auf, um eine rein islamische Gesellschaft zu errichten.

Links zum Thema:
Weitere Infos (französisch) 
Verhaftungen in Oujda, Dezember 2009

Datum: 13.03.2010
Quelle: Livenet / Open Doors

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