Neue urbane Gemeinden gedeihen

Erlösung in der globalen Stadt gefragt

Forscher stellen ein Erstarken religiöser Bewegungen in Grossstädten fest. Im Projekt «Global Prayers» untersuchen sie die Auswirkungen des Wachstums von «Neuen Religiösen Bewegungen» wie Pfingst- oder evangelikalen Gemeinden weltweit.
Die These, dass die Religion sich mehr und mehr aus der modernen Gesellschaft zurückzieht, muss widersprochen werden.

«Wir müssen uns fragen, ob die Denkweise, die von einem Bedeutungsverlust der Religion spricht, je gültig war», sagt Klaus Teschner, Fachreferent für städtische Entwicklung. Er ist einer von zahlreichen Forschern, die sich dem Phänomen Religion in der Stadt nähern.

Religion statt Marx

Teschner stelle fest, dass religiöse Bewegungen die Arbeiterbewegungen vielerorts als Protestgemeinschaften abgelöst hätten. Antworten auf typisch städtische Probleme wie Armut und Vereinsamung suchten die Menschen vermehrt in Pfingstgemeinden oder anderen religiösen Gemeinschaften und nicht mehr in linken Ideologien wie dem Marxismus. Während die Stadt für Amtskirchen noch immer oft eine Art Sündenpfuhl sei, in dem sie schwer Fuss fassen könnten, blühten die «Neuen Religiösen Bewegungen» in Berlin, Buenos Aires oder Rio de Janeiro gerade auf.

Verunglimpfung

Der Anthropologe Werner Schiffauer bezeichnet die «Neuen Religiösen Bewegungen» als «umstritten». Sie bedrohten Machtstellungen, etwa die der alteingesessenen Kirchen. Daher kursierten Mythen über sie. Gesellschaftliche Strömungen bemühten sich, Bewegungen wie die Evangelikalen als «Rattenfänger» darzustellen. Die Fremdheit solcher Gemeinschaften werde überbetont, dabei stecke in ihnen ein «grosses Entwicklungspotenzial» und sie seien keineswegs homogen sondern eigenständige und höchst unterschiedliche Einzelgruppen.

Hoffnung auf Heil

Den Erfolg von Pfingstkirchen, aber auch islamischen Bewegungen, erklärte Schiffauer mit einem Verlust an den Fortschrittsglauben. Die Hoffnung auf eine moderne Welt ohne Probleme sei nach und nach zerbrochen. Die Kernkraft sei gescheitert, ebenso wie ein Glaube an einen Sieg gegen die globale Armut. «Wir wissen nicht mehr, wohin wir gehen sollen», beteuert Schiffauer. Die Wiederentdeckung des Glaubens sei eine Konsequenz aus dieser Entwicklung. Gemeinden vereinigten Anbindung und Selbstentfaltung, Askese und Aufstieg oder die Hoffnung auf sowohl diesseitiges wie auch jenseitiges Heil.

Den Armen wird etwas geboten

Stephan Lanz, der auch Mitherausgeber eines Buches zum Forschungsprojekt ist, erklärte den Erfolg junger Gemeinden so: «Die Armen folgen denjenigen, die ihnen etwas bieten können. Konservative Pfingstkirchen mit ihren Geschlechterrollen propagieren Werte wie Enthaltsamkeit, Fleiss und Disziplin. Das führt zu einer Verbesserung der Lebenssituationen ihrer Mitglieder».

 
Steht heute das Versprechen auf spirituelles Heil, wo früher politische Gruppen ein besseres Leben versprachen? Eine Frage, die sich Stephan Lanz in seinem Buch «Urban Prayers» stellt. Drei Interviews dazu.

«Global Prayers»:
Erlösung und Befreiung in den Städten.

 
Webseite:
«Global Prayers» in englischer Sprache

Datum: 24.10.2011
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet / Pro / Global Prayer

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