Es ist ja nur ein Fötus...

Die Sache ist widerlich – der Anblick dieser Figur, die pseudointellektuell verbrämte Leichenschändung und die Halbherzigkeit der Akteure.
Die China-Ausstellung „Mahjong" im Kunstmuseum Bern

Weil er „alles Leben achte“, hat der chinesische „Künstler“ den Kopf einen toten Kindes verunstaltet. Er wolle auf die Gefahren der Gentechnik aufmerksam machen. – Mit derselben Begründung könnten Rettungsärzte ihr Fotoalbum veröffentlichen und es in Fahrschulen auflegen.

Aber die Grenze war bereits mit der Leichenschau namens „Körperwelten“ überschritten. Dass auch „Ruan“ weit mehr ist als eine Frage des – schlechten – Geschmacks, liegt auf der Hand. Vor allem, wenn man sich die Abtreibungspraxis im Land der aufgehenden Sonne vor Augen führt: Zwangsabtreibungen sind an der Tagesordnung, auch bis wenige Wochen vor der Geburt. Woher genau stammt der Kopf des „Berner“ Kindes?

Die Hände in Unschuld waschen...

Da mutet es zynisch an, wenn die Berner Justizbehörden sich damit herausreden, sie seien nicht für das zuständig, was eventuell auf chinesischem Boden geschehen ist. Es erinnert an die Kaltschnäuzigkeit, mit der sich der Schweizerische Nationalfonds im Jahr 2001 über den in der Bundesverfassung verbrieften Embryonenschutz hinwegsetzte: Man könne das Projekt der Uni Genf durchaus unterstützen; die benötigten embryonalen Stammzellen kämen ja aus dem Ausland...

Ob für die Kunst nicht die gleichen ethischen Wertmaßstäbe gelten müssten wie für die Wissenschaft, fragte der Berner Anatomieprofessors Ewald Weibel. Seine Ausführungen sind im „Ruan“-Raum nachzulesen. – Anscheinend ist diese Frage beantwortet: Hier wie dort herrscht de facto gleiche Grenzenlosigkeit.

... oder doch nicht?

Aber es handelt sich ja nur um einen „Fötus“. Das hört sich nicht nach „Mensch“ an. Es ist bestenfalls irgendeine Vorstufe dazu, ein sprachlich-moralisches Mischwesen. „Gehab dich wohl, Gewissen. Magst weiterschlummern.“ Oder ist das Entsetzen, mit dem nun einige Leute reagieren, gerade Ausdruck dieses Gewissens? An dem einen Kinderkopf entzündet es sich; die Tausende viel kleinerer Köpfe, Händchen, Körper, die jährlich im Spitalabfall landen, sind dem direkten Anblick – gottlob – entzogen.

Um des Lebens willen den Tod präsentieren? Wenn es diesen Weckruf wirklich gebraucht haben sollte, dann wäre er nun zur Genüge ergangen. Es ist Zeit, dieses menschenunwürdige Spektakel zu beenden – das kurze im Kunstmuseum Bern und das schon viel zu lang hingenommene in unseren Spitälern.

Artikel zum Thema: Kunstmuseum Bern präsentiert Kinderkopf in gläserner Urne

Datum: 30.09.2005
Quelle: Livenet.ch

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