Wird 2005 das Jahr der Verwertung menschlichen Lebens?

nein
Markus Wäfler

Nicht nur Zellen von ‚überzähligen’ Embryonen, sondern auch Zellen und Gewebe von abgetriebenen Föten sollen transplantiert werden können. Das sieht das im Oktober vom Parlament verabschiedete Transplantationsgesetz vor. Die EDU und Teile der Lebensrechtsbewegung haben das Referendum ergriffen.

EDU-Nationalrat Markus Wäfler unterstreicht in einem Brief an die Empfänger der Referendumsbögen die Dringlichkeit der Unterschriftensammlung, die am 27. Januar 2005 abgeschlossen sein muss. Das Komitee habe mit Rücksicht auf die Stammzellendebatte dieses zweite Referendum im November nicht lanciert, schreibt der Zürcher EDU-Politiker; nun drängt die Zeit.

27. Januar 2005: Wenig Zeit fürs Referendum gegen den Zeitgeist

Das Gesetz erlaubt, „embryonale oder fötale menschliche Gewebe oder Zellen“ auf den Menschen zu transplantieren (Art. 38), regelt die Bewilligungsverfahren und sucht diversen möglichen Missbräuchen vorzubeugen. Die Mehrheit der eidgenössischen Politiker ist nach dem Ja des Stimmvolks zur Fristenlösung offenbar willens, den Embryoverwertern auch das Feld der Transplantationen zu eröffnen. (Das am 28. November erfolgte Ja zur Forschung mit embryonalen Stammzellen bestärkt sie auf diesem Weg.)

Dass die Schweiz ein Gesetz für Transplantationen braucht, ist unbestritten. Aber laut Markus Wäfler wird in diesem Abschnitt „leise die bereits in der neuen Fristenlösung eingebaute Türe für Spätabtreibungen aufgestossen“ – Grund genug für ein Referendum.

Nützlichkeitsdenken ohne Hemmungen

Tatsächlich zeigen die detaillierten Bestimmungen die ethischen Grauzonen und Probleme an, die das hemmunglose Nützlichkeitsdenken und Verwertungsstreben der Forschung schafft. So „müssen Zeitpunkt und Methode eines Schwangerschaftsabbruchs unabhängig von einer späteren Transplantation gewählt werden“ (Art. 37).

Und erst nachdem der „Entscheid zum Schwangerschaftsabbruch feststeht“ (so Art. 39), darf die Frau überhaupt angefragt werden, ob sie der Verwendung des Föten oder Embryonen für Transplantationszwecke zustimmt. Diese darf erfolgen, wenn „die Spenderin umfassend informiert worden ist und der vorgesehenen Verwendung frei und schriftlich zugestimmt hat“. (Es ist leicht vorstellbar, dass die Frau glaubt, für sich den ‚Nutzen’ der Abtreibung gegen aufkommende Schuldgefühle ins Feld führen zu können). Das Gesetz übernimmt an diesem Punkt wie an anderen die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) von 1998.

Eine entsprechende Regelung trifft das Gesetz für Paare, deren Kinderwunsch zu ‚überzähligen’ Embryonen geführt hat (Art. 40): Auch sie dürfen erst angefragt werden, „nachdem die Überzähligkeit des Embryos festgestellt worden ist“.

Konsens von willigen Frauen und interessierten Medizinern genügt

Artikel 41 schafft einen (vermutlich illusionären) Zaun: Die an der Transplantation Beteiligten „dürfen das medizinische Personal, das den Schwangerschaftsanspruch vornimmt oder das beim Fortpflanzungsverfahren mitwirkt, nicht beeinflussen“. Als ob jene, die das Material beschaffen, nicht auf jene hören, die es verwerten wollen…

Kurz: Der Embryo oder der Fötus wird erst zum Menschen-Material, wenn ihn die Beteiligten dazu machen – so bringt der Gesetzgeber heute das hochgelobte Recht von Frau und Herrn Schweizer auf individuelle Selbstbestimmung und die Interessen der Forschung auf einen Nenner. Die SAMW hatte 1998 noch festgehalten: „Der Fötus verdient aufgrund seiner menschlichen Natur angemessene Achtung. Der Fötus, seine Organe oder Zellen dürfen als solche nicht Gegenstand irgendwelcher Handelsbeziehungen sein.“

Verwertung nicht verboten, sondern geregelt

In der ganzen Angelegenheit muss unterschieden werden zwischen menschlichem Gewebe und Zellen einerseits und den Embryonen und Föten als Lebewesen anderseits. Das Gesetz verbietet bloss, überzählige Embryonen aus künstlichen Befruchtungen über den siebten Tag hinaus im Hinblick auf Verpflanzung „als Ganzes künstlich am Leben zu erhalten“ – Teile hingegen dürfen aufbewahrt werden. Dasselbe gilt für abgetriebene Embryonen oder Föten (Art. 37).

Weiter verbietet das Gesetz, dass eine Schwangere die Person bezeichnen kann, der das Gewebe oder die Zellen eingepflanzt werden sollen. Von urteilsunfähigen Frauen darf kein Gewebe verpflanzt werden. Doch in den anderen Fällen kann das Bundesamt einen klinischen Versuch bewilligen, „wenn ein therapeutischer Nutzen erwartet werden kann“ und die Antragsteller gut arbeiten.

Mehr Schwung fürs Abtreibungsgeschäft

Der Zürcher EDU-Nationalrat Markus Wäfler hat seine Partei dazu gebracht, das Referendum zu ergreifen. Er geht nicht ohne Grund davon aus, dass das Abtreibungsgeschäft in der Schweiz mit dem neuen Gesetz zusätzlichen Schwung bekommt: Weil Föten bis zur 12. Schwangerschaftswoche in der Regel ausgekratzt oder abgesogen werden und das „Endprodukt“ dieser Eingriffe für Transplantationen schlecht geeignet sei, fördere das Gesetz auch Spätabtreibungen.

Die EVP macht beim Referendum nicht mit, da sie ihre Kräfte zwischen den Abstimmungskämpfen um Stammzellen und homosexuelle Partnerschaften nicht verzetteln will und auf parlamentarischem Weg eher die Möglichkeit sieht, auf ein besseres Gesetz hinzuwirken.

Argumente der Gegner:
www.nein-zum-transplantationsgesetz.ch/

Das Transplantationsgesetz im Wortlaut:
www.admin.ch/ch/d/ff/2004/5453.pdf

Richtlinie der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) von 1998:
www.samw.ch/content/Richtlinien/

Livenet-Hintergrundartikel über Organhandel:
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/157/9121/

Datum: 07.12.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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