Zerstrittene Tibeter

Dalai Lama vor Abgang bekämpft Kult

Der Dalai Lama will in den nächsten Monaten mit der Regierung der Exil-Tibeter und ihrem Parlament über seinen politischen Abgang reden. Dies sagte er einem indischen TV-Sender. Den Kampf gegen einen Schutzgeist-Kult führt der Tibeter mit unverminderter Schärfe fort.
Der gegenwärtige Dalai Lama Tendzin Gyatsho

Sprecher der tibetischen Exilorganisation gaben bekannt, im März 2011 werde der 75 Jahre alte Dalai Lama dem Exilparlament im indischen Dharamsala den Rücktritt anbieten. In dem darauffolgenden halben Jahr wolle er «seine Verantwortlichkeiten zurückschrauben», aber seine geistlichen Aufgaben weiter erfüllen. Schon vor dem Beschluss des Exilparlaments steigt die Bedeutung des «Kalön Tripa» (Premierministers), dem eine entscheidende politische Rolle in der Exilgemeinde zufallen wird. Zwei in den USA lebende Bewerber stehen im Vordergrund. Seine Nachfolge als religiöses Oberhaupt der Tibeter hat der Dalai Lama offengelassen. Tensin Gyatso gilt tibetischen Buddhisten als die 14. Reinkarnation des obersten Lehrers der dominierenden Gelug-Schule. Der Titel «Dalai Lama» bedeutet etwa «ozeangleicher Lehrer».

«Böser Geist, aus falschen Gebeten geboren»

Als geistliches Oberhaupt ist der Dalai Lama im eigenen Volk nicht unangefochten. Seit 1996 kämpft er gegen die Verehrung des Schutzgeistes Dorje Shugden. Dies wird ihm von tibetischen Buddhisten, die diesem Kult verpflichtet sind, bitter angekreidet. Laut dem in Berlin domizilierten Manjunatha-Hilfsdienst hielt der Dalai Lama kurz vor dem 2. September 2010 im südindischen Tibeter-Kloster in Bylakuppe eine Rede vor Mönchen. Darin griff er Befürworter des Dorje-Shugden-Kults scharf an. Dorje Shugden sei ein «böser Geist, der aus falschen Gebeten geboren wurde». Er schade «der buddhistischen Religion und den Lebewesen». Der Dalai Lama rief dazu auf, Dorje Shugden «auszulöschen», und bezeichnete die gesamte überlieferte Tradition des Schutzgeist-Kults seit dem 17. Jahrhunderts als Fehler.

«Dalai Lama will keine Opposition zulassen»

Laut der Manjunatha-Pressemitteilung lobte der Dalai Lama die «Politik der Ausgrenzung und Diffamierung, die von den verschiedenen Zweigen der tibetischen Exilverwaltung und den unter ihrer Leitung stehenden Klöstern betrieben wird». Das Oberhaupt habe auch den Konflikt mit der Volksrepublik China instrumentalisiert, indem er behauptete, Anhänger und Institutionen der Shugden-Praxis hätten sich «dem kommunistischen China ergeben» und Dorje Shugden sei «ein wirklicher chinesischer Geist».  Die Manjunatha-Stiftung kritisiert «den offensichtlichen Unwillen des Dalai Lama, politische und religiöse Opposition unter seiner Herrschaft zuzulassen» – nicht nur in Asien, sondern auch in Europa.

 

Datum: 27.11.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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