Mehr Öl denn je gefördert

Kohle wird Erdöl nicht ersetzen können

Offiziell reicht das Erdöl noch länger als 50 Jahre. Doch manche Länder weissen seit etlichen Jahren stets die gleichen Ölreserven aus. Dank der Fracking-Methode wird derzeit mehr Öl denn je gefördert. Bereits mittelfristig wird dies zum Nachteil.
Josef Jenni

Energiepionier und Ex-EVP-Grossrat im Kanton Bern, Josef Jenni, mahnt zum Umdenken im Umgang mit Energie. Die Versorgung mit Erdöl wird knapper; die Fracking-Methode beschleunige dies letztlich, erklärt der Erfinder der «Tour de Sol» in unserem Hintergrundinterview.

Livenet.ch: Josef Jenni, die jüngsten Zahlen der BP* können optimistisch stimmen. Das Erdöl scheint weiter zu reichen als auch schon. Ist die Welt nun in Ordnung?
Josef Jenni:
Das ist ein ganz grosser Irrtum. Es ist richtig, dass die Erdölförderung im Moment weltweit gesteigert werden konnte. Nicht zuletzt wegen den viel höheren Preisen. Dadurch sind neue, teurere Fördermethoden möglich geworden. Hier ist insbesondere das Fracking zu erwähnen. Fracking ist eine Methode, bei der man in die Bohrungen hinein mit ganz hohem Druck Sand und Wasser hinunterpresst. Dadurch bilden sich Risse im Boden des Untergrundes. So fliesst Öl und Gas den Bohrungen besser zu. Das ist aber mit einer sehr grossen Umweltbelastung und einem grossen Materialaufwand verbunden. 

Die deklarierten Zahlen wiesen früher aus, dass das Erdöl – bei gleichbleibendem Verbrauch – für mehr als 40 Jahre ausreicht. Nun reicht es nach den neusten Zahlen länger als 50 Jahre. Rechnen Sie mit einem Einbruch?
Die Schwierigkeiten mit der Erdölversorgung beginnen ja nicht dann, wenn das Erdöl ausgeht. Diese Zahl ist eine theoretische Zahl. Wenn wir die heute bekannten Erdölvorräte gleich schnell fördern wie heute, reicht es noch fünfzig Jahre. Das Problem ist aber, dass die zweite Hälfte, der Rest der noch vorhanden ist, immer schlechter gefördert werden kann. Das heisst, die Spitzenwerte der Fördermenge brechen viel früher zusammen.

Durch das Fracking kann das nun hinausgezögert werden. Man kann Felder damit besser ausbeuten. Dann folgt aber der Preis eines viel schnelleren Zusammenbruchs. Sobald ein Erdölfeld leer wird und das nach-fracken auch nichts mehr bringt, bricht die Fördermenge mit jährlich 50 Prozent ein. Das heisst, innert Jahresfrist fällt die Förderung auf die Hälfte, ein Jahr später auf einen Viertel und so weiter. Das geht sehr schnell. In einem Tempo, in dem die Menschen nicht die Möglichkeit haben, ihre Energieversorgung umzustellen. Fracking ist eine teure Illusion, die uns in einer Sicherheit wiegt, die in keiner Weise vorhanden ist.

Was heisst das für die Wirtschaft und die Menschheit generell?
Wir rennen mit Vollgas in eine Wand. Was wir im Moment nicht wahrhaben wollen und wegzudiskutieren versuchen.

Was kann in den nächsten Jahren getan werden?
Das mit Abstand Wichtigste ist, dass wir unseren Bedarf in Frage stellen. Dass wir Wirkungsgrade verbessern und uns fragen, ob wir gewisse Dinge überhaupt brauchen. Weiter sind sehr grosse Anstrengungen nötig, um mit erneuerbaren Energien die Energieversorgung anderweitig bereitzustellen.

Schauen Sie optimistisch oder pessimistisch in die Zukunft?
Das Ausgehen der fossilen Energieträger ist für die Menschheit, für die Welt eine gute Meldung. Denn das ist der einzige Grund, weshalb wir aufhören werden, immer mehr Erdöl, Gas und Kohle zu verbrennen. Und wenn es kein Ende gäbe, würden wir unsere Lebensgrundlage zerstören. Wenn das Erdöl und vor allem auch die Kohle ausgehen, ist das überhaupt nicht tragisch.

Wie sieht der Kohleverbrauch aus? Vor rund zwei Jahren sagten Sie, dass die Welt vor dem Eintritt in ein neues Kohlenzeitalter steht…
China verbraucht rund die Hälfte des weltweiten Kohlebedarfs. Das Land fördert und verbrennt viel. Im letzten Jahr wäre Kohle zum weltweiten Hauptenergieträger geworden, wenn BP in ihren Berechnungsmethoden nicht die Rechengrundlagen geändert hätte. BP hat in der Weltenergiestatistik – ob begründet oder nicht kann ich nicht beurteilen – einfach die Kohleförderung der Chinesen über Jahre zurückreduziert, und damit ist Erdöl der Hauptenergieträger geblieben; vielleicht gefällt das der BP besser, ich weiss es nicht. Nun geht es halt noch ein paar Jahre. Wir sind auf Kurs, dass Kohle der Hauptenergieträger wird, daran ändert sich gar nichts.

*Die jährliche Weltenergiestatistik der «BP» (früher «British Petroleum», heute «Beyond Petroleum») ist als eine der wichtigsten Energie-Informationsquellen anerkannt.

Datum: 23.09.2013
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch

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