Chancen kultureller Vielfalt
Einer der Höhepunkte der Konferenz war die Podiumsdiskussion zum Thema «Das neue Wir: Wege zur Förderung einer offenen und respektvollen multikulturellen Gesellschaft». Dibyesh Anand, Professor für Politik und internationale Beziehungen in London, betonte, dass die Gesellschaft sich ständig ändere. «Demokratie ist ein Mittel, um mit Vielfalt umzugehen. Demokratie sollte nicht die Tyrannei der Mehrheit sein, sondern muss Minderheiten schützen», sagte Anand. «Wir müssen uns bewusst werden, dass wir alle Teil einer Minderheit sind. Sobald wir das realisieren, werden wir auch realisieren, dass wir bescheiden sein und Minderheiten vor Diskriminierung schützen sollten.»
Anand sagte weiter, dass Demokratie kein Zustand sei, sondern ein Ideal, das es anzustreben gelte. Die Schweiz und ganz Europa müssten die Demokratie sehr sorgfältig pflegen und regelmässig erneuern, um sicherzustellen, dass neue Minderheiten gleich gut geschützt werden wie alte Minderheiten.
Die Gesellschaft als Ökosystem
Oliver Freeman, ehemaliger Vize-Vorsitzender der schweizerischen Konferenz der Integrationsbeauftragten und gegenwärtig als Experte für das Programm «Intercultural Cities» des Europarats tätig, stellte seine Vision einer interkulturellen Gesellschaft vor: «Wir sollten die Gesellschaft nicht als eine Maschine sehen, die nicht mehr funktioniert, sobald ein Fremdkörper hineinfällt. Stattdessen sollten wir die Gesellschaft als ein Ökosystem sehen, das sich anpasst, fremde Elemente aufnimmt und sich dadurch bereichert.» Der Europarat, so Freeman, habe sich zum Ziel gesetzt, dem Konzept der Interkulturalität als neues Paradigma im Umgang mit Vielfalt zum Durchbruch zu verhelfen. Dieses Konzept sehe Vielfalt nicht als Bedrohung, sondern als Chance, eine Gesellschaft zu bereichern und etwas Neues zu schaffen.
Friedenstraining für Muslime
45 junge Muslime aus der Schweiz, Frankreich, Norwegen, Schweden, Österreich, Deutschland, Bosnien, den Niederlanden und Grossbritannien nahmen vor der Konferenz am sechstägigen Trainingsprogramm «Learning to be a Peacemaker» teil. Ziel des Programms war es, junge europäische Musliminnen und Muslime zu Botschaftern des Friedens und Vertrauens auszubilden. Dieses Programm hatte 2009 zum ersten Mal in Caux stattgefunden.
Christliche Impulse fürs 20. Jahrhundert
«Caux-Initiativen der Veränderung» ist eine gemeinnützige Stiftung mit dem Fokus Konfliktprävention, Friedensförderung, Interkultureller Dialog, Wirtschaftsethik und Vertrauensbildung. Die Stiftung ging aus der so genannten Oxfordgruppe hervor, einer Bewegung, die in den zwanziger Jahren unter Studierenden der Universität Oxford entstanden war. 1938, als sich die Staaten zum Krieg rüsteten, rief der Gründer der Bewegung, Frank Buchman, zu einer «moralischen und geistigen Aufrüstung» für «eine Welt ohne Hass, Angst und Habgier» auf. Frank Buchman war ein lutherischer US-Pfarrer mit Schweizer Wurzeln; die von ihm inspirierten Gruppen wirkten in der Zwischenkriegszeit in vielen Kirchen West- und Nordeuropas.
Nach Ende des Krieges unterstützte unter dem Namen Moralische Aufrüstung (MRA) ein Programm des moralischen und geistigen Wiederaufbaus den Aussöhnungsprozess ehemaliger Feinde, allen voran Deutschland und Frankreich. Aktuell stellen die Initiativen der Veränderung ein aktives interkulturelles Netzwerk dar, das sich dem stetig notwendigen Prozess der «Erneuerung der Welt» verpflichtet hat.
Datum: 03.08.2011
Quelle: Livenet / Kipa