Debatte um Polygamie in Malaysia

Petronas-Türme in Malaysia

Kuala Lumpur – Am Wochenende hat sich Malaysia von seiner rasantesten Seite präsentiert. Auch die Schweizer Präsenz im Formel-1-Zirkus sähe ohne die Gelder des Sauber-Hauptsponsors Petronas, der malaysischen Ölgesellschaft, vermutlich anders aus. Abseits der Rennstrecke – und abseits der Strassen der Hauptstadt, auf denen gegen die Irak-Invasion der USA protestiert wird – gibt ein anderes Thema zu reden: Polygamie, oder um das alte deutsche Wort zu verwenden: Vielweiberei.

In Malaysia können Frauen Medizin studieren, Ingenieurin, Ministerin oder Pilotin werden. Aber die Stellung einer Islam-Expertin bleibt ihnen im südostasiatischen Land, das sich eines fortschrittlichen Islam rühmt, verwehrt. Nun aber rüttelt eine Frau an der Männer-Bastion, wie die Hongkonger Zeitung ‚South China Morning Post‘ schreibt.

Endon Mahmood, 62, ist nicht irgendwer. Sie ist die Frau von Abdullah Ahmad Badawi, dem Stellvertreter und designierten Nachfolger von Premierminister Mahathir Mohamad. Endon, die einer malayisch-japanischen Familie entstammt, erregte zum ersten Mal Aufsehen, als sie eine Brustkrebserkrankung öffentlich machte und einen Alternativ-Mediziner aufsuchte.

‚Ein Mann, eine Frau‘

Nun bringt sie die konservativen Muslime des Landes gegen sich auf. Sie hat eine Kampagne lanciert, um die Monogamie zu fördern. Das Recht des muslimischen Mannes auf mehrere Frauen, im Koran gewährt, wird auch von vielen Anhängern der malaysischen Regierungspartei UMNO unterstützt. Endon Mahmood hält nun Slogans wie „Monogamie ist meine Wahl“ und „Ein Mann, eine Frau“ dagegen. Die Aktivistinnen in ihrem Umkreis fordern für die Frauen Malaysias das Recht, sich von ihrem Gatten zu scheiden, falls er eine andere Frau heiratet.

„Monogamie hat meine Ehe mit Pak Lah während vier Jahrzehnten glücklich erhalten“, sagte Endon Mahmood und gebrauchte dabei den Kosenamen ihres Mannes. „Unser Eheglück baut auf den Grundsätzen von Gleichheit und gegenseitiger Unterstützung... Monogamie ist die Wahl, die meine Familie getroffen hat.“ Und sie fügte an: „Die Ehe ist ein Vertrag zwischen zwei – nur zwei – Personen.“

Zunahme der Polygamie seit 1970

In Endons Umkreis wird darauf hingewiesen, dass weitere Eheschliessungen des Mannes oft Elend für die erste Gattin bedeuten. Früher hatten laut dem Zeitungsbericht nur wenige Malaien mehrere Frauen, „aber eine fundamentalistische Welle in den letzten drei Jahrzehnten hat zu einer bedeutenden Zunahme von muslimischen Männern geführt, die mehr als eine Frau heiraten“.

Neben den Botschaften konservativer Prediger aus dem Mittleren Osten dürfte auch der wachsende Wohlstand in vielen Teilen des Landes zur Vielweiberei beigetragen haben. In den Städten stehen die hohen Lebenshaltungskosten der Polygamie entgegen. Im Hinterland dagegen wird sie von Beamten gefördert, die Medaillen an heiratswillige junge Frauen abgeben. Die South China Morning Post schreibt, auch die amtlichen Medien propagierten die Polygamie, und die Regierung habe die Ehescheidung erleichtert.

Siebenmal mehr Scheidungen bei Muslimen

Die Frauenbewegung „Schwestern des Islam“, die von Endon Mahmood gefördert wird, hat darauf hingewiesen, dass die Scheidungsrate unter den Muslimen des Landes siebenmal so hoch ist wie unter Nicht-Muslimen. Die Sprecherin der Bewegung kritisierte, dass die Behörden kein Eheregister führen und Frauen daher gar nicht nachprüfen können, ob ihr Zukünftiger noch ledig oder bereits verheiratet ist. „Muslimische Frauen treten blind und schutzlos in die Ehe ein und werden in der Folge immer häufiger fallengelassen“, sagte die Sprecherin der Frauenbewegung.

Der Frauen-Kampagne bläst ein steifer Wind entgegen. "Monogamie ist gegen den Islam“, erklärte Abdul Hamid Othman, der oberste Islam-Berater der Regierung. Die Aktivistinnen fürchten, von konservativen Geistlichen als unislamisch oder pro-westlich gebrandmarkt zu werden. Sie fordern aus diesem Grund auch kein Verbot der Polygamie, nur ein Ende ihrer Propagandierung.

Datum: 25.03.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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