Religion im TV - nicht nur für Senioren

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Pfäffikon - Gottesdienstübertragungen erreichen in der Schweiz und Deutschland Marktanteile von etwa einem Zehntel, in Österreich, Polen oder Finnland und mehr als einem Viertel. Laut der Neuen Zürcher Zeitung sind "die Zuschauer dieser Sendungen dem Sarg aber in der Regel weit näher als der Wiege". An einer Tagung der Europäischen Rundfunkunion UER in Prag gab der ZDF-Zuschauerforscher Heinz Gerhard den Marktanteil der ZDF-Gottesdienste in der Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren mit bloss 1,4 Prozent an; erst bei den Rentnern über 65 liege dieser Wert bei 37 Prozent. Die italienische RAI erreicht mit ihren Gottesdiensten bei den 25-34-jährigen gerade 66'000 Zuschauer; jenseits der 65 Jahre sind es fast achtmal so viele. Auch religiöse Reportagen, Dokumentationen und Magazine hätten vor allem ältere Zuschauer, heisst es im Artikel.

‚Fenster zum Sonntag' steigert Marktanteil

In der Schweiz ist der Marktanteil der Wochenend-Sendungen des ‚Fensters zum Sonntag' auf SF2, abwechselnd vom ERF Schweiz und der Alphavision produziert, in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, auf heute 8 Prozent, was leicht über dem durchschnittlichen Marktanteil des Senders von 7,2 Prozent liegt. Laut Verena Birchler vom ERF Schweiz finden die Talk-Shows und Magazine des ‚Fensters zum Sonntag', die am frühen Samstagabend und am Sonntagvormittag ausgestrahlt werden, durchaus jüngere Zuschauer: Ein Viertel ist unter 45 Jahre, ein Drittel zwischen 45 und 64 Jahre und ein Viertel über 65 Jahre alt.

‚Einfalt statt Einheit'

Die Tagung in Prag warf laut der NZZ die Frage auf, ob die Produzenten wegen der Altersstruktur erfolgreiche Unterhaltungssendungen zum Vorbild nehmen sollten. Oder ob sie durch eine Betonung der Unterschiede zwischen den Religionen ein schärferes Profil gestalten sollten. Der Bedeutungsverlust religiöser Fernsehprogramme hange mit dem gesunkenen Stellenwert organisierter Religion in der Gesellschaft überhaupt zusammen, meint der Berichterstatter. Auf der Tagung sagte der britische Medienberater Andrew Graystone, die religiösen Angebote wirkten im bunten, reichen Menu des Fernsehens so animierend wie verkochtes Gemüse.

Graystone, früher bei der BBC, forderte die Fernsehmacher zu abwechslungsreicheren Programmen auf. Das Bestehen zum Teil gravierender Unterschiede zwischen den Religionen und Konfessionen solle eingeräumt werden. Zu oft werde Einheit mit Einfalt verwechselt. Graystone sprach sich gegen eine "ebenso langweilige wie unehrliche Konturlosigkeit" aus. Kulturen sollten in ihrer Vielfalt anerkannt werden. Die NZZ stellt die Frage, ob dies mit dem Auftrag öffentlich-rechtlicher Sender vereinbar ist.

Datum: 16.01.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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