Haiti: Hilfe im heillosen Durcheinander
Die schweizerische NGO Medair entsendet ein Team zur Beurteilung der Lage nach Haiti, damit für die Bedürftigsten des Landes Nothilfemassnahmen eingeleitet werden können. «Angesichts des Ausmasses der Katastrophe und der Tatsache, dass die Bewohner Haitis bereits vor dem Erdbeben zu den Ärmsten gehörten, fühlen wir uns verpflichtet, für diese Menschen, die unsere Hilfe so bitter nötig haben, Hilfsmassnahmen zu ergreifen», so John Farmer, Einsatzleiter bei Medair. «Wir verfügen über die Kapazitäten, bei grossen humanitären Katastrophen wie diesem Erdbeben lebensrettende Soforthilfe bereitzustellen.» Bei der Tsunami-Katastrophe in Asien, dem Erdbeben in Kaschmir und erst vor kurzem bei den heftigen Erdbeben in Indonesien habe man geholfen.
Spital auf der Strasse
Der Schweizer World Vision Mitarbeiter Urs Bernhard berichtet von dramatischen Szenen in Port-au-Prince: „Die Menschen sind absolut verzweifelt und brauchen Trinkwasser, Nahrung und medizinische Versorgung. Wir müssen so schnell wie möglich helfen, sonst könnte es zu Ausschreitun-gen kommen."„Am meisten fehlt es an Antibiotika, Desinfektionsmitteln, Verbandsmaterial, Decken, Zelten, Nahrungsmitteln und Wasserreinigungstabletten", so Urs Bernhard. Beim L'Hôpital Général in Port-au-Prince, das von World Vision mit dringend notwendigen medizinischen Gütern versorgt wird, musste die medizinische Notversorgung auf die Strasse verlegt werden, da die Infrastruktur im Innern zerstört wurde.
Zwei Millionen Menschen müssten für die nächsten dreissig Tage mit Essen versorgt werden, teilte das UN-Welternährungsprogramm mit. Ohne ausländische Hilfe drohe eine Hungersnot. Das UN-Hilfswerk bestätigte, dass eines ihrer Lagerhäuser in Port-au-Prince geplündert wurde.
Noch keine verlässliche Zahl
Die notleidenden Menschen versuchten in Ausnahmesituationen mit fast allen Mitteln die Versorgung ihrer Familien sicherzustellen. 300‘000 Menschen seien durch das Erdbeben obdachlos geworden, 3,5 Millionen Menschen leben im Katastrophengebiet. Bis zu einer verlässlichen Schätzung über die Zahl der Opfer und das Ausmass der Schäden werde es noch Tage dauern. Das Rote Kreuz schätzt die Zahl der Todesopfer auf mittlerweile über 50'000 Menschen.Begräbnisse
Die Bestattung von mehreren zehntausend Toten nach dem schweren Erdbeben in Haiti stellt für Kirchen, Helfer und Angehörige eine grosse Herausforderung dar. Auch im Katastrophenfall müsse für jeden Verstorbenen ein «würdiges Begräbnis» garantiert werden, sagte Markus Graulich von der Apostolischen Signatur, dem Obersten vatikanischen Gerichtshof, der evangelischen Nachrichtenagentur «epd» am Freitag in Rom. Laut Kirchenrecht sind Beisetzungen «nach den Massgaben der liturgischen Gesetze zu feiern».Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betonte unterdessen, dass die Toten kein Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellten. «Berichte über Leichen, die Seuchen auslösen, treffen nicht zu», sagte WHO-Sprecher Paul Garwood in Genf.
Auch Aargauer Werk betroffen
Betroffen ist auch die Aargauer Stiftung «Freundes-Dienst», sie ist seit 1962 in Haiti tätig und betreibt dort drei Schulen mit rund 1300 Kindern, welche wir in den 70er und 80er Jahren gegründet haben. Wir beschäftigen in Haiti rund 50 Mitarbeiter und sind direkt betroffen.Eine Schule liegt nahe der Stadt Hinche, im Zentrum des Landes. Seit Freitag haben wir wieder Kontakt mit dieser Schule. Unsere Mitarbeiter vor Ort liefern uns direkte Informationen aus dem Land. Ein Team ist zurzeit auf dem Weg nach Port-au-Prince, von wo wir weitere Informationen erhalten.
Zwei Schulen liegen in bzw. nahe bei Port-au-Prince. Zurzeit bereiten wir eine Not- und Hilfsgüterlieferung für Port-au-Prince vor. Unsere Hilfe wird in der zweiten Phase (nach der Chaosphase) die Menschen erreichen und wie bei früheren Gelegenheiten (Hurricans im Jahr 2008) eine nachhaltige Wiederaufbauhilfe umfassen. Unsere jahrzehntelange Erfahrung in Haiti, die vielen guten Kontakte und die enge Vernetzung in den örtlichen Strukturen ermöglichen es, dass unsere Hilfe sehr direkt und zielgerichtet erfolgen kann und die Bevölkerung optimal erreicht.
Betrugsversuche
Betrüger erblöden sich, das Elend auszunutzen. Laut «Symantec Hosted Services» registriert das Unternehmen vermehrt Betrugsversuche im Internet. Spam-Mails wurden beobachtet, die im Namen von Hilfsorganisationen um Spenden für die Erdbebenopfer bitten. Versucht wird, den Leser zu einer Bargeldüberweisung über Geldtransferdienste, wie etwa Western Union, zu bewegen. Sicherheitsexperten weisen darauf hin, dass Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz für Spenden grundsätzlich keine Bargeldtransferdienste nutzen. Symantec empfiehlt Spendenwilligen, sich mit den Organisationen direkt in Verbindung zu setzen, oder Informationen auf deren Homepages einzuholen.Lesen Sie auch: Kommentar: Haiti und die höhere Macht
Datum: 19.01.2010
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet / epd