Armer reicher Schulmeister
Dem Stück «Schulmeister» des Theaters Lützelflüh liegt Jeremias Gotthelfs früher Roman «Leiden und Freuden eines Schulmeisters» zugrunde. In Gotthelfs Gytiwil, das diesen Sommer vor dem alten Schulhäuschen von Lütiwil bei Biglen im Emmental wiederersteht, hat es Peter Käser (Roger Mauerhofer) nicht leicht. Der Schulmeister soll unterrichten, aber Bildung achten die Bauern gering. Käsers Lohn ist entsprechend tief – was die rasch wachsende Familie leidvoll zu spüren bekommt. Sie kämpft ums tägliche Brot. Das herzensgute Mädeli (Martina Häni) verzagt nie und hält Mann und Kinder aufrecht.
Die ländliche Schweiz von 1830
In den Szenen, die Ueli Remund dem Entwicklungs- und Bildungsroman entnommen und mit 80 engagierten Kindern und erwachsenen Laien inszeniert hat, zeigt das Leben vergangener Zeiten auf: Der Tod Neugeborener, Schüler barfuss und unregelmässig im Unterricht, gebrechliche Eltern als Last im Haushalt, Waschen, Wasserholen und Tratschen am Brunnen, gierige Erben, der Pfarrer, zu Pferd anreitend, als Respektsperson, Gebet und Kirchenlied als Rahmen der Schulstunden, Spielen ohne Spielsachen, kaum ausgebildete und darum überforderte Lehrer…
Spiegel des Lebens
So schlicht sich das Leben des Gytiwiler Schulmeisters, seines Mädeli und der Kinder gestaltet, so deutlich spiegelt es Grundgegebenheiten des Lebens, das sich in der mobilen und kommunikativen Wohlstandsgesellschaft unheimlich kompliziert hat. „Je mehr man hat, desto mehr hat man zu wenig“, schrieb einst Gotthelf im „Schulmeister“. Alt-Schweizerisches (da kommen wir her) und Urmenschliches (so sind wir alle) klingen zusammen: Darin liegt der Reiz des herzhaft gespielten Stücks, das bis zur Dernière ausverkauft ist; Plätze gibt es noch an der Abendkasse.
Hintergrund:
Jeremias Gotthelf, auf dessen Roman das Stück «Leiden und Freuden eines Schulmeisters» beruht, hiess mit bürgerlichem Namen Albert Bitzius hiess und lebte von 1797 – 1854. Wie kein anderer Schriftsteller seiner Zeit verstand es der Berner Pfarrer, christliche Werte in seinen Romanen zu erarbeiten. Er engagierte sich auch politisch und kritisierte die herrschenden Berner Familien, die sich seiner Ansicht nach zu wenig um die sozial Schwachen kümmerten. In seinem sozialen Engagement war Gotthelf auch massgeblich an der Gründung der «Armenerziehungsanstalt Trachselwald» beteiligt.
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Theaterstück «Schulmeister»
Datum: 05.08.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch