Gerechtigkeit zwischen Generationen

Plädoyer für eine zukunftsgerichtete Familienpolitik

Ausser der Verlängerung des Impulsprogramms für Krippen und Tagesstätten hat die Familienpolitik des Bundes 2010 kaum Fortschritte gemacht. Und auch dieser Fortschritt ist ambivalent. Fritz Imhof, der für die Schweizerische Stiftung für die Familie (SSF) die Entwicklungen verfolgt, macht Vorschläge für eine konsistente und zukunftsgerichtete Familienpolitik.
Familienpolitik

Fokussierung auf die erwerbsarbeitfreundliche Familie überwinden

Die aktuelle Familienpolitik ist auf Steuererleichterungen sowie auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen, die auch den Ausbau von Krippen und Kindertagesstätten umfassen, fokussiert. Alle andern Ansätze, welche eine Stärkung der Familie bringen könnten, haben wenig Chancen. Sie stossen auf den geschlossenen Widerstand der Wirtschaftsverbände, weil sie etwas kosten. Familienpolitik muss allerdings nicht immer nur kosten, sie könnte und müsste auch bisherige Strukturen hinterfragen und gerechtere Voraussetzungen für die Familien schaffen.

Steuerbefreites Existenzminimum einführen

Es ist wenig sinnvoll, kleine Einkommen, die knapp die Existenz einer Familie decken, zu besteuern. Gerade Familien mit mehreren Kindern werden hier zusätzlich belastet. Abhilfe könne ein System schaffen, das grundsätzlich das Existenzminimum für alle Familienmitglieder von der Steuer befreit und dafür Einkommen über diesem Betrag höher besteuert. Es wäre ein Beitrag zu einem besseren Lastenausgleich zwischen Familien und Kinderlosen. Ein solches System würde nebenbei die heutige Schwellenproblematik beim Umstieg von der Sozialhilfe auf eine Erwerbsarbeit entschärfen.

Kinderzahl bei der Festsetzung von AHV-Beiträgen berücksichtigen

Das heutige AHV-System lebt davon, dass die erwerbstätige Bevölkerung die AHV-Rente ihrer Eltern und Grosseltern finanziert. Es verteilt die Beiträge der arbeitenden Söhne und Töchter in Form von Renten nicht nur an Väter und Mütter, sondern auch an die (un)freiwilligen Kinderlosen. Hier sind zwei Lösungswege möglich: Entweder die Eltern werden von AHV-Prämien gemäss ihrer Kinderzahl entlastet und Kinderlose entsprechend stärker belastet oder die Rente wird der Anzahl Kinder, die Eltern aufgezogen haben, angepasst. Die AHV wird sonst Opfer der demografischen Veränderungen.

Ebenbürtigkeit von Familien- und Erwerbsarbeit

Die Betreuungsgutschriften in der AHV sind ein guter Ansatz. Ein Betreuungsgeld für Eltern wie in Deutschland und Österreich würde auch in der Schweiz die Erziehungsarbeit aufwerten. Sie ist aber zurzeit chancenlos. Ein Fortschritt wäre schon, wenn Familienarbeit bei den Sozialversicherungen keine Nachteile gegenüber Erwerbsarbeit bringen würde. Leider sind immer mehr Leistungen an eine Erwerbsarbeit gebunden. Dieser Trend muss gebrochen werden.

Generationengerechte Politik

Der Leiter des Instituts für Ehe und Familie in Wien, Prof. Günter Danhel, schreibt: «Ziel einer generationengerechten Politik müsste es sein, dass jede Generation zumindest so viele Lebenschancen vorfindet wie die Generation vor ihr.» Eine umfassende Familienpolitik ist auch Generationenpolitik, die auf die nachkommenden Generationen Rücksicht nimmt, sowohl finanzpolitisch, sozialpolitisch wie ökologisch. Die heute aktive Generation würde das zu ihrem eigenen Nutzen tun. Denn, so Danhel: „Generationengerechtigkeit ist zugleich Voraussetzung für Solidarität zwischen den Generationen. Es kann auch bedeuten, dass es zu mehr Solidarität innerhalb der (älteren) Generation kommen muss, wenn sie über hohe Ressourcen verfügt. Diesem Ziel würde zum Beispiel eine Erbschaftssteuer zugunsten der AHV dienen. Danhel regt ein «generational accounting» im Sinne einer Generationenbilanz an, das heisst eine «Darstellung der Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen auf die verschiedenen Generationen».

Familien nicht zu Objekten gesellschaftlichen Handelns machen

Günter Danhel weist noch auf einen wichtigen Aspekt hin: «Auch wenn Familienfragen primär immer persönliche Dimensionen aufweisen, ist es doch von öffentlicher Bedeutung und im Interesse aller, dass es Familien gibt und diese im Sinne der Subsidiarität ihre Aufgaben erfüllen können.» Familien seien in erster Linie autonome Gemeinschaften von Personen mit eigenem Wert und eigener Würde und niemals nur «Objekte» politischen Handelns oder gar Almosenempfänger.

Datum: 01.01.2011

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