Erschreckende Naivität bei Schwulen in den USA

Barcelona - Viele junge US-Amerikaner, die schwul oder bisexuell sind und sich mit dem HIV-Virus angesteckt haben, wissen nichts von der Infektion. Dieses schockierende Ergebnis ergab eine Studie, die an der Welt-AIDS-Konferenz vorgestellt wurde. Von den untersuchten 15-29-jährigen HIV-positiven Männern wussten 90% der Schwarzen, 70% der Hispanics und 60% der Weissen nicht von ihrer Infektion. Obwohl diese Männer oft hoch riskanten ungeschützten Sex gehabt hatten, stuften sie sich selbst als wenig gefährdet ein.

Die Studie des US-Zentrums für Seuchenkontrolle und Prävention in Atlanta erfasste 5'719 Besucher von Clubs, Bars und Szenelokalen in sechs Grossstädten. 573 hatten das Virus, doch 440 dieser Infizierten wussten es nicht, obwohl sie sich jederzeit hätten testen lassen können. "Es ist alarmierend, dass wir 20 Jahre nach Auftreten der Epidemie nicht wissen, warum so wenige schwarze Schwule ihren Zustand kennen", sagte Phill Wilson, der in Los Angeles ein Institut zur AIDS-Prävention unter Afroamerikanern leitet.

Die Seuche breitet sich unter Schwarzen in den USA in einem unproportional hohen Ausmass aus. Zwischen 1994 und 2000 machten die HIV-Ansteckungen von Schwarzen in 25 Bundesstaaten 55% der Gesamtzahl aus (ihr Bevölkerungsanteil liegt bei 12%). Im Jahr 2000 waren 43% der AIDS-Kranken Schwarze und 21% Hispanics (Bevölkerungsanteil 13%). Laut Wilson sind viele Afroamerikaner gar nicht im US-Gesundheitswesen integriert.

Der AIDS-Experte Ronald Valdiserri sprach von einer zunehmenden Gleichgültigkeit gegenüber der Krankheit in den USA. Er rief zu neuen Anstrengungen im Kampf gegen AIDS auf. In den USA stecken sich nach Schätzungen jedes Jahr 40'000 Einheimische mit dem HI-Virus an, und etwa 900'000 leben mit dem Virus oder der sichtbaren Immunschwäche. Von ihnen haben aber nur die Hälfte eine Diagnose bekommen und/oder sind in Behandlung!

Die US-Epidemiologen stellen auch unverhältnismässig hohe Ansteckungszahlen von Schwarzen fest, die sich die Infektion durch Sex mit dem anderen Geschlecht zuzogen. Weiter sorgen sie sich um stark zunehmende Syphiliserkrankungen in New York City und San Francisco, meistens unter Schwulen. Eine Studie unter Schwulen ergab eine deutlich Beziehung zwischen Hochrisiko-Verhalten, der HIV-Infektion und vier Problemkreisen: Drogen, Gewalt gegen den Partner, erlittener Missbrauch in der Kindheit und Depression. Je mehr von diesen vier Problemen bestanden, umso weniger riskierten die Männer in ihren sexuellen Beziehungen.

Datum: 11.07.2002
Quelle: New York Times

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