Verfassungsschutz: Islamisten bedrohen Deutschlands innere Sicherheit

Otto Schily

Berlin. Islamisten stellen eine Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands dar. Zu diesem Ergebnis kommt der Verfassungsschutzbericht 2001, den Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) vorgelegt hat. Hätten islamistische Organisationen früher vor allem versucht, die Gesellschaftsordnung in ihren Heimatländern zu verändern, so wollten sie nun ihre politisch-religiösen Vorstellungen zunehmend auch in Deutschland umsetzen. Die laut Bericht “zahlenmässig grösste extremistische Organisation von Ausländern im Bundesgebiet”, die in Köln beheimatete “Islamische Gemeinschaft Milli Görüs”, fordere ihre 27.500 Mitglieder und ihre Sympathisanten dazu auf, sich um die deutsche Staatsbürgerschaft zu bemühen. Dann sei es leichter, im Sinne von “Milli Görüs” politischen Einfluss zu nehmen. Erstmals wird in diesem Bericht auch der “Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland” (Bonn) erwähnt, dem “Milli Görüs” angehört. Dieser hat sich immer wieder als Gesprächspartner für die Kirchen empfohlen.

Antijüdische Hetze

Unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen nicht nur türkische Islamisten, sondern auch radikale Moslems aus anderen islamischen Staaten, etwa die libanesische “Hizb Allah” (Partei Allahs) mit in Deutschland 800 Mitgliedern sowie verschiedene Zweige der “Muslimbruderschaft” mit 1.200 Mitgliedern. Islamisten wollten auch in Deutschland ein Leben nach der Scharia, dem islamischen Religionsgesetz, durchsetzen. Sie hätten die Vorstellung, “dass mit der Scharia ein alle Lebensbereiche regelndes islamisches Gesellschaftssystem vorgegeben sei, das zur Ausübung eines ‚wahren’ Islam unverzichtbar sei”. Ausserdem fänden sich in ihren Publikationen extreme antijüdische Kommentare. Beispielsweise hiess es im Wochenblatt “Die Gemeinde Mohammeds” des inzwischen verbotenen “Kalifstaates”: “Der Jude geniesst es, wenn in der Welt jeder jeden abschlachtet. Andernfalls findet er keine Ruhe. Es passt nicht zu der jüdischen Philosophie, wenn irgend ein Volk in Ruhe und Frieden lebt ...”.

Kommentar

“Auch in Deutschland gefährdeten Islamisten die innere Sicherheit; Bestrebungen islamistischer Organisationen richteten sich auch weiterhin gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.” So deutlich hat man es noch in keinem Verfassungsschutzbericht gelesen, der am Wochenende von Bundesinnenminister Otto Schily für das Jahr 2001 vorgestellt worden ist. Denn bislang ging man davon aus, dass die Islamisten in erster Linie die staatliche Ordnung in ihren Heimatländern verändern wollten. Nun liest sich das im Verfassungsbericht so: “Islamistische Organisationen, darunter solche, die sich als Interessenvertreter grosser Teile der im Bundesgebiet lebenden etwa drei Millionen Muslime sehen, wollen nicht mehr nur eine islamistische Gesellschaftsordnung in ihrern Herkunftsländern, sondern ihre politisch religiösen Vorstellungen zunehmend auch in Deutschland umsetzen.” Und so fordert denn die in Köln beheimatete “Islamische Gemeinschaft Milli Görüs” (IGMG) ihre Anhänger mit grossem Nachdruck auf, sich um die deutsche Staatsbürgerschaft zu bemühen. Dann sei es leichter, im Sinne der IGMG politischen Einfluss zu nehmen. “Milli Görüs” aber ist mit rund 27.500 Mitgliedern in über 300 Moscheevereinen und anderen Einrichtungen laut Verfassungsschutzbericht 2001 die “zahlenmässig grösste extremistische Organisation von Ausländern im Bundesgebiet”.

Nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes richtet die IGMG ihr besonderes Augenmerk auf den Religionsunterricht für muslimische Kinder an öffentlichen Schulen, “den sie in ihrem Sinne gestalten will”. Zugleich arbeitet “Milli Görüs” auch aktiv in islamischen Dachverbänden mit, die nicht müde werden, die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland als vorbildlich zu würdigen. In diesem Zusammenhang wird nun auch erstmals im Verfassungsschutzbericht der in Bonn beheimatete “Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland” genannt, dem “Milli Görüs” angehört. Ohnehin sind längst auch die Kirchen hellhörig geworden, denen sich die islamischen Dachverbände als Gesprächspartner empfehlen. Man ist nämlich skeptisch, ob das immer wiederholte Bekenntnis zur religiösen Freiheit und Toleranz wirklich ehrlich gemeint ist.

Das Problem besteht nicht nur für den Verfassungsschutz, sondern auch die Kirchen darin, dass es sehr schwer ist, authentische Informationen aus den Leitungsgremien der islamistischen Gruppen zu bekommen. Denn diese schotten sich nach aussen ab, damit nichts über die wahren Absichten nach aussen dringt. Dennoch ist der Verfassungsschutz überzeugt: “Islamisten sind der Auffassung, dass mit der Scharia ein alle Lebensbereiche regelndes islamisches Gesellschaftssystem vorgegeben sei, das zur Ausübung eines ‚wahren‘ Islam unverzichtbar sei. Dementsprechend versuchen islamistische Organisationen, für ihre Anhänger im Bundesgebiet Freiräume zu schaffen, in denen sie ein Leben nach der Scharia führen können.”

Zum Kern islamistischer Ideologie gehört, so der Verfassungsschutz weiter, die Behauptung, staatliche Herrschaft könne und dürfe nicht menschlichem Willen entspringen, sondern gehe von Allah aus, dessen Wille – geoffenbart im Koran – die alleinige, für alle und immer geltende Wahrheit darstelle. Deshalb lehnten die Islamisten das Prinzip der Volkssouveränität und alle Gesellschaftsmodelle ab, die auf die Entschliessungs- und Entscheidungsfreiheit der Menschen, die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Pluralität der Meinungen setzen. Die Schlussfolgerungen, die der Verfassungsschutz daraus zieht, sind eindeutig: “Der Absolutheitsanspruch von Islamisten steht in unauflösbarem Widerspruch zu weiteren obersten Wertprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie dem Gleichheitsgrundsatz, dem Mehrheitsprinzip oder dem Recht auf Bildung und Ausübung parlamentarischer Opposition.”

Auch wenn sich nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes von den 7,3 Millionen Ausländern in Deutschland lediglich ein knappes Prozent “extremistischen Ausländerorganisationen” angeschlossen hat, so ist dennoch Anlass zu grosser Sorge gegeben. Nicht zuletzt im Blick auf die Islamisten, die ja nur einen Teil der extremistischen Ausländer darstellen. Denn die Zahl der Sympathisanten ist um ein Vielfaches grösser als die Zahl der Mitglieder in islamistischen Organisationen. Immerhin werden die Islamisten seit dem 11. September ernster als früher genommen, wobei das Bundesinnenministerium auch schon früher ab und an eingeschritten ist, etwa beim Verbot des islamistischen “Kalifatstaats”, der ebenfalls in Köln beheimatet war und nun wohl “Unterkunft” in Holland gefunden hat.

Es sind ja auch nicht nur die türkischen Islamisten, die den Verfassungsschutz in Atem halten, sondern auch die aus anderen islamischen Staaten (auch wenn ihre Zahl in Deutschland oft sehr klein ist). Die islamistischen Organisationen aus dem arabischen Raum verfügen in Deutschland insgesamt über 3.100 Mitglieder, von denen die mitgliederstärkste die libanesische “Hizb Allah” (Partei Allahs) mit 800 Mitgliedern ist. Die unterschiedlichen Zweige der “Muslimbruderschaft” können sich in Deutschland auf 1.200 Mitglieder stützen. Dass auch Anhänger Osama bin Ladens und der Al-Kaida-Terrorgruppen in Deutschland Aufenthalt gefunden haben, ist ebenfalls bekannt.

Diese Gruppen, die Namen wie “Islamische Heilsfront”, “Salafiyya-Gruppe für die Mission und den Kampf”, “Islamische Widerstandsbewegung” (HAMAS) oder “Jihad Islami” tragen, werden nun auch in Deutschland noch stärker beobachtet als sonst. Ausserdem ist es unerklärlich, was alles in islamistischen Publikationen, die in Deutschland vertrieben oder sogar hergestellt werden, über Israel geschrieben werden darf. Hier müssten noch erheblich strengere Kontrollen durchgeführt und viel mehr Verbote erlassen werden. Da heisst es beispielsweise in “Die Gemeinde Mohammeds”, einer bis zum Verbot des “Kalifstaates” wöchentlich erscheinenden Publikation: “Der Jude geniesst es, wenn in der Welt jeder jeden abschlachtet. Andernfalls findet er keine Ruhe. Es passt nicht zu der jüdischen Philosophie, wenn irgendein Volk in Ruhe und Frieden lebt ...”

Das harte Durchgreifen der Polizei in den zurückliegenden Monaten mit zum Teil beachtlichen Fahndungserfolgen im Blick auf vermutliche islamistische Terroristen, hat viele islamistische Gruppen in Deutschland vorsichtiger werden lassen. Doch das hat mit Entwarnung nichts zu tun. Immerhin ist es wohl endgültig mit der Verharmlosung islamistischer Terroristen vorbei, die Deutschland nicht nur als Rückzugsgebiet, sondern auch als Gebiet nutzen, um den eigenen Zielen nach einer islamistischen Gesellschaft näher zu kommen. Das Wort Integration ist deshalb für sie ein Horror-Wort, es sei denn, die Integration lässt sich für die eigenen ideologischen Zwecke missbrauchen.

Datum: 29.05.2002
Autor: K. Rüdiger Durth
Quelle: idea Deutschland

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