Pfarrer Sieber: Die Armen brauchen mehr als Brot

Pfarrer Sieber teilt seine Reisration mit Passanten
Die Promis gemeinsam an einem Tisch.

Auf dem Berner Bärenplatz – im Angesicht des Bundeshauses – haben Christen aus der Evangelischen Allianz am 15 Oktober die Kampagne „StopArmut2015“ eröffnet. Zwölf zum Teil prominente Schweizerinnen und Schweizer sassen gemeinsam um einen Tisch, assen eine Schale Reis und tranken dazu Wasser. Sie wollten damit zeichenhaft ihre Solidarität für die Armen ausdrücken und Christen in der Schweiz aufrufen, sich der Kampagne anzuschliessen. Unter ihnen war auch Pfarrer Sieber. Dabei entstand das folgende Gespräch.

Livenet: Pfarrer Sieber, was hat Sie motiviert, bei dieser Kampagne mitzumachen?
Pfr. Ernst Sieber: Als Christen sind wir miteinander verbunden und können die grossen Aufgaben in der Welt und in unserem Land nur gemeinsam lösen. Ich habe die Anfrage der evangelischen Allianz aufgenommen, weil es um einen Aufruf von Jesus Christus geht.

Zweitens nehme ich die Zunahme der Armut besonders auch in unserem Land wahr. Die christlichen Gemeinden müssen zu Kontrastgemeinden werden gegenüber dem, was der Staat noch tut. Er gibt zwar vor, die Armut zu bekämpfen, aber oft sind es die Armen, die bekämpft werden. Es gibt auch eine Tendenz, den ganzen sozialen Apparat bis zum letzten zu perfektionieren und man vergisst dabei, dass der Mensch auch eine Seele hat. Das Ziel der Integration wird oft dadurch gebremst, dass sich Betroffene fragen: „Wer bin ich denn noch? Ich melde mich lieber nicht.“ Dann fallen diese Menschen durch die Maschen, und es entsteht ein „Bodensatz“.

Gegenüber der weltweiten Armut scheinen unsere Probleme noch relativ klein zu sein.
Natürlich hat die Armut weltweit noch eine ganz andere Dimension, ich erinnere nur an die 30'000 Menschen, die pro Tag an Hunger sterben. Daneben spielen in Staat und Wirtschaft die Rechte der Aktionäre eine immer grössere Rolle. Da ist es gut, wenn sich Christen zu Wort melden. Und hier fühle ich mich als Pfarrer vor allem als Christ – und setzte mich mit diesen Leuten aus der Evangelischen Allianz erstmals zusammen ein, z. B. werde ich am 10. November in Zürich an einer Aktion teilnehmen, bei der ich unter dem Motto „Solidarität mit den Armen“ mit dem Esel durch die Bahnhofstrasse ziehe. Anschliessend wird es ein Konzert in der Fraumünsterkirche geben.

Braucht die Schweiz eine neue Sensibilisierung für das Thema Armut?
Es braucht eine Sensibilisierung, besonders auch für das Bewusstsein der Christen, dass es in der Schweiz Arme gibt. Die Christen haben seit der römischen Zeit mit bescheidenen Mitteln armen Menschen geholfen. Es gibt bei Julian einen Text, der feststellt, man könne nicht bestreiten, dass die Gotteslästerer – er meinte damit die Christen – ihre Armen selbst nährten, und auch die übrigen. Sie bestatteten sogar die Toten, die sonst von niemandem bestattet würden. Damit bekannten also die damaligen Christen ihren Glauben dem Staat gegenüber. Christe tun diese Arbeit aus ihrer Berufung heraus und in Seinem Namen.

Es handelt sich also um urchristliches Anliegen, das auch die umliegende Gesellschaft anstecken kann?
Und wie! Die Christen machen es nicht unbedingt besser als der Staat, aber sie tun es anders. So geben sie z. B. den Armen nicht nur Geld, sondern auch Gemeinschaft, denn die Armen haben ja auch eine Seele! Es ist zwar richtig, wenn sie vom unserem Staat Geld erhalten, dazu verpflichtet das Sozialhilfegesetz dem Staat, aber man kann Ihnen damit keine Identität vermitteln. Dazu braucht es die Christus-Gemeinde. Weltweit, und ohne dass man diese Menschen liturgisch oder dogmatisch vereinnahmt. Sie brauchen einfach Christus. Vor kurzem sagte eine Politikerin ein Wort, das mir dabei Eindruck machte: „Der Staat kann nicht lieben.“ Lieben meint Brot teilen, sich für die Armen einsetzen, das Reich Gottes fängt bei den Armen an! Die Christusliebe befreit uns zur Nächstenhilfe, und damit ist auch uns selbst geholfen.

Website: www.stoparmut2015.ch

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Datum: 29.10.2004
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch

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