«Der Konsum hat seine Grenze erreicht»

Der Konsum als Lebensform der Moderne steht an einem Scheideweg. Zu diesem Schluss kommt der Historiker Wolfgang König vom Fachgebiet Technikgeschichte im Buch "Kleine Geschichte der Konsumgesellschaft".
Der Konsum der reichen Staaten ist nicht nachhaltig.

Angesichts der häufigen Darstellung, dass der Konsument für Wohl oder Niedergang der Weltwirtschaft verantwortlich sei, müsse das Phänomen des Konsums besser untersucht werden. "Denn die Frage, ob sich das derzeitige Konsumverhalten noch beliebig verlängern lässt, muss mit 'Nein' beantwortet werden", so der Geschichtsforscher.

Schon seit den frühen Hochkulturen gebe es Konsum, der weit über die Deckung von Grundbedürfnissen hinausgehe. War dieser jedoch früher stets Privileg reicher Oberschichten, entwickelte er sich in den USA erstmals zum Gesellschaftsphänomen. Als Grundvoraussetzungen dafür sieht König die Verfügbarkeit von Ressourcen und Bodenschätzen sowie eine höchst produktive Landwirtschaft.

Gute Löhne brachten Wohlstand

Den entscheidenden Impuls habe jedoch der Wohlstand breiter Bevölkerungsteile gesorgt. "Infolge eines Arbeitskräftemangels im 19. Jahrhundert stiegen die Löhne in den USA stark an und betrugen in den 1920er Jahren beispielsweise rund das Dreifache der Löhne in Deutschland." Erst nach dem zweiten Weltkrieg seien die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass der Konsum heute in der ganzen industrialisierten Welt zur dominierenden Lebensform geworden sei.

«Es gibt nicht mehr so viel zu verteilen»

Der Historiker sieht immer mehr Anzeichen dafür, dass Konsum in seiner heutigen Form an seine Grenzen gelangt ist. "Die ökologische Krise macht uns deutlich, dass unser Lebensstil kein global anwendbares Modell ist. Ein Viertel der Weltbevölkerung verbraucht derzeit drei Viertel der Ressourcen und erzeugt drei Viertel des Abfalls und der Emissionen."

Die Reallöhne wie auch die Exportüberschüsse der Industrieländer stagnieren, was Verteilungskämpfe, politische Proteste und soziale Unruhen hervorrufen kann. "Es gibt nicht mehr so viel zu verteilen", so König.

Freiwillig verzichte kaum jemand

Rechnerisch könnte ein globaler Ausgleich gelingen, indem das Konsumniveau der reichen Länder abgesenkt wird. "In der Praxis zeigt sich jedoch, dass wir schwer zum Verzicht bereit sind. Zwar verzichten einige Wohlhabende auf das völlige Ausnutzen ihrer Konsummöglichkeiten, doch ist dies weniger als der Tropfen auf den heissen Stein. Der Konsumverzicht wird daher eher unfreiwillig geschehen, etwa durch Inflation oder durch das Sinken der Reallöhne."

Wie es in Zukunft weitergeht, versuchen mehrere Modelle zu prophezeien. "Illusorisch ist die Annahme, dass eine weiter entwickelte Technik den ärmeren Ländern ein hohes Entwicklungsniveau erlaubt, ohne dass wir etwas abgeben müssen. Auch die freiwillige Askese der reichen Länder scheint unmöglich. Wahrscheinlicher ist eine Kombination beider Ansätze."

Umbruch wird nicht wahrgenommen

Die Gesellschaft befinde sich in einem Umbruch, den König in eine Reihe mit der neolithischen und industriellen Revolution stellt. "Alle grossen Umbrüche werden allerdings nicht von Zeitgenossen, sondern erst ein halbes Jahrhundert später als solche erkannt. Derzeit sind wir noch nicht in der Lage, die Lage zu überblicken."

Datum: 26.04.2010
Quelle: pte online

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