500 Jahre

Theologen spuren das Täuferjahr vor

Können Täufer, die älteste Freikirche, und Reformierte bald 500 Jahre nach dem Beginn ihres Konflikts einander besser verstehen? Was haben sie einander zu sagen, wie können sie aufeinander zugehen? Diese Fragen rühren an die Identität der Reformierten und Freikirchen; sie bilden eine hintergründige Dimension des Emmentaler Täuferjahrs. Mit einer grossen Vorlesungsreihe an der Universität Bern und einer Tagung in Aarau spuren Theologen vor.
Nach dem Gottesdienst in der Mennonitengemeinde Moron im Berner Jura
Heisse Eisen: Die von Beat Weber geleitete AfbeT diskutiert an ihrem Studientag auch die Wiedertaufe.
Was liegt unter dem Verputz? Historische Forschung zeigt das Ringen früherer Generationen auf.
Geschichte und Gegenwart in einer Vorlesungsreihe: Der Initiant Rudolf Dellsperger gehört dem Patronatskomitee des Täuferjahrs an.

Wie wird man Christ? Die Taufe hat mit dem Christwerden zu tun und ist darum von zentraler Bedeutung für die Kirche. Die Kirchen sind sich aber nicht einig, nicht einmal die evangelischen: Gleich zu Beginn der Schweizer Reformation, um 1525, setzte ein Spaltungsprozess ein, bei dem das Verständnis der Taufe einen zentralen und unlösbaren Streitpunkt bildete. Die Spaltungen schmerzen und beeinträchtigen bis heute das Zeugnis, das Christen vom auferstandenen Herrn geben sollten – auch wenn seit einigen Generationen Freikirchen weniger an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Noch immer bezeichnen sich die Landeskirchen in der Öffentlichkeit als „Die Kirchen“.

Eine Taufe, viele Meinungen, diffuse Praxis

Angesichts dieser Hintergründe sind weitere Forschungen und ein sorgfältiger Dialog angezeigt. Eine erste Gelegenheit bietet sich bereits am Samstag 27. Januar in Aarau. Die AfbeT, die schweizerische „Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie“, gibt an ihrem jährlichen Studientag unter dem Titel „Eine Taufe – viele Meinungen“ einen Überblick über die laufenden Debatten und Einsichten in das vielschichtige Thema. Es geht um Taufe zwischen Lehre und Praxis, um den Zusammenhang zwischen Tauf- und Kirchenverständnis und um Taufe im Neuen Testament, bei den Täufern und in der reformierten Kirche.

Besonders interessieren dürften die am Nachmittag geplanten Workshops zur Wiedertaufe, Tauferneuerung, Konfirmation als Bestätigung der Taufe und Taufanerkennung. Ein Podiumgespräch soll die Fäden zusammenführen und Schlüsse ziehen. Hauptreferenten sind der Aarauer Neutestamentler Dieter Kemmler, der Zürcher Professor für Praktische Theologie Ralph Kunz, der täuferische Theologe Bernhard Ott und AfbeT-Präsident Beat Weber.

Berner Täufer in historischer Perspektive

Noch deutlicher auf das Emmentaler Täuferjahr bezogen ist die Ringvorlesung „Berner Täufer in Geschichte und Gegenwart“, welche das Institut für Historische Theologie an der Universität Bern im laufenden Wintersemester anbietet (jeweils Freitag, 17.15 Uhr). Im Herbst wurden das schweizerische Umfeld der frühen Berner Täufer ausgeleuchtet, die Differenzen im Kirchenverständnis thematisiert und die Repression und Vertreibung aktiver Täufer durch die Berner Obrigkeit dargestellt. Der Entstehung der Amischen und ihrem eigenen Weg war eine gesonderte Vorlesung gewidmet.

Der Initiant der Ringvorlesung, Prof. Rudolf Dellsperger, freut sich über den regen Zuspruch: Die historischen Vorlesungen wurden von 60-80 Personen gehört, freikirchlichen wie reformierten Christen. Die Referate hätten etliche weisse Flecken ausgefüllt, da namentlich das Wissen über die Berner Täufer des 16. Jahrhunderts lückenhaft gewesen sei. Die Referenten Martin Haas und Hans Rudolf Lavater konnten Quellen auswerten, die im Frühjahr erstmals in einem umfangreichen Band TVZ-Verlag publiziert werden.

Vor 475 Jahren gewann die Berner Kirche Gestalt

Im neuen Jahr fokussieren die Referate auf das moderne Täufertum. Dellsperger erläuterte am Freitag in einer 475-Jahr-Jubiläumsfeier die Wirkungsgeschichte des Berner Synodus, der ersten Ordnung der Kirche von 1532. Damit gewann im grössten helvetischen Gemeinwesen die Reformation Gestalt, konfrontiert mit der religiösen Unruhe auf dem Land und den Erwartungen der Obrigkeit, die das Gemeinwesen auf neuer Grundlage stabilisieren und Zuständigkeiten zentralisieren wollte.

Was der Berner Synodus heute bedeutet, legte in der Feier der Berner Synodalratspräsident Samuel Lutz, selbst Reformationshistoriker, dar. An den drei letzten Abenden wird das moderne Täufertum in der Stadt Bern und weltweit dargestellt. Zum Abschluss planen die Veranstalter ein Podium mit je zwei reformierten und täuferischen Vertretern. Die Referate sollen bereits zu Beginn des Täuferjahrs Ende März als Buch erscheinen, ein Gemeinschaftsprojekt der Theologischen Fakultät, des Synodalrats und des (mennonitischen) Vereins für Täufergeschichte.

Datum: 15.01.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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