Halloween – bloss Gänsehaut und Kürbiswahn?

Halloween 2005
Costumes
1. November
Hund Kürbis

Halloween ist jung, Halloween ist spritzig, Halloween ist „in"! Aber vor allem ist Halloween eins: lukrativ. Doch während der Handel sich über Rekordumsätze freut, versuchen Soziologen, die Euphorie wissenschaftlich zu erklären. Und viele Christen fragen sich: Gag oder Geisterstunde — harmlos oder höllisch?

Der Herbst steht vor der Tür. Und mit ihm die Zeit lieb gewonnener Sitten und Gebräuche. Doch seit einigen Jahren haben Blätter sammeln, Drachen steigen und Kastaninenmännchen basteln auch hier zu Lande - besonders bei Kindern - Konkurrenz bekommen. Immer häufiger vertreiben sich die Kleinen die tristen Tage mit Spielchen wie Mumienwickeln" oder „Der Tod geht et”. Höhlen massenweise Kürbisse aus und ziehen in Geisterkostümen durch Kindergärten und Schulen. Und aus den Schaufenstern lachen uns frech bunte Kürbisfratzen entgegen.

„Halloween” heisst das Fest der Stunde. Auch Erwachsene kommen an dem schaurigen Spektakel nicht vorbei. Längst hat die amerikanische Nacht der Geister auch Europa erreicht. Ob im Botanischen Garten in Berlin, ob in Bern oder Rom – mittlerweile werden am und um den 31. Oktober Tausende von Halloween-Partys angeboten. Stilecht - mit Kürbiskerngebäck und blutrotem Sekt.

Das Geschäft mit der Gänsehaut boomt. So bietet ein Internet-Service die garantierte Lieferung von Kürbissen und Co. bis in die letzte Minute „auch an Sonn- und Feiertagen”. Und Kaufhäuser und Geschenkartikelhersteller klatschen in die Hände: In den USA, wo die Halloween-Tradition weltweit wohl am stärksten ausgeprägt ist, kann das Fest schon fast dem Weihnachtsgeschäft Konkurrenz machen. Die Amerikaner gaben im vergangenen Jahraus, mehr als für Ostern oder Thanksgiving. Dennoch befindet sich der Halloween-Boom auf dem absteigenden Ast. Zwar ist Halloween nach wie vor ein beliebtes Thema der Medien und der Industrie. In der Bevölkerung geht das Interesse daran jedoch mehr und mehr zurück», sagte der Professor für Europäische Ethnologie

Ein Fest für den Totengott

Ganz so spassig, wie es auf den ersten Blick scheint, ist zumindest die Geschichte des Festes nicht. Seine Wurzeln hat Halloween im „Samhain”, einem der vier grossen Jahreszeitenfeste der Kelten auf den britischen Inseln. Dort feierte man in vorchristlicher Zeit das Ende des Sommers, das auf den 31. Oktober fiel. Druiden, die Priester und Wahrsager der Kelten, brachten dem „Samhain”, dem Fürsten des Totenreichs, in der Nacht zum 1. November Opfer, um ihn milde zu stimmen. Die Kelten gingen nämlich davon aus, dass in eben jener Nacht die Seelen der Verstorbenen zur Erde zurückkehrten, um sich der Lebenden zu bemächtigen. Um „Verwirrung” zu stiften und von den Geistern als einer von ihnen gehalten zu werden, verkleidete man sich selbst als Geist, Skelett oder Hexe und zündete zudem am Vorabend des Festes auf den Hügeln und vor den Häusern Feuer an. Diese sollten die Dämonen abschrecken - und den Winter begrüssen.

Auch das wohl bekannteste Halloween-Utensil, die Kürbislaterne „Jack-o-Lantern”, geht auf eine irische Überlieferung zurück. Darin soll der Teufel der Seele eines Trunkenboldes namens Jack, die weder zum Himmel noch zur Hölle taugte, ein winziges Licht gegeben haben. Und damit soll der arme Jack nun bis zum Jüngsten Gericht umherirren müssen.

Paradoxerweise verdankt das heidnische Fest seinen Namen einem christlichen Feiertag. Das heutige „Halloween” geht auf den Abend vor Allerheiligen zurück („All Hallows Even"). Als im 7. Jahrhundert das Christentum die britischen Inseln erreichte, wurde die unchristliche Praktik bald unter christliche Vorzeichen gesetzt: Papst Gregor IV. setzte den 1. November als „Allerheiligen” fest, an dem der toten christlichen Märtyrer gedacht werden sollte und versuchte damit auch, den keltischen Brauch „umzufunktionieren”. Mit mässigem Erfolg: Trotz Christentum blieb die abergläubische Feier Teil der irischen Tradition.

Im Westen nichts Neues

Als Mitte des 19. Jahrhunderts wegen einer Hungersnot Millionen irischer Einwanderer nach Amerika flüchteten, verbreitete sich dort das Fest in Windeseile. Doch bereits ein halbes Jahrhundert später hatte sich Halloween von seinen Ursprüngen weit entfernt. Im neuen Land wurde die einstige Horrornacht schnell zu einem Nachbarschaftsfest mit Essen, Musik, bunten Kostümen und gemeinsamen Spielen. Und die Kinder gingen von Maus zu Haus und fragten nach Essen und Obst - der Vorläufer der modernen „'Trick-or-Treat"-Tradition („Streich oder Süsses”) war geboren.

Mit Filmen wie John Carpenters „Halloween” von 1978 wurde die Rückkehr des Festes auf den alten Kontinent eingeläutet. Und je mehr unsere Welt in den darauf folgenden Jahren - angetrieben durch Filmindustrie und Internet - auf ein „globales Dorf” zusammenschrumpfte, desto schneller verwischten auch kulturelle Grenzen. Halloween ist heute überall - Entrinnen unmöglich.

Soziologen und Trendforscher indes wissen längst um die sehnsüchtige Triebfeder hinter dem bunten Treiben. Für sie ist die Übernahme des Halloween-Rituals schlicht „die Folge einer immer stärker werdenden Sehnsucht nach Emotionen” („Die Welt") in einer Gesellschaft, die immer kälter wird. Hier liegt wohl der tiefste Grund, warum „Magie und Übersinnliches in den kommenden Jahren einen beispiellosen Boom” erleben werden, den der Hamburger Trendforscher Matthias Horx als „Wiederverzauberung der Welt” bezeichnet.

Hinzu kommt: Eine Wohlstands. und Spassgesellschaft ist ohnehin stets auf der Suche nach neuen Feiertagen. Und da fällt besonders im Spätherbst, der mit seinen Nebelschwaden, seinem Totengedenken und seinem weit verbreiteten Ernst nicht gerade zum Vergnügen einlädt, ein Fest wie Halloween auf fruchtbaren Boden.

Empörung oder Alternative?

Christen indes stehen mit dem Einzug der Kürbisfratzen ohne Zweifel vor nicht leicht zu beantwortenden Fragen. Denn selbst wenn das heutige Halloween wohl in den seltensten Fällen als Okkultfeier begangen wird, bleibt offen, wo beim Mitmachen - besonders, wenn man Kinder hat - die Grenzen gezogen werden sollten. Viele Christen fragen sich, ob man die zweifelsohne antichristlichen Wurzeln einfach ignorieren und das Ganze als mittlerweile säkularisierten Spass bedenkenlos in seinen Jahreskalender aufnehmen kann.

Michael Utsch von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen mahnt an, dass sich die Kirchen dem Thema stellen müssen: „Natürlich sind Feste zum Feiern da. Aber die Leute sollten ein buntes Herbstfest von einem Fest unterscheiden, das sich mit der okkulten Geisterwelt befasst.”

Doch was gerne vergessen wird: Viele der Feste, die Christen heute bedenkenlos begehen, haben heidnische Wurzeln. Wer macht sich schon ernsthafte Sorgen, wenn Vierjährige den Osterhasen für existent halten? Und wer hatte je schon einmal ernsthaft vor, Dämonen zu vertreiben, als er in der Sylvesternacht ein paar Feuerwerkskörper zum Knallen brachte?

Vielleicht ist es kein Zufall, dass die Christen vor rund eintausend Jahren den „Allerheiligen"-Feiertag genau einen Tag nach dem heidnischen „Samhain"-Fest platzierten. Ihre „Strategie” war vorbildlich, denn damit luden sie ihre heidnische Umwelt ein, das genaue Gegenteil von dem zu feiern, was an Samhain begangen wurde: Den Triumph Jesu über das scheinbar übermächtige Böse. Vorbei waren Ketten, böse Geister und der Tod.

Suche nach Geborgenheit

Ganz so leicht kann man die Sache vielleicht dennoch nicht nehmen. Denn ohne Frage bewegt sich unsere Welt nicht wie einst vom Heiden- zum Christentum - sondern umgekehrt: Okkulte Praktiken sämtlicher Couleur verzeichnen immer mehr Zulauf. Halloween als Einstiegsdroge?

Ganz von der Hand zu weisen scheint der Gedanke nicht, denn selbst nicht-kirchliche Institutionen mahnen inzwischen: „Die Übergänge von der unbekümmerten Spasskultur zur Flucht ins Übersinnliche und zu neuer Religiosität sind längst fliessend”, schreibt Basil Wegener von der „dpa"”, und „für immer mehr Menschen hat die Suche nach mehr Magie längst auf eine vielfältige Weise im Alltag begonnen.”

Die alten Fragen der Menschheit treiben auch den modernen Zeitgenossen um und bereiten nicht zuletzt so den Boden für Feste wie Halloween oder auch die zu neuem Glanz erblühte Walpurgisnacht: Woher komme ich? Lebe ich nach dem Tod weiter? Gibt es etwas zwischen Himmel und Erde, das mir Antwort auf die Fragen des Lebens gibt? In Geisterkostümen wollen sich selbst Erwachsenen spielerisch über den Tod und ihre tiefsten Ängste hinwegsetzen und ihnen vermeintlich ins Gesicht lachen. Aber ist das die Lösung? Wohl kaum.

Christen hingegen behaupten, die Antwort zu kennen. Doch werden sie auch gehört? Oder stehen sie weiterhin bloss für Empörung und Verbote? Klaus-Peter Jörns, erimierter Professor der Berliner Humboldt-Universität und Herausgeber der Studie „Was die Menschen wirklich glauben”, kritisiert im „Spiegel”: „Die Kirchen haben nicht begriffen, dass eine der elementarsten Fragen im Leben eines Menschen ist, ob es so etwas wie Unsterblichkeit gibt.” Die meisten spirituellen Meister hätten wohl eine ganze Menge dazu zu sagen - aber die Kirchen? Jörns, der herkömmliche Gottesdienste „hochakademisierte Bildungsinstitute” schimpft, fordert deshalb eine normale Umgangsprache und Erfahrungsaustausch in den Gotteshäusern, denn allzu oft bleiben dort „Geborgenheit, Gemeinschaft und das fundamentale Bedürfnis nach Spiritualität auf der Strecke.”

„Christen sollten auf die neue Religiosität genauso reagieren, wie es die Christen zur Zeit der Apostelgeschichte getan haben”, sagt Jürgen Tibusek, Theologe und Sektenkundler am Neues Leben-Seminar. „Sie haben einfach das Evangelium zeitgemäss und positiv verkündet.” Verbessern statt Vergällen heisst also die Devise auch zu Halloween, denn Verbote „helfen ja nicht, das Vakuum in den Menschen positiv zu füllen”, weiss Tibusek.

Kürbisse in der Kirche

Aufklärung und Alternativen wären wünschenswert. Eine Halloween-Party - ob in Büro oder Kindergarten - die offenkundig okkulte Aspekte in den Vordergrund stellt, ist sicher zu meiden. Doch die meisten feiern den Tag mit weitaus harmloseren Motiven. Ein Gespräch mit Lehrern oder Kindergartenbetreuern kann darüber Aufschluss geben. Und beim Kostüm muss man ja nicht gleich auf eine Hexe zurückgreifen.

Wem sein Gewissen eine Teilnahme verbietet, der sollte sich an diesem Punkt nicht überfordern. Doch dass man sich eingehend mit dem Thema beschäftigt, sich mit Kindern hinsetzt und ihnen erklärt, welche Wurzeln Halloween hat und warum das Fest nicht ganz unproblematisch ist, sollte selbstverständlich sein. Kinder sollten verstehen, dass Christen nicht alles, was Spass macht, verboten ist und sie zu Aussenseitern macht. Dazu kann man Bibelstellen nachschlagen und erklären, wie die Bibel die Geisterwelt sieht und warum diese sich nicht durch Masken und Witze vertreiben lassen. Kindern Angst zu machen, ist wohl keine gute Lösung. Denn über allem steht, dass Jesus das Böse besiegt hat und dass Christen unter Gottes Schutz leben.

Bleibt immer noch die Frage nach Alternativen. Warum kein phantasievolles Fest mit Kürbissen und lustigen Kostümen in den Gemeinderäumen anbieten? Warum nicht Kirchendistanzierte dazu einladen und auf interessante Weise über Halloween, aber auch die christliche Alternative, aufklären? Der Nachholbedarf diesbezüglich scheint gross. Doch wie schreibt schon Pastor Richard Foster in „Nachfolge feiern”: „Warum erlauben wir Halloween ein heidnisches Fest zu sein, an dem man sich an die dunklen Mächte erinnert? Füllt die Häuser, füllt die Kirchen mit Licht; singt und feiert den Sieg Christi über die Dunkelheit!”

Autorin: Sabine Schmidt ist Redakteurin beim Magazin Neues Leben.

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Vom Umgang mit ,,okkulten” Praktiken

Neuheidnische, esoterische und okkulte Praktiken und auch Feste heidnischen Ursprungs (u.a. Halloween) erleben seit einigen Jahren in unserer Gesellschaft eine Renaissance. Wie sollten Christen darauf reagieren? Hier einige Anmerkungen von Jürgen Tibusek, Theologe und Sektenkundler.

1. Lassen Sie sich auf nichts ein, was Ihnen suspekt vorkommt! Lehnen Sie aber nicht alles Unbekannte direkt ab! Informieren Sie sich über Herkunft, Zweck und Ziel einer Praxis, die Ihnen fremd ist!

2. Verlegen Sie nicht vorschnell alles Fremdartige in den Bereich des Übernatürlichen! Die Geschichte des Okkultismus ist in weiten Teilen auch eine Geschichte des Schwindels und der Betrügereien.

3. Aus christlicher Sicht ist die entscheidende Frage nicht, ob okkulte Phänomene rational erklärbar sind oder einer dämonologischen Erklärung bedürfen. Entscheidend ist, dass Gott diese Form der Religiosität verurteilt. (5. Mo 18,10-12)

4. Sie müssen keine Angst haben. Gott hat versprochen, für seine Kinder zu sorgen und sie zu bewahren (Röm 8,38ff; 1. Petr 5,7; 1. Joh 5,18). Eine ständige Angst vor einer möglichen okkulten Belastung ist ein Zeichen dafür, dass wir Gott um mehr Vertrauen bitten sollten.

5. Gegenstände haben keine Macht. Sie brauchen nicht in ständiger Angst vor unbewusster Berührung mit „okkulten” Gegenständen oder Nahrung zu leben. Der Apostel Paulus geht sogar soweit, dass er diejenigen Christen, die dem Fleisch, das in einem Ritual heidnischen Götzen geweiht wurde, noch eine okkulte Wirksamkeit zuschrieben, als „schwach im Glauben" bezeichnete (Röm 14,2; 1. Kor 8,7).

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Datum: 28.10.2005
Quelle: Neues Leben

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