Nach geplagten Nächten auf Bühne befreit
Bohdan Shved, Brahms’ Deutsches Requiem mit Tanz und Beleuchtungseffekten – ist das nicht ein Sakrileg?
Bohdan Shved: Ich weiss es nicht… aber ist das wichtig? Was verbindet uns noch mit dem Wort «heilig», oder wer entscheidet für uns heute, was «heilig» ist und was und wodurch «entheiligt» wird? Meiner Ansicht nach soll das jeder für sich selber klären. Für mich sind massgebend Brahms’ Partitur – die wir frei von jeglicher Tradition genau lesen dürfen – und seine Briefe über die Entstehung dieses Werks. Und natürlich auch die eigene Intuition.
Julia Medugno, Sie haben als Choreografin schon viele interdisziplinäre Projekte realisiert. Wie kamen Sie auf die Idee, Tanz und Musik nun gerade anhand von Brahms’ Requiem verbinden zu wollen?
Julia Medugno: In den schlaflosen und von Trauer geplagten Nächten meines Burnouts 2008 habe ich in unserer CD-Sammlung das Brahms-Requiem entdeckt, das ich noch nie angehört hatte. Beim Hören erlebte ich im wahrsten Sinne des Wortes Wunder, fand Trost, Freude über das Leben im Hier und Jetzt sowie Vorfreude auf das ewige Leben wieder. Die mir wohlbekannten Luthertexte wurden wie zu neuem Leben gerufen.
Schon ganz am Anfang sind viele choreographische Bilder in meinem Innern entstanden. Da ich meine Choreographien nur noch zu Livemusik aufführe, dachte ich zunächst, dass so etwas niemals zu schaffen sei. Doch durch Ermutigung von Freunden ging ich im Mai 2012 auf die Suche nach einem Chorpartner und bin nun glücklich, dass meine Vision einer getanzten Version des Requiems zusammen mit dem Regio-Chor Binningen/Basel und dem Collegium Musicum Basel Realität wird.
Brahms hat sich in Text und Musik seines Requiems nicht am traditionellen Kanon der Totenmesse orientiert, sondern er hat den Trost für die Hinterbliebenen in den Mittelpunkt gestellt. Können Sie uns andeuten, wie Sie und das Ensemble «ultraSchall» diesen Gesichtspunkt umsetzen werden?
Wir arbeiten mit menschlichen Gesten und werden diese – so wie Brahms die Bibelworte musikalisch verstärkt – tänzerisch stilisieren und vergrössern. Neben dem Trost fanden die Tänzer und ich aber auch Textstellen über die Vergänglichkeit des Lebens, was sich gut körperlich darstellen lässt, und wir fanden noch viel mehr Stellen über die Freude, das Jauchzen, die Seligkeit, die wir zusammen mit Brahms’ Musik in puren Tanz umsetzen werden.
Die Tänzer, die die Texte schon ganz zu Beginn bekommen haben und sich seither damit beschäftigen, haben im Zuge der Vorbereitungsarbeit immer wieder eigene Improvisationen zu gewissen Textstellen – manchmal auch bewusst ohne Brahms-Musik – gemacht. Elemente aus diesen improvisierten Vertiefungen der Texte sind in den choreographischen Ablauf integriert. Der Tanz wurde also aus den Texten des Chorsatzes heraus erarbeitet.
Ulrich Brückner, was war Ihr erster Gedanke, als Julia Medugno mit dieser aussergewöhnlichen Idee an Sie herantrat?
Ulrich Brückner: In dem Moment konnte ich mir überhaupt nichts vorstellen. Im Gespräch mit Bohdan Shved, dem ich die Idee vortrug, kamen wir dann aber schnell zum Schluss, dass dies eine Chance für den Chor war, eine neue Idee umzusetzen und in einer Kooperation unserm Publikum neue Aspekte im Musikverständnis zu bieten.
Samstag, 13. April, 19.30 Uhr, Martinskirche Basel
Sonntag, 14. April, 17 Uhr, Martinskirche Basel
Datum: 12.04.2013
Autor: Jörg Bertsch
Quelle: Jesus.ch