Pfarrer Manuel Musallam ist wütend: Auch in der vorhergehenden Nacht sind wieder mehrere israelische Bomben in der Nähe der Pfarrei "Heilige Familie" in Gaza eingeschlagen. Für den 68-jährigen katholischen Priester ist das seit einigen Wochen Alltag: "Jeden Tag zerstören sie etwas anderes", berichtet er. "Strassen, Häuser und Bäume werden systematisch vernichtet, Strom und Wasser sind fast überall abgedreht, die ganze Wirtschaft in Gaza ist ausgeschaltet." Von den Toten und Verletzten in dem Konflikt ganz zu schweigen. Zur katholischen Pfarrei von Gaza gehören nicht mehr als 200 Gläubige, aber Musallam fühlt sich auch als Hirte für den grossen Rest der Bevölkerung. Seit über zehn Jahren ist er Pfarrer in der "Heiligen Familie", eine Zeit, die an seinen Nerven gezehrt hat. Er ist auf keine der beiden Konfliktparteien besonders gut zu sprechen, weder auf die israelische Regierung noch auf die militanten Palästinensergruppierungen, die mit ihren Kassam-Raketen das Feuer immer neu schüren: "Wir Palästinenser sind gegen diesen Krieg mit Israel, gegen Selbstmordattentäter und gegen Kassam-Raketen", versichert er. Ziel sei ein Leben ohne Besatzung. Wie die bewaffneten Milizen von ihren Angriffen auf Israel abgehalten werden könnten, weiss aber auch Musallam nicht. Die palästinensische Polizei sei zerschlagen worden, und mit blossen Händen könnten die Milizen nicht entwaffnet werden. "Unsere Leute haben seit acht Monaten kein Gehalt bekommen", fügt er hinzu. "Wer da kein Heiliger ist, wird irgendwann kriminell." Vor allem die 1200 Kinder in den zwei Schulen der Pfarrei leiden unter der aussichtslosen Situation. "Sie klopfen an meine Tür und klagen über Bauchweh, Kopfweh oder Augenschmerzen – aber in Wirklichkeit haben sie Hunger." Im kargen Südosten des Gaza-Streifens ist derweil die mobile Klinik der Caritas Jerusalem unterwegs: ein Kleinbus mit Ausrüstung für medizinische Nothilfe und ein Team von neun Ärzten und Krankenpflegern. Die Gruppe um den Direktor des medizinischen Zentrums von Gaza, Bandalay Sayegh, ist vor einigen Tagen aus Beit Hanun hierher zurückgekehrt, wo sie den überlebenden Opfern des Granatangriffs geholfen hatten. Jetzt sind Sayegh und seine Leute wieder in der ärmsten Region des Gazastreifens unterwegs, um der Bevölkerung dort eine medizinische Grundversorgung zu garantieren. Auch hier leiden besonders die Kinder. "Viele kommen mit Fieber oder Lungenentzündung", sagt Sayegh. Auch typische Armutskrankheiten wie Darminfektionen mit Durchfall werden von den Caritas-Medizinern immer wieder behandelt. Die Arbeitsumstände für das gemischt christlich-muslimische Team sind dabei zuweilen abenteuerlich: Meistens wird die Klinik in Schul- oder Gemeinderäumen aufgebaut, aber manchmal müssen die Ärzte und Pfleger auch mit einem ärmlichen Wohnzimmer oder einer Veranda vorlieb nehmen. Nach Schätzungen des Kinderhilfswerks UNICEF ist die Hälfte der Bevölkerung in dem umkämpften Landstrich unter 15 Jahre alt. Für die Ärmsten unter ihnen haben die von Mutter Teresa gegründeten Missionarinnen der Nächstenliebe in Gaza einen Kindergarten eingerichtet, in dem über 90 Kinder tagsüber eine Bleibe finden. Ein gutes Dutzend behinderter Kinder lebt bei den Ordensfrauen in ihrem "Heim des Friedens". Ausserdem betreuen die sechs Schwestern aus vier Nationen betagte Frauen. "Unsere Häuser sind Gott sei Dank bisher verschont geblieben, auch von unseren Kindern ist keinem etwas passiert", sagt Oberin Schwester Sukanti. Das "Heim des Friedens" liegt nicht weit von der Pfarrei von Manuel Musallam entfernt. Duiser klagt, dass Hilfe aus dem Ausland die kirchlichen Einrichtungen in Gaza kaum erreicht. Ein Vertreter des Papstes habe ihn mal besucht und ihm eine kleine Summe hinterlassen. Das Geld sei jedoch schon aufgebraucht - für Christen, für Muslime, für jeden, der gerade weder ein noch aus wusste.Kriegerische Handlungen zehren an den Nerven
Mobiler Hilfsbus der Caritas
Ordensfrauen führen Kinderheim
Datum: 22.11.2006
Quelle: Kipa