Zwischen Marketing und Mitfühlen

Für die Arbeit von Hilfswerken sind Legate wichtig

Auf praktisch jeder Hilfswerk-Homepage findet man einen Klick, auf kaum einem Bettelbrief fehlt der Hinweis: Hilfswerke bemühen sich mehr oder weniger aktiv um Vermächtnisse (Legate).
Ausschnitt aus dem Legate-Werbespot «My Happy End»
Aus dem Werbespot «My Happy End»

Kürzlich haben sich 16 gemeinnützige Organisationen zusammengeschlossen, um darum zu werben. - Eine kleine Umfrage der Presseagentur Kipa bei kirchlichen Hilfswerken.

Caritas Schweiz kann pro Jahr ein bis zwei Millionen Franken an Legaten entgegennehmen (die regionalen Caritas-Organisationen erhalten noch einmal so viel). Das Fastenopfer bekommt eine halbe bis anderthalb oder gar zwei Millionen, anderthalb bis zwei Millionen sind es auch bei Kirche in Not.

Interessante Beträge sind das allemal, auch wenn der Anteil an den gesamten Spenden sehr unterschiedlich ist. So stammen bei Kirche in Not 15 bis 20 Prozent des Umsatzes aus Vermächtnissen. Bei Caritas Schweiz sind es ein bis zwei Prozent des Budgets oder vier Prozent der Spenden. Die Unterschiede gehen wohl auf die Herkunft der Wohltäter zurück: Es hat Tradition, kirchlichen Institutionen Geld zu vermachen - je traditioneller die Unterstützer, desto mehr Legate.

Ob die Beträge aus Nachlässen mit der gesamtgesellschaftlich abnehmenden Kirchlichkeit ebenso zurückgehen wie mancherorts die Spenden, ist schwer zu sagen, denn die Eingänge aus Legaten schwanken stark. So waren laut Jahresbericht 2010 des Fastenopfers 3,4 Prozent aller Einnahmen Legate, 2009 nur 0,5 Prozent.

Kaum planbar

Vermächtnisse sind daher kaum planbar. Und auch sonst ein besonderes Thema: Wie kann man auf feinfühlige Art die Menschen auf die Idee bringen, ihr Geld einem Hilfswerk zu vermachen? Schliesslich geht es um den eigenen Tod. «Es ist Marketing, aber auch Mitfühlen», sagt Irene Verdegaal, die bei Caritas für Legate zuständig ist.

Sie organisiert für potenzielle Legatgeber Anlässe, in denen die Arbeit der Caritas, aber auch die entsprechenden Länder und ihr kultureller Reichtum gezeigt werden. Die Botschaft ist also nicht das Legat, sondern die Arbeit der Caritas. Dabei kommt man ins Gespräch.

Kirche in Not lädt immer wieder hohe Würdenträger der Weltkirche ein, die über die jeweiligen Herausforderungen der Kirche vor Ort berichten. Es sei langjährige Beziehungsarbeit, aus der sich dann vielleicht auch Legate ergeben, sagt Lucia Wicki-Rensch, Informationsbeauftragte von Kirche in Not. «Für mich hat das Thema nicht primär mit Marketing zu tun, sondern es ist echte Seelsorge. Aus dem Glauben an die Auferstehung Christi und der Toten bestimmt der Wohltäter selbst, wie ein Teil seines Vermögens für verfolgte Christen eingesetzt werden soll, um so auch aus der Ewigkeit Hoffnung zu schenken.» Das Hilfswerk bietet wie die meisten eine entsprechende Legatsbroschüre an.

Das Fastenopfer hat es schwerer mit der Beziehungsarbeit. Es komme schon vor, dass Menschen als langjährige Spender bekannt seien und dem Hilfswerk dann auch Geld vermachten, sagt Matthias Dörnenburg, Bereichsleiter Marketing, Kommunikation und Bildung. Doch hat das Hilfswerk noch immer sehr viele anonyme Spender, die ihren Obulus ins Fastensäckli legen, ohne namentlich in Erscheinung zu treten.

Werben für ein Testament

«Viele Menschen in der Schweiz machen kein Testament», weiss Matthias Dörnenburg. Genau das aber ist die Voraussetzung für ein Legat. Das Fastenopfer ist denn auch eine von 16 gemeinnützigen Organisationen, die seit kurzem mit der Kampagne «My happy end» genau dafür werben. Dies insbesondere mit Spots von einer Beerdigung, zu der all jene kommen, die im Testament begünstigt wurden, vom Rettungshelikopter über exotisch gewandete Leute bis zu einer Herde Elefanten.

«Ich versuche die Menschen zu ermuntern, ein Testament zu schreiben», sagt auch Irene Verdegaal von der Caritas. Dies nicht bloss wegen der Legate: «Caritas befasst sich auch inhaltlich mit Fragen der letzten Lebensphase, mit Sterben und Menschenwürde.» Sie empfiehlt, mit der Familie zu reden, wenn man sein Testament macht. Das vermeidet Interpretationsspielraum und Streit.

Gibt es denn so etwas wie einen Werbe-Boom um Legate? Nein, finden die Verantwortlichen. Doch die Generation, für die diese Fragen jetzt aktuell sind, habe insgesamt mehr Geld als früher, stellt Irene Verdegaal fest. Meist holten 55- bis 65-Jährige erste Informationen ein, um sich mit 65 bis 75 Jahren zu entscheiden.

Weniger tabu als früher

Für ein Testament braucht es wenig: Man muss es von Hand schreiben und Datum und Unterschrift darunter setzen. Der Pflichtteil der Angehörigen darf dabei nicht verletzt werden. Empfohlen wird, eine Kopie bei einer öffentlichen Stelle zu hinterlegen, damit es auch gefunden wird, man kann es aber auch von einem Notar verfassen lassen.

Das Schreiben eines Testaments ist auch Teil eines Prozesses. Viele würden dabei ihr Leben reflektieren, sagt Irene Verdegaal. Leicht ist das für viele nicht, doch: «Vor zehn Jahren war es noch deutlich schwieriger, darüber ins Gespräch zu kommen», meint sie. Die Menschen, für welche die Frage ihres Vermächtnisses aktuell wird, wollten auch informiert sein. Sie hätten das Bedürfnis, ihre Dinge zu regeln.

Da lebt etwas weiter

Und was sind das für Leute, die in ihrem Testament ein Hilfswerk bedenken? Alle angefragten Hilfswerke betonen, das sei sehr unterschiedlich. Von Beträgen von 1‘000 Franken bis zu einer Million ist alles möglich. Die Motive sind vielfältig: Der Glauben oder eine humanistische Ausrichtung, viele geben das Missverhältnis zwischen Reich und Arm an, manchmal auch das persönliche Schicksal.

«Jedes Legat ist ein Einzelfall», sagt Matthias Dörnenburg vom Fastenopfer: «Oft ist es der Wunsch, übers Leben hinaus ein Zeichen zu setzen.» Oder: «Aus Dankbarkeit für ein erfülltes Leben soll das Legat nach meinem Ableben Frucht bringen», umschreibt Lucia Wicki-Rensch von Kirche in Not die Motivation von Erblassern.

Datum: 04.01.2012
Autor: Petra Mühlhäuser
Quelle: Kipa

Werbung
Livenet Service
Werbung