Versöhnung ist mehr als Kompromiss – wie man Konflikte angehen und lösen kann

Entschuldigung

Pfr. Jörg Gutzwiller, Leiter der ‚Besinnung unter der Bundeskuppel‘, hielt am 15. März 1982 eine Besinnung zum Thema ‚Versöhnung‘. Er stellte sie unter das Wort des Apostels Paulus im 2. Brief an die Christen in Korinth (5,18): „Von Gott kommt das Grosse, dass er uns durch Christus mit sich versöhnt und uns die Aufgabe der Versöhnung gegeben hat.“

Manche Regierungen stellen „Troubleshooters“ an, Konfliktlöser. Wir alle kennen ja Konflikte - Schwierigkeiten mit andern, Risse in der Gemeinschaft, Spaltung zwischen Gruppen, festgefahrene Situationen. Wir wissen: Es braucht das lösende Wort, den versöhnenden Schritt. Aber wie den richtigen Weg und die nötige Kraft zur Konfliktlösung finden?

Altes und Neues Testament sind erfüllt von einem Ethos der Versöhnung. Der Grund dafür ist uns oft zu wenig bewusst, nämlich: Durch Christus wissen wir: Gott ist der Leidende, der Verwundete. Wir Menschen sind schuldig geworden durch unsere Lieblosigkeit an ihm, an seiner Schöpfung und seinen Geschöpfen, an unseren Mitmenschen.

Gott ist der grosse Leidende. Man sehe nur das Kreuz an. Alle Lieblosigkeit der Menschen will er durch Liebe in Liebe umschmelzen. Er tut den ersten Schritt der Versöhnung. Von ihm geht die Initiative der Versöhnung aus für alle Welt, sodass jeder mit Gott, mit seinem Nächsten, mit sich selbst versöhnt werde.

Gottes Initiative zur Versöhnung

Er bahnt den Weg zum Frieden durch Verzeihung und fragt: Machst du auch mit? Ja, in Gottes Herz sind Grossmut (Verzeihung) und Langmut (Geduld) Zwillinge. Er gibt die überzeugendste Demonstration für seine Versöhnlichkeit, die überhaupt denkbar ist: Er gibt sein Teuerstes. Christus als Vermittler opfert sein Leben für die Aussöhnung.

Dass Gott selbst den Anfang macht, das gibt auch uns den Mut, um Stolz und Selbstgerechtigkeit, Angst und Misstrauen zu opfern für die Einigung. Versöhnung ist mehr als Kompromiss. Sie ist Heilung der Spaltungen, der Verletzungen. Versöhnung entsteht durch einen Funken aus dem hellen Feuer demütiger Liebe. Ich habe das Wunder von Versöhnung unvergesslich und eindrücklich gesehen zwischen Nationen; zwischen Politikern, welche meinten nie mehr zusammenarbeiten zu können; zwischen Nächsten, die sich wehgetan hatten.

Konflikte angehen: nicht alle Wege führen zum Ziel

Friede ist eine Frage, wie wir Konflikte lösen zwischen Menschen, Parteien, Nationen. Es gibt im Grunde stets vier Wege Konflikte anzugehen:

1. Konflikte austragen durch Gewalt auf dem Weg über Verhärtung, Vergeltung, Vernichtung
2. Konflikte vertuschen, zudecken, nicht sehen wollen. Doch dies stellt keine Lösung dar.
3. Konflikte, die nötig sind, aushalten. Denn es gibt echte Konflikte, die es zu ertragen gilt. Auch Jesus stand in solchen Konflikten. Durch seine klare Wahrheit hat er eine scharfe Linie gezogen, ein Ja und ein Nein. Das brachte Konflikt. Echte Konflikte sind durchzuhalten, weil nur durch Auseinandersetzung eine Neuerung oder Verbesserung erreicht wird.
4. Konflikte lösen durch ein verändertes Verhalten - den Weg von Verständigung, Vergebung, Versöhnung. Konfrontation wird abgelöst durch Kooperation unter einem gemeinsamen Ziel.

Die Schritte dazu können so aussehen:
- Den Konfliktgrund erfassen, definieren, lokalisieren
- Auch den eigenen Anteil am Konfliktgrund erkennen
- Sich in den andern hineinversetzen: Was würde ich empfinden, wie würde ich reagieren, wenn ich auf der andern Seite wäre?
- Wege zur Lösung suchen, vielleicht mit Dritten zusammen
- Gott fragen, welches der beste Weg ist, der Weg, den Christus wählen würde
- Den Weg gehen - aufeinander zugehen, einander von Herzen vergeben, einander akzeptieren und miteinander neu anfangen

Gottes Kraft der Versöhnung will durch uns alle wirken.

Christi Geist der Versöhnung will in uns siegen, sodass an unserem Ort der Welt Friede wahr wird!

Ich schliesse mit einem Gebet von Gertrud Spiess:

Herr,
wir bitten Dich,
hilf uns immer wieder nach der Versöhnung zu suchen.
Schenk uns den Willen,
uns versöhnen zu wollen
mit Dir,
der Du uns Deine Gnade immer wieder schenkst.
Gib uns die Kraft zur Versöhnung mit unserem Mitmenschen und versöhne uns schliesslich auch immer wieder mit uns selber.

Erstaunlich!

Das Washingtoner Zentrum für Strategische und Internationale Studien hat neulich einen Bericht veröffentlicht, der aufzeigt, wie durch die inspirierte Initiative einzelner Christen, christlicher Bewegungen oder Kirchen, politische Konflikte gewaltfrei gelöst wurden. In einer Bestandesaufnahme werden sieben Paradigmen aus unserer Zeit recherchiert, dokumentiert und evaluiert. Die Fallbeispiele reichen von der Aussöhnung zwischen Franzosen und Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Wende in Südafrika.

Die Folgerungen: Konflikten liegen moralische menschliche Nöte zugrunde. Sie können daher nur spirituell beantwortet werden. Vertrauen entsteht, wo die ethischen und religiösen Bedürfnisse beantwortet werden. Herkömmliche Verhandlungen genügen nicht, wenn nicht die Voraussetzung geschaffen wird zur Zusammenarbeit durch Vergebung und Versöhnung.

"Versöhnung geboren aus spiritueller Kraft kann Konfliktparteien zu gemeinsamen Werten und einleuchtenden Wahrheiten hinführen und so in eine neue Dimension menschlicher Reaktion heben - heraus aus dem Teufelskreis von Rache und Vergeltung, Gewalt und Gegengewalt." Man wird erinnert an Nansens berühmtes Wort: "Nächstenliebe ist Realpolitik."

Der erwähnte Berichtband heisst: "Religion, the missing dimension of statecraft".(dt. Religion, die fehlende Dimension der Staatskraft) Und es wird klar, dass mit "Religion" der Christusgeist, die Christuskraft gemeint ist.

Autor: Jörg Gutzwiller

Datum: 11.09.2003
Quelle: Christliches Zeugnis

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung