Noemi Heggli

«Sport ist zur Religion geworden»

Noemi Heggli
Ihr Lebenstraum ist nicht in Erfüllung gegangen. Umso besser findet Noemi Heggli ihre neue Perspektive. Die Freundschaft mit Jesus schenkt der Pfarrerin aus
Oberentfelden Freude und Hoffnung.

«So, wie es meine Eltern gemacht haben, stellte ich mir mein Leben auch vor», steigt Noemi Heggli aus Oberentfelden ins Gespräch ein. Heiraten, eine Familie gründen, ein Haus bauen – das gehörte zu ihren Lebenszielen. Mit ihrer jüngeren Schwester wächst sie im Kanton Aargau auf und erlebt eine harmonische Kindheit. Ihre Mutter ist gläubige Christin, der Vater Atheist, sie führen eine gute Ehe, sind ein Vorbild für ihre Tochter. Noemi findet schon als Kind zum Glauben an Jesus. Später will sie die Bibel rational erforschen, auch, um die
Haltung ihres Vaters besser zu verstehen. Sie entschliesst sich, Theologie zu studieren. «Bald habe ich gemerkt, dass der Glaube mit dem Verstand allein nicht zu erfassen ist», hält die 29-Jährige fest. «Das Herz gehört dazu.» Wie jede Beziehung sei die Freundschaft mit dem Sohn Gottes eine Herzensangelegenheit. Und in die wächst sie immer mehr hinein.

Schätze in der Bibel

«Predigten vorzubereiten, fordert mich heraus, aber ich lerne sehr viel dadurch», erklärt die Theologin. Sie entdecke Schätze in der Bibel, die fürs ganze Leben eine gute Grundlage bildeten. «Die christlichen Werte lassen das Zusammenleben gelingen», hat Noemi erfahren. Gutes denken und reden, in Beziehungen investieren, gemeinsam etwas Gutes tun, dabei aneinander wachsen, immer wieder vergeben und neu anfangen – das lohne sich.

 Abdankung? Ja, gern!

«Ich mag es, Abdankungen vorzubereiten und durchzuführen», erzählt die junge Pfarrerin. «Abschiede gehören zum Leben; ich kann helfen, sie würdig zu gestalten, und damit zeigen, dass diese Person geliebt wurde, dass sie wichtig war.» Seit einem Jahr arbeitet Noemi in der
reformierten Kirche Oberentfelden und hat schon viele Gespräche geführt, um mit Angehörigen eine würdige Beerdigung vorzubereiten. Zurückschauen zu können auf ein ganzes Leben, ihm die Wertschätzung zu schenken, die ihm gebührt, erfüllt die junge Pfarrerin. Wenn davon nicht viel spürbar ist, schmerzt sie das. Ihre Arbeit mit Jugendlichen gefällt Noemi sehr: «Die Könfler des letzten Jahres sind mir richtig ans Herz gewachsen.»

Ab ins Fitnesscenter

So viele Kontakte kosten Kraft. Sechsmal pro Woche powert sie sich abends eine gute Stunde im Fitnesscenter aus. «Danach kann ich abschalten, den Feierabend geniessen», lächelt sie. Vorher beobachtet sie, welchen Einfluss das Milieu hat, in dem sie sich beim Trainieren bewegt. Der Körper steht im Mittelpunkt, es geht ums Aussehen, um Muskelaufbau, um perfekte Ernährung. Das sei nicht per se verwerflich – doch vieles erscheint Noemi nicht mehr gesund: «Oft wird die Überforderung erst erkannt, wenn der Körper Schaden genommen hat. Sport ist zur Religion geworden», sagt sie und erkennt zugleich Parallelen zu ihrer eigenen Suche nach Erfüllung ...

Zu hohe Erwartungen

Selbstkritisch resümiert sie: «Ich bin in einer sehr harmonischen Familie aufgewachsen. Vielleicht stelle ich deshalb etwas hohe Ansprüche an eine Partnerschaft …» Nun ist sie bald 30, weder verheiratet noch Mutter, wie etliche ihrer Freundinnen. Dennoch wirkt Noemi weder frustriert noch verbittert. Sie hat ihren Herzenswunsch bewusst losgelassen und entdeckt: «Erfüllung finde ich in meiner Beziehung zu Gott. Er kennt mich, er liebt und versteht mich. Er ist immer für mich da und er bleibt bei mir.» Sie weiss: «Ich kann auch als Single glücklich werden.» Ihr Beruf beschere ihr viele Kontakte zu Menschen, mit denen sie Leben und Glauben teilen, die sie in die lebendige Beziehung mit Jesus einladen kann. «Ich lasse es offen, ob Gott mir Ehe und Familie schenkt.» Überzeugt sagt Noemi: «Mit Mann und Kindern wäre ich nicht glücklicher als jetzt.» Auch das Familienleben laufe nicht immer reibungslos, bringe Belastungen mit sich. Sie schmunzelt: «Jeder Wunsch, der sich erfüllt, kriegt augenblicklich Kinder …» Sie verbringt ihre Freizeit mit der Schwester und mit Freundinnen, berät sich auch mit ihrer Mutter: «Das ist gut so.»

Zuversicht durch Gottvertrauen

Es sei spannend, Gottes Wesen zu entdecken und in der Bibel zu erforschen, wie er mit Menschen umgehe, sagt Noemi. Dort finde sie so viele hoffnungsvolle Geschichten, dass sie zuversichtlich in die Zukunft blicke. «Alles liegt in Gottes Hand, er kann jederzeit eingreifen und er weiss besser als ich, was gut ist für mich. Ich vertraue ihm», hält die sportliche, dynamische Frau fest. «Die Bibel vermittelt heilsame Botschaften, sie lässt mich Kraft schöpfen. Und sie hält mir einen Spiegel vor, lässt mich erkennen, wo bei mir Veränderungsbedarf besteht.» Wenn nötig, nimmt Noemi dazu professionelle Beratung in Anspruch. Doch sie ist überzeugt: «Gott steht hinter mir und er führt mich.» Einer ihrer Lieblingsbibelverse steht im Buch des Propheten Jesaja, Kapitel 43, Vers 1: «Ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen: du bist mein!» Für Noemi bedeutet das: «Gott steht mir bei und nimmt mich mit all meinen Fehlern als sein Kind an.» Dieser Zuspruch hilft ihr, mit Enttäuschungen und Verletzungen besser umzugehen.

Ewig weiter statt YOLO oder FOMO

Trends wie: «Du lebst nur einmal» (yolo: «You only live once») oder «Ich muss hier und jetzt alles erleben» (fomo: «Fear of missing out») stressen sie. Auf diversen sozialen Medien werde vorgegaukelt, alles laufe bestens. Das glaube sie nicht, sagt dazu: «Diese Scheinwelt befördert nur den Run nach Reichtum, Perfektion und Hollywood. Verloren geht die Wahrnehmung des realen Gegenübers.» Dabei sei es so verletzend, nicht gesehen oder gehört zu werden. Es führe manchmal zu unerklärlichem Verhalten. «Ich will nicht vorschnell urteilen, sondern aufmerksam und barmherzig bleiben.» Noemi ist überzeugt: «Die Freundschaft mit Gott geht über den Tod hinaus. Das schenkt mir grosse Hoffnung und lässt mich gelassen leben.»

Datum: 24.10.2023
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: Hope Regiozeitung