Simon Tanner

Krieg und fliegen

Brikena und Simon Tanner
«Mit einem lokalen Pastor landeten wir einmal inmitten von Konfliktparteien», erinnert sich Simon Tanner, CEO der Helimission in Trogen. Er erzählt von Gottes Wirken – und seine Frau Brikena von der Nacht, als sie ihre 18-jährige Tochter verloren ...

Wo die Strassen enden, fliegt die Helimission Baumaterial, Medikamente und medizinische Einrichtungen in die entlegensten Gebiete dieser Erde. Dadurch erhalten Menschen Hilfe, die sonst keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hätten. In besonders schwerwiegenden Fällen, zum Beispiel bei lebensgefährlichen Verletzungen, werden Betroffene auch in Kliniken ausgeflogen. Dieser Transport dauert meist nur eine halbe Stunde – im Gegensatz zu einem mühsamen Fussmarsch auf einer Bahre durchs Dickicht, der ein bis zwei Tage beanspruchen würde.

Stammeskonflikte beigelegt

Obschon der Hauptsitz nicht in Genf, New York, London oder Paris liegt, sondern hier im Appenzell, in Trogen, betreibt die Helimission Weltpolitik: Ihre Einsätze führten bereits mehrfach dazu, dass blutige Stammeskonflikte beigelegt werden konnten. «Wie viele Konflikte durch unsere Arbeit ein Ende fanden, kann ich nicht sagen», erklärt Simon Tanner, CEO der Helimission. «Mit einem lokalen Pastor landeten wir einmal inmitten von Konfliktparteien», erinnert er sich. «Die Situation war sehr angespannt, ein Beziehungskonflikt, der in Morden gipfelte und diese Krise ausgelöst hatte. Gott schenkte Gnade und dem Pastor Weisheit, mit den Clan-Führern zu verhandeln und schlussendlich Frieden zu bringen.» Das Erlebnis ist im Dokumentarfilm der Helimission «Friedensstifter» festgehalten. Ein Einsatz, der den Friedensnobelpreis verdienen würde. 

«Wir machen die Hilfslieferungen nicht davon abhängig, ob wir auch die gute Nachricht verkünden können – wo Not herrscht, hilft man einfach!»

Bereits früh mit an Bord

Simon war als junger Mann Basisleiter der Helimission in Albanien. Er fuhr Lastwagen, holte Bewilligungen ein, um in Zusammenarbeit mit Regierungsvertretern Hilfsgüter zu Bedürftigen zu bringen. Sein Vater Ernst gründete die Helimission 1971 und predigte jeweils vor Einheimischen. «Wir machen die Hilfslieferungen nicht davon abhängig, ob wir auch die gute Nachricht verkünden können – wo Not herrscht, hilft man einfach!», erklärt Simon. «Fragt man uns nach unserer Motivation, sprechen wir gern von Gottes Liebe, die wir praktisch umsetzen möchten.»

Durchs Übersetzen überzeugt

Brikena, eine junge Albanerin, übersetzte  Ernst Tanner bei den Einsätzen. «Ich bin  atheistisch aufgewachsen», erzählt sie im  Rückblick. «Gewisse Ausdrücke kannte  ich gar nicht, fragte mich etwa: Was heisst  ‹Praise the Lord› oder ‹Halleluja› auf  Albanisch?» Der Inhalt der Predigten und  der engagierte Einsatz für Menschen in Not  überzeugten Brikena. Heute ist sie Simons  Ehefrau und überzeugte Christin. Die beiden haben zwei Töchter und einen Sohn.

Das Unfassbare 

«Im Frühling 2021 wollten wir für drei  Tage nach Davos, um auszuspannen, und  verabschiedeten uns von unseren Kindern.  Nie hätten wir gedacht, dass wir Deborah  nicht mehr lebend sehen würden …», erinnert sich Brikena. Ihre 18-jährige Tochter  hatte ein paar Kolleginnen aus der Schule  eingeladen. Als sich eine Freundin spätabends verabschiedete, lud sie Deborah ein,  eine kurze Spritzfahrt mit ihrem sportlichen  Wagen zu unternehmen. Doch die Fahrerin  war ortsunkundig, verfehlte die Kurve und  die beiden jungen Frauen stürzten mit dem  Auto in eine Schlucht. Deborahs Bruder war  als erster vor Ort, 700 Meter von zuhause  entfernt. Seine Schwester überlebte den  Unfall nicht, die Kollegin kam mit einer  kleinen Schramme am Knie davon.

Hiobsbotschaft in der Nacht

«Als zwei Polizisten um halb vier Uhr  morgens vor unserer Tür standen, wussten  wir: Es ist etwas Schlimmes geschehen»,  hält Brikena fest. Das Ehepaar erfuhr vom  Unfalltod der Tochter und kehrte nach  Hause zurück. Brikena fährt fort: «Am  Anfang funktioniert man einfach und organisiert die Beerdigung.» Es war CoronaZeit, sie mussten eine Trauerkarte verfassen, durften nur 50 Personen in die Kirche einladen … Simon funktionierte und organisierte  – Brikena ist ihm heute noch dankbar, dass  er das konnte, auch Deborahs Schwester war  allen eine grosse Hilfe.

«Als zwei Polizisten um  halb vier Uhr morgens vor unserer Tür standen, wussten wir: Es ist etwas Schlimmes geschehen.»

Vogelhäuschen zum Gedenken

Tröstend gemeinte Worte wie: «Sie ist ja  jetzt im Himmel, da geht es ihr gut!» prallten an den Trauernden ab. Brikena erklärt:  «Es ist ein täglicher Lernprozess, wie man  damit leben, damit umgehen kann. Man  trägt das mit bis zum Lebensende». Ihr Therapeut riet, die Trauer zuzulassen. An  einer solchen Tragödie nicht zu zerbrechen,  sei auch eine Entscheidung, betont Brikena.  «Er sagte uns, es gebe keine Abkürzung  durch die Trauer – wir müssten den Weg  gehen, bis wir spüren: Jetzt wird es leichter.» 

Später errichtete Simon eine Gedenkstätte an der Unfallstelle. Die Leute aus dem Dorf und ihre Freunde sollen sich dort an Deborah erinnern können. Nun steht ein Vogelhäuschen da, mit Bildern der Verstorbenen. Der Vater geht fast jeden Abend hin, zündet eine Kerze an. Auch andere schätzen diesen Ort.

«Jesus Christus hat in Fierenana ganze Arbeit geleistet – und es auf dem kleinen Fleckchen Erde am Ende der Welt Weihnachten werden lassen.»

Weihnachten in Fierenana

Trotz dieses Schicksalsschlages und mit Gottes Hilfe engagieren sich Tanners nach wie vor in ihrer Organisation. Abschliessend erzählt Simon von einer schönen Begebenheit: «Früher war der Dorfchef von Fierenana in Madagaskar ein gefährlicher Viehdieb, ein ‹dahalo›. Aus Angst vor ihm und seiner mordenden Bande machten Menschen einen grossen Bogen um dieses Dorf. Als ich ihn wieder einmal besuchte, stellte ich fest, dass man sich heute nicht mehr vor ihm fürchten muss, Respekt gebührt ihm aber immer noch.» Was war geschehen?

Die Helimission hatte vor einiger Zeit Pastor Luciano in die Region eingeflogen. Simon fährt fort: «Mutig und zuversichtlich, dass Gott mit ihm ist, ging Luciano in dieses Dorf und erzählte den Menschen die Hoffnungsbotschaft der Bibel.» Diese erweichte das Herz des Dorfchefs. Er fand zu Gott – und etliche Dorfbewohner folgten seinem Beispiel. Heute steht in Fierenana eine Kirche, die jeden Sonntag voll ist. Der Retter und Friedensstifter Jesus Christus hat in Fierenana ganze Arbeit geleistet – und es auf dem kleinen Fleckchen Erde am Ende der Welt Weihnachten werden lassen.»

Sehen Sie sich hier das Interview mit Tanners in voller Länge an:

ZUR PERSON

Was bringt Sie zum Lachen?
Appenzeller-Witze, z. B.: Warum lachen Appenzeller beim Fussballspielen? Weil sie das Gras unter den Armen kitzelt.

Worüber denken Sie oft nach?
Über unsere Kinder – alle drei …

Was würde uns an Ihnen überraschen?
Dass ich den Sound alter Amis mit V8 Motoren liebe.

Was möchten Sie gern erleben?
Dass heute noch Kranke geheilt werden wie zu Zeiten Jesu.

Wann geraten Sie in einen Flow?
Wenn ich über Gottes Wirken in der Arbeit der Helimission berichte. 

Datum: 03.12.2025
Autor: Daniel Gerber, Mirjam Fisch
Quelle: Hope Regiozeitung