Krieg und fliegen
Wo die Strassen enden, fliegt die Helimission Baumaterial, Medikamente und medizinische Einrichtungen in die entlegensten Gebiete dieser Erde. Dadurch erhalten Menschen Hilfe, die sonst keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hätten. In besonders schwerwiegenden Fällen, zum Beispiel bei lebensgefährlichen Verletzungen, werden Betroffene auch in Kliniken ausgeflogen. Dieser Transport dauert meist nur eine halbe Stunde – im Gegensatz zu einem mühsamen Fussmarsch auf einer Bahre durchs Dickicht, der ein bis zwei Tage beanspruchen würde.
Stammeskonflikte beigelegt
Obschon der Hauptsitz nicht in Genf, New York, London oder Paris liegt, sondern hier im Appenzell, in Trogen, betreibt die Helimission Weltpolitik: Ihre Einsätze führten bereits mehrfach dazu, dass blutige Stammeskonflikte beigelegt werden konnten. «Wie viele Konflikte durch unsere Arbeit ein Ende fanden, kann ich nicht sagen», erklärt Simon Tanner, CEO der Helimission. «Mit einem lokalen Pastor landeten wir einmal inmitten von Konfliktparteien», erinnert er sich. «Die Situation war sehr angespannt, ein Beziehungskonflikt, der in Morden gipfelte und diese Krise ausgelöst hatte. Gott schenkte Gnade und dem Pastor Weisheit, mit den Clan-Führern zu verhandeln und schlussendlich Frieden zu bringen.» Das Erlebnis ist im Dokumentarfilm der Helimission «Friedensstifter» festgehalten. Ein Einsatz, der den Friedensnobelpreis verdienen würde.
«Wir machen die Hilfslieferungen nicht davon abhängig, ob wir auch die gute Nachricht verkünden können – wo Not herrscht, hilft man einfach!»
Bereits früh mit an Bord
Simon war als junger Mann Basisleiter der Helimission in Albanien. Er fuhr Lastwagen, holte Bewilligungen ein, um in Zusammenarbeit mit Regierungsvertretern Hilfsgüter zu Bedürftigen zu bringen. Sein Vater Ernst gründete die Helimission 1971 und predigte jeweils vor Einheimischen. «Wir machen die Hilfslieferungen nicht davon abhängig, ob wir auch die gute Nachricht verkünden können – wo Not herrscht, hilft man einfach!», erklärt Simon. «Fragt man uns nach unserer Motivation, sprechen wir gern von Gottes Liebe, die wir praktisch umsetzen möchten.»
Durchs Übersetzen überzeugt
Brikena, eine junge Albanerin, übersetzte Ernst Tanner bei den Einsätzen. «Ich bin atheistisch aufgewachsen», erzählt sie im Rückblick. «Gewisse Ausdrücke kannte ich gar nicht, fragte mich etwa: Was heisst ‹Praise the Lord› oder ‹Halleluja› auf Albanisch?» Der Inhalt der Predigten und der engagierte Einsatz für Menschen in Not überzeugten Brikena. Heute ist sie Simons Ehefrau und überzeugte Christin. Die beiden haben zwei Töchter und einen Sohn.
Das Unfassbare
«Im Frühling 2021 wollten wir für drei Tage nach Davos, um auszuspannen, und verabschiedeten uns von unseren Kindern. Nie hätten wir gedacht, dass wir Deborah nicht mehr lebend sehen würden …», erinnert sich Brikena. Ihre 18-jährige Tochter hatte ein paar Kolleginnen aus der Schule eingeladen. Als sich eine Freundin spätabends verabschiedete, lud sie Deborah ein, eine kurze Spritzfahrt mit ihrem sportlichen Wagen zu unternehmen. Doch die Fahrerin war ortsunkundig, verfehlte die Kurve und die beiden jungen Frauen stürzten mit dem Auto in eine Schlucht. Deborahs Bruder war als erster vor Ort, 700 Meter von zuhause entfernt. Seine Schwester überlebte den Unfall nicht, die Kollegin kam mit einer kleinen Schramme am Knie davon.
Hiobsbotschaft in der Nacht
«Als zwei Polizisten um halb vier Uhr morgens vor unserer Tür standen, wussten wir: Es ist etwas Schlimmes geschehen», hält Brikena fest. Das Ehepaar erfuhr vom Unfalltod der Tochter und kehrte nach Hause zurück. Brikena fährt fort: «Am Anfang funktioniert man einfach und organisiert die Beerdigung.» Es war CoronaZeit, sie mussten eine Trauerkarte verfassen, durften nur 50 Personen in die Kirche einladen … Simon funktionierte und organisierte – Brikena ist ihm heute noch dankbar, dass er das konnte, auch Deborahs Schwester war allen eine grosse Hilfe.
«Als zwei Polizisten um halb vier Uhr morgens vor unserer Tür standen, wussten wir: Es ist etwas Schlimmes geschehen.»
Vogelhäuschen zum Gedenken
Tröstend gemeinte Worte wie: «Sie ist ja jetzt im Himmel, da geht es ihr gut!» prallten an den Trauernden ab. Brikena erklärt: «Es ist ein täglicher Lernprozess, wie man damit leben, damit umgehen kann. Man trägt das mit bis zum Lebensende». Ihr Therapeut riet, die Trauer zuzulassen. An einer solchen Tragödie nicht zu zerbrechen, sei auch eine Entscheidung, betont Brikena. «Er sagte uns, es gebe keine Abkürzung durch die Trauer – wir müssten den Weg gehen, bis wir spüren: Jetzt wird es leichter.»
Später errichtete Simon eine Gedenkstätte an der Unfallstelle. Die Leute aus dem Dorf und ihre Freunde sollen sich dort an Deborah erinnern können. Nun steht ein Vogelhäuschen da, mit Bildern der Verstorbenen. Der Vater geht fast jeden Abend hin, zündet eine Kerze an. Auch andere schätzen diesen Ort.
«Jesus Christus hat in Fierenana ganze Arbeit geleistet – und es auf dem kleinen Fleckchen Erde am Ende der Welt Weihnachten werden lassen.»
Weihnachten in Fierenana
Trotz dieses Schicksalsschlages und mit Gottes Hilfe engagieren sich Tanners nach wie vor in ihrer Organisation. Abschliessend erzählt Simon von einer schönen Begebenheit: «Früher war der Dorfchef von Fierenana in Madagaskar ein gefährlicher Viehdieb, ein ‹dahalo›. Aus Angst vor ihm und seiner mordenden Bande machten Menschen einen grossen Bogen um dieses Dorf. Als ich ihn wieder einmal besuchte, stellte ich fest, dass man sich heute nicht mehr vor ihm fürchten muss, Respekt gebührt ihm aber immer noch.» Was war geschehen?
Die Helimission hatte vor einiger Zeit Pastor Luciano in die Region eingeflogen. Simon fährt fort: «Mutig und zuversichtlich, dass Gott mit ihm ist, ging Luciano in dieses Dorf und erzählte den Menschen die Hoffnungsbotschaft der Bibel.» Diese erweichte das Herz des Dorfchefs. Er fand zu Gott – und etliche Dorfbewohner folgten seinem Beispiel. Heute steht in Fierenana eine Kirche, die jeden Sonntag voll ist. Der Retter und Friedensstifter Jesus Christus hat in Fierenana ganze Arbeit geleistet – und es auf dem kleinen Fleckchen Erde am Ende der Welt Weihnachten werden lassen.»
Sehen Sie sich hier das Interview mit Tanners in voller Länge an:
ZUR PERSON
Was bringt Sie zum Lachen?
Appenzeller-Witze, z. B.: Warum lachen Appenzeller beim Fussballspielen? Weil sie das Gras unter den Armen kitzelt.
Worüber denken Sie oft nach?
Über unsere Kinder – alle drei …
Was würde uns an Ihnen überraschen?
Dass ich den Sound alter Amis mit V8 Motoren liebe.
Was möchten Sie gern erleben?
Dass heute noch Kranke geheilt werden wie zu Zeiten Jesu.
Wann geraten Sie in einen Flow?
Wenn ich über Gottes Wirken in der Arbeit der Helimission berichte.
Datum: 03.12.2025
Autor:
Daniel Gerber, Mirjam Fisch
Quelle:
Hope Regiozeitung