«Ich wollte nicht länger zusehen»
Wie entstand der Name des Vereins und was bedeutet er?
Parparim ist hebräisch und bedeutet «Schmetterlinge». Wir wünschen den Frauen und Männern in der Prostitution ein Leben in Freiheit. Symbolisch dafür steht der Schmetterling. Viel zu oft erleben wir sie als «zertretene Raupen» – gepeinigt und verachtet. Wir glauben, dass eine Veränderung möglich ist.
Wie und wo kommen Sie mit Menschen in Prostitution in Kontakt?
Unsere Begegnungen finden in Bordellen, Clubs, Kontaktbars, Privatwohnungen und auf dem Strassenstrich statt. Wir besuchen diese Orte regelmässig und pflegen Gemeinschaft mit den Frauen. Stets bringen wir kleine Geschenke mit, die besonders beim Überwinden von Sprachbarrieren helfen. So können wir auf eine einfache Art Respekt und Wertschätzung ausdrücken, denn die Sprache der Geschenke ist an keine Kultur gebunden.
Wie reagieren die Betroffenen? Erinnern Sie sich an eine besondere Begegnung?
Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Meist sind die Frauen sehr dankbar und freuen sich über unseren Besuch. Manche begegnen uns zuerst zurückhaltend und misstrauisch. Ganz selten wird eine Frau wütend und lehnt das Präsent ab. All dies ist sehr verständlich, denn das Vertrauen dieser Frauen wurde stark missbraucht und weitgehend zerstört. Da sind Geduld und viel Zeit gefragt. Einmal haben wir eine Frau in ihrer Muttersprache angesprochen. Nach diesem einen Wort brach sie in Tränen aus und fasste durch diese Schlüsselbegegnung Mut, ein neues Leben ausserhalb der Prostitution zu beginnen. Verblüfft und berührt hat mich auch, als eine Frau ihr winziges Handtäschchen öffnete und sorgfältig das Verpackungsmaterial eines vor Monaten abgegebenen Geschenks hervorholte und mir erklärte, wie wertvoll dies alles für sie sei.
Wie sind Sie zu diesem Engagement gekommen und was motiviert Sie persönlich dazu?
Lange dachte ich, Prostitution sei ein selbstgewählter Job wie jeder andere. Mitte Zwanzig hörte ich an einer Frauenkonferenz erstmals eine ehemalige Prostituierte über das Thema «Menschenhandel in der Prostitution» reden. Es zerriss mir das Herz. Durch Gespräche mit Betroffenen wurde mir klar, dass dies niemand freiwillig macht. Ich wollte nicht länger zusehen. Ich wünsche mir, dass Licht ins Dunkel kommt und wir realisieren, welche scheusslichen «Geschäfte» vor unseren Augen betrieben werden. Die Sklaverei wurde abgeschafft. Dennoch gibt es sogar in der Schweiz Menschen, die schlechter behandelt werden als Tiere. Das beschämt mich zutiefst.
Wie können Interessierte den Verein unterstützen?
Wir suchen immer wieder Arbeitgeber, die Aussteigerinnen und Aussteigern einen Job anbieten. Auch freuen wir uns über kreative, schön verpackte Geschenke, die wir weitergeben können. Wir sind froh um jedes Gebet, jede finanzielle und praktische Unterstützung – sei dies im Büro oder unterwegs mit unserem Team. Interessierte dürfen sich gerne melden.
3 Tipps von Alexandra Blaser:
1. Keine voreiligen Urteile
«Manchmal halten wir uns für ziemlich gute Richter. Ich habe schon oft erlebt, dass einem, sobald man die wahre Lebensgeschichte einer Person kennt, das zuvor unausgesprochene Urteil auf einmal ganz falsch erscheint.»
2. Wie ich mir, so ich dir
«Nicht jede Begegnung ist einfach und nicht von jedem Menschen erfährt man Respekt. Ich versuche mein Gegenüber immer so zu behandeln, wie ich selbst behandelt werden möchte. Auch wenn mein Gegenüber es mir schier verunmöglicht – ich möchte dennoch einen Unterschied machen und dieser Person das Beste wünschen.»
3. Fokus ist entscheidend
«Bereits beim Fahrlehrer lernt man: Du fährst, wohin du schaust. Der Fokus ist entscheidend! Ich habe mir zum Ziel gesetzt, meinen Fokus regelmässig zu überprüfen und mich von grossen Vorhaben nicht einschüchtern zu lassen. Oft ist viel mehr möglich, als wir zuerst denken. Die Frage ist nur: Haben wir den Mut, es zu wagen?»
Datum: 08.02.2023
Autor:
Florian Wüthrich
Quelle:
HOPE-Regiozeitungen