Sami bauert hier im Wydibühl in der 5. Generation. Zusammen mit Christine hat er hier vier Kinder grossgezogen. Es ist geplant, dass sein Sohn den Bauernhof in einigen Jahren übernehmen wird.
Mit 20 Jahren Bauer
Die Aufzucht von Jungvieh ist heute, zusammen mit dem Ackerbau, seine Haupttätigkeit. Die rund 30 Tiere, die in seinem Stall stehen, werden jeweils als Kälber zu Sami gebracht. Er pflegt sie, zieht sie auf und sorgt dafür, dass sie trächtig werden. Dann gehen sie zurück zu ihrem ursprünglichen Betrieb und sind dort dann als Milchkühe im Einsatz. Sami produziert das Futter zu 95% selber: Mais und Heu. Für die jüngsten Tiere wird gewalzte Gerste als Ergänzung beigemischt. Auch dieses Futter will er in Zukunft selbständig herstellen.
Weil die Eltern gesundheitlich angeschlagen waren, übernahm Sami mit 20 Jahren ganz allein den Bauernhof, gegen den Rat seines Umfeldes. Der Betrieb stand wirtschaftlich auf Messers Schneide. «Mir wurde angeraten, auf die Büetz zu gehen und nur noch als Hobbybauer zu arbeiten.» Er wollte seine Eltern aber nicht enttäuschen. «Mich reizte die Herausforderung, an diesem Betrieb festzuhalten.» Mit 26 Jahren heiratete er Christine. Sie schaute zu den vier Kindern und half mit auf dem Bauernhof. Als die Kinder gross waren, nahm sie ihren Beruf als Pflegefachfrau wieder auf. Sie arbeitet heute im nahen Altersheim.
Vom Brüderverein zur Gemeinde für Christus
Der Glaube an Gott und das Ernstnehmen der biblischen Aussagen ist in Samis Familie seit drei Generationen verwurzelt. Als Fritz Berger, der Gründer des Brüdervereins, in Herbligen evangelisierte, wandte sich Samis Grossvater Christian zu Gott. In der Folge fanden die Versammlungen des Brüdervereins vorerst im Stöckli statt. Später entstand im Wydibühl das Vereinshaus und der Sitz des Brüdervereins.
Sami wuchs so ganz natürlich in den Brüderverein hinein. «Der Glaube an Gott war schon immer grundlegend für mich. Ich sah, dass hinter all dem Schönen, das wir haben, ein Schöpfer dahintersteckt.» Als Jugendlicher fand er aber, dass gewisse Strukturen im Verein nicht mehr ganz stimmten. Da ging es auch um die strengen äusseren Regeln: das Schneiden der Haare oder das Tragen von Hosen galten gemäss biblischen Aussagen für Mädchen und Frauen als unangebracht. Für Sami war vor allem der Zusammenhalt unter den Jungen wichtig. Man traf sich hie und da zum Bräteln und zum Singen im Wald. Solche eigenen Treffen der Jugendlichen wurden von der Leitung aber nicht gutgeheissen.
Seither hat sich der Brüderverein gewandelt. Das drückt sich auch aus im neuen Namen: Gemeinde für Christus. Sami vergleicht diese Entwicklungen mit den Änderungen, die in der Landwirtschaft nötig waren, um zu überleben. In der Gemeinde orientierte man sich an dem, was sich andernorts bewährt hatte, einfach jeweils 20 Jahre später. Heute unterscheiden sich die Mitglieder der Gemeinde für Christus äusserlich kaum noch von Mitgliedern aus anderen Freikirchen. Jugendliche treffen sich zu eigenen Veranstaltungen, es gibt eine Band, die moderne Lobpreislieder spielt und die Gemeinde macht als Gast bei der örtlichen evangelischen Allianz mit. Geblieben aber ist die Betonung eines engagierten persönlichen Glaubens, der sich auch im Alltag zeigt. Sami und seine Frau Christine engagieren sich heute aus persönlichen Gründen in der örtlichen reformierten Kirche.
Die Herausforderungen einer 600-Seelen-Gemeinde
Wie aber kam Sami in die Politik? Der Gemeinderat ist in Herbligen, wie in ländlichen Gemeinden üblich, nicht nach Parteien zusammengesetzt. Deshalb schaut man bewusst darauf, dass alle Kräfte im Dorf mit einem Sitz vertreten sind. Weil Herbligen zum Zentrum des Brüdervereins (BV) geworden war, bildeten seine Mitglieder eine starke Gruppe im Dorf. Der BV war deshalb schon länger im Gemeinderat vertreten, als die Anfrage zu Sami kam. Er hatte sich bereits im Dorf und in landwirtschaftlichen Gremien engagiert, war mehrere Jahre in der Feuerwehr und deshalb eine bekannte Persönlichkeit. Nun machte er zuerst für vier Jahre im Gemeinderat mit und engagierte sich anschliessend 10 Jahre als Gemeindepräsident.
In dieser Zeit erlebte er Herausforderungen und Rückschläge. Die grösste Herausforderung war für ihn das Abbauen der Schulden. Er begründet das so: «Als kleine Gemeinde sollten wir nicht auf Wachstum setzen. Das wäre mit grossen Infrastrukturkosten verbunden. Wir sollten versuchen, bei einem moderaten Steuersatz bleiben können und die bestehende Infrastruktur pflegen und energetisch sanieren: Strassen, Leitungen, den Kiesenbach, Brücken, das Mehrzweckgebäude und das Schulhaus.
Die Einwohnergemeinde verfügt über 20 Hektar Wald. Deshalb hätte Sami eigentlich eine Holzschnitzelheizung für das Mehrzweckgebäude, das Schulhaus und andere Gebäude gebaut. Für einen Neubau fehlte aber der benötigte Boden auf Gemeindegebiet und es gab kein bestehendes Gebäude, in das eine solche Anlage gepasst hätte. Deshalb gibt es in diesen beiden Gebäuden heute «nur» Pelletsheizungen.
«Wir haben einen guten Zusammenhalt im Dorf», blickt Sami zurück. Wenn jemand eine Sonderbehandlung will, würden sich die Reihen im Dorf gegen ein solches Ansinnen relativ schnell schliessen. Man lasse den Gemeinderat bei der Problemlösung nicht allein. So geschehen nach der Installation einer Solaranlage auf dem Dach eines Hauses, die von den strahlensensiblen Nachbarn angefochten wurde. Das führte zu langwierigen Abklärungen. Unterdessen habe sich die Lage aber beruhigt.
Der Aufwand für das Amt als Gemeindepräsident war etwa ein Tag in der Woche. Seinen Glauben brachte er mit in die Gemeinderatssitzungen, vor allem bei Entscheiden rund um soziale oder ethische Fragen. So achtete er darauf, dass Anlässe im Schützenhaus und in der Mehrzweckhalle geordnet abliefen und wehrte er sich mit Erfolg gegen ein Bar-Festival mit viel Alkoholkonsum und Lärm.
Kraft und Hoffnung
10 Jahre Gemeindepräsident und 40 Jahre Bauer, das braucht Kraft. Sami schildert seine Kraftquelle so: «In erster Linie gibt mir der Glaube Kraft. Vor allem die Zusagen aus der Bibel. Ich denke an das Versprechen, dass Jesus jeden Tag bei uns ist bis ans Ende der Welt oder an die Verheissung, dass Gott aus der Saat immer wieder eine Ernte entstehen lässt. Dinge also, die ich in der freien Natur immer wieder erleben kann.» Sami formulierte seine Anliegen immer wieder in einem Gebet und bilanziert das Ergebnis so: «Es gab immer wieder Lösungen, aber nicht immer eine direkte Antwort.»
Zur Person
Samuel Zwahlen (60) war von 2009 bis 2019 Gemeindepräsident von Herbligen. Als seine grösste Herausforderung bezeichnet er aber die Übernahme des Bauernhofes mit 20 Jahren.
Seinen Charakter skizziert er so: «Ich bin ein eher ruhiger, naturverbundener Typ, nicht unbedingt schlagfertig und brauche Zeit, um Entscheidungen zu treffen. Aber wenn ich mich entschieden habe, ziehe ich das durch.
Neben dem Bauern pflegt er zwei Hobbies: Er spielt mit in zwei Mundharmonika-Formationen. Und geht, seit die Kinder aus dem Hause sind, gerne mit seiner Frau Christine wandern. Manchmal sogar unter der Woche. Da liegt dann auch eine Übernachtung in einer SAC-Hütte drin. In diesen Zeiten schaut der Sohn zum Bauernbetrieb.
«Whatsapp» ist sein Favorit auf dem Smartphone. Er pflegt damit die Kontakte mit seiner Familie und mit Freunden. Mit dem Gamen hat er aber nichts am Hut. Aber er führt auf dem Handy einen Feldkalender, eine App von IP Suisse, mit Daten zu Pflegemassnahmen, Saat, Düngen, Pflanzenschutzmittel und Vorräten.
Sein Lieblingsplatz ist der Wald. Hier geht er im Winter holzen, privat und für die Gemeinde. «Da ist Ruhe und Frieden. Wenn man die Säge abstellt, hört man die Vögel zwitschern und das Knistern der Äste, wenn ein Eichhörnchen von Baum zu Baum springt.»
Datum: 08.06.2022
Autor:
Hanspeter Schmutz
Quelle:
Hope-Zeitungen