Sichtbar engagiert

Wie funktioniert gemeindenahe Diakonie?

Die Gemeinde Jesu hat den Auftrag, auch über den eigenen Horizont hinaus helfend aktiv zu sein.
Die Gemeinde Jesu hat den Auftrag, auch über den eigenen Horizont hinaus helfend aktiv zu sein. Ralf Dziewas zeigt, wie aus Ideen, Nöten und Bedürfnissen vor Ort konkreter gemeinsamer Einsatz werden kann.

Es gehört zum Wesen jeder christlichen Gemeinde, diakonisch aktiv zu sein. Wie Lobpreis und Anbetung Gottes, wie das Studium und die Auslegung biblischer Texte und das missionarische Zeugnis gehört auch das soziale Engagement zu den unverzichtbaren Elementen einer Gemeinde, die in der Nachfolge Jesu leben will. Schliesslich hat schon Jesus selbst nicht nur den Anbruch des Reiches Gottes verkündigt, sondern diese Botschaft mit einem heilenden und befreienden Wirken verbunden und damit glaubwürdig gemacht. Wo im Kontext der Gemeinde die Liebe nicht auch praktisch gelebt wird und Bedürftige konkrete Hilfe erfahren, wird in der modernen Gesellschaft das christliche Zeugnis als bedeutungslos wahrgenommen. Als authentisch hingegen gelten diejenigen, die nicht nur von Gottes Liebe und Güte reden, sondern diese auch durch ihr helfendes Handeln erlebbar machen.

Persönliche Hilfeleistungen im Gemeindealltag

Sehr viel diakonische Arbeit geschieht in freikirchlichen Gemeinden ganz selbstverständlich aufgrund persönlicher Initiative. Man kennt sich, hilft sich gegenseitig, betet füreinander und wo es notwendig wird, bemüht man sich um Unterstützung, die man selbst nicht leisten kann. All dies geschieht vielfach unbemerkt und ohne dass darüber Berichte geschrieben oder die eingesetzten Stunden gezählt würden.

Doch bereits dort, wo in einer grösseren Gemeinde die Seelsorge an denen organisiert werden muss, die in besonderen persönlichen Herausforderungen stehen, braucht auch die persönliche Zuwendung unterstützende Strukturen. Denn das, was sich von selbst ergibt, was ungeplant geschieht, deckt nicht immer den Bedarf aller Betroffenen. Oftmals werden nur die wahrgenommen, die sich noch aktiv am Gemeindeleben beteiligen. Wer aber nimmt die Bedürfnisse derer wahr, die nicht oder nicht mehr aktiv zu den Veranstaltungen oder Kreisen der Gemeinde kommen?

Diakonische Arbeitskreise für innergemeindliche Aktivitäten

Ein diakonischer Arbeitskreis, der gezielt den Kontakt aufnimmt zu denen, die sonst aus dem Blick geraten, ist eine hilfreiche Form zur Organisation der innergemeindlichen Diakonie. Eine Gruppe, die offiziell damit beauftragt ist, Unterstützung zu organisieren und Bedürfnisse zu identifizieren, auch wenn die Betroffenen nicht von sich aus um Hilfe bitten. Ausserdem sollten hier regelmässige Treffen und Schulungen für diejenigen vorbereitet werden, die ältere und kranke Gemeindemitglieder begleiten oder einzelne Personen in prekären Lebenssituationen unterstützen.

Denn diejenigen, die sich engagieren und dabei mitunter als Helfende mit schwierigen Herausforderungen und belastenden Erfahrungen konfrontiert werden, brauchen einen Ort, an dem sie ihre Erfahrungen austauschen, voneinander und miteinander lernen können und Supervision erhalten.

Diakonische Verantwortung vor Ort

Doch in ihren diakonischen Aktivitäten sollte sich eine Gemeinde nicht nur nach innen ausrichten. Es geht nicht nur um die Nöte der Gemeindemitglieder, sondern auch um die Herausforderungen, die sich ausserhalb der Gemeinde stellen und zu deren Bewältigung die Gemeinde etwas beitragen kann. Sie ist dazu nicht nur verpflichtet, weil sie, wie andere Organisationen auch, eine Mitverantwortung für die Gestaltung der Gesellschaft hat. Die Gemeinde ist auch vom Evangelium her dazu beauftragt, in die Gesellschaft hineinzuwirken und damit ein aktives Zeugnis von der Liebe Gottes zu den Menschen abzulegen. Dazu aber muss sich die Gemeinde vor Ort sichtbar und kontinuierlich engagieren. Nur so kann sie für die Öffentlichkeit erkennbar zum Ausdruck bringen, dass die Botschaft von der Liebe Gottes kein leeres Gerede ist, sondern zu konkreten Taten der Barmherzigkeit führt.

Repräsentation der gemeindlichen Diakonie nach Aussen

Wenn eine Gemeinde ihre diakonische Beauftragung in ihrem Ort finden will, sollte sie im Kontakt mit den politischen Entscheidern und den kommunalen Gremien klären, wo wirklich Bedarf besteht und wo neue Angebote nur bestehenden Hilfeleistungen Konkurrenz machen würde. Erst mit der Kenntnis der vorhandenen örtlichen Strukturen kann die Gemeinde im Gebet und im Nachdenken über den eigenen Auftrag erkennen, wo sie am besten die eigenen Gaben, Kompetenzen und Ressourcen einbringen kann.

In einer solchen Phase des Entdeckens von diakonischen Möglichkeiten ist es wichtig, denen, die sich dort in besonderer Weise engagieren wollen, die Freiheit zu geben, Ideen und Pläne zu entwickeln und Möglichkeiten auszuloten. Auch wenn die Gemeinde letztlich als Ganze die Entscheidung treffen muss, auf welche diakonische Arbeit sie sich letztlich konzentrieren will, braucht es Personen, die im Namen der Gemeinde die Kontakte zu den anderen sozial aktiven Gruppen vor Ort aufzunehmen und die Gespräche mit den politischen Entscheidungsträgern führen. Dafür ist es sinnvoll, diese Personen von Seiten der Gemeinde offiziell zu beauftragen und sie für diese Aufgabe auch zu segnen.

Wahrnehmung und Stärkung der aussergemeindlichen Aktivitäten

Weil es oft zunächst nur einzelne Personen sind, die mit ihrem sozialen Engagement aus der Gemeinde heraus bestimmte Aufgaben im Umfeld der Gemeinde leisten, ist die entscheidende Herausforderung, dass die Gemeinde diese Form der diakonischen Arbeit kontinuierlich begleitet, unterstützt und als wichtigen Teil der eigenen Gemeindearbeit wahrnimmt. An welchen Stellen wird regelmässig über die diakonischen Aktivitäten berichtet? Welche Unterstützung und Würdigung ihrer Arbeit erhalten diejenigen, die stellvertretend für die Gemeinde im sozialen Bereich tätig sind? Welche Finanzen stellt die Gemeinde für ihre diakonischen Projekte und Aufgaben zur Verfügung?

Es bedarf also nicht nur einer Beauftragung, sondern eine kontinuierliche Begleitung und Unterstützung derer, die sich im Namen der Gemeinde persönlich engagieren. Die Gefahr besteht, dass ihr Engagement, weil es ausserhalb der Gemeinde geschieht, von dieser nicht wahrgenommen oder als weniger wichtig eingestuft wird.

Gründung eines Diakonievereins bei Mitarbeiterverantwortung

Spätestens dann, wenn aus dem diakonischen Engagement Einzelner ein Projekt oder ein Arbeitsbereich wird, in dem kontinuierlich Leitungsverantwortung für haupt- oder ehrenamtliche Mitarbeitende übernommen werden muss, stellt sich für die Gemeinde die Frage, in welcher Organisationsform dies am besten geschehen sollte.

Da in vielen freikirchlichen Gemeinden das Gemeindeleben basisdemokratisch organisiert ist, können wichtige Entscheidungen letztlich immer erst in der Mitgliederversammlung der Gemeinde getroffen werden. Das aber kann zu einer Belastung werden, weil in Personalfragen mitunter schnelle und verbindliche Absprachen und Entscheidungen erforderlich sind und nicht jede Personalentscheidung im Kreis der gesamten Gemeinde diskutiert werden kann. Deshalb empfiehlt es sich in solchen Fällen, einen Diakonieverein zu gründen, der als gemeinnütziger Trägerverein die Entwicklung der weiteren diakonischen Arbeiten verantwortet. In der Satzung dieses Vereins lässt sich dann festlegen, in welcher Form die Gemeinde weiterhin auf die Art und Weise Einfluss nehmen kann, in der die diakonische Arbeit geschieht. So kann die Gemeinde z. B. durch die Entsendung eines Gemeindeleitungsmitgliedes in den Diakonievereinsvorstand einen guten zwischen beiden Gremien sicherstellen oder in der Vereinssatzung der Gemeinde ein Mitspracherecht bei der Aufnahme neuer Arbeitsfelder oder bei der Anstellung von leitenden Hauptamtlichen einräumen.

Entscheidend ist aber letztlich, dass sich geeignete Mitarbeitende aus der Gemeinde finden, die bereit sind, die mit der Führung eines Vereins verbundene Zeit und Kraft aufzubringen und die diakonische Vereinsarbeit offiziell in der Öffentlichkeit und in der Gemeinde zu vertreten.

Gründung eines Diakonieunternehmens

Die diakonische Arbeit kann aber auch an einen Punkt gelangen, wo andere Strukturen als der Vereinsstatus notwendig werden. Vor allem dort, wo die diakonische Arbeit mit wirtschaftlichen Risiken verbunden ist, wie dies bei Einrichtungen mit mehreren Mitarbeitenden oder der Nutzung eigener Gebäude der Fall ist, empfiehlt es sich, derartige Arbeitsbereiche in der Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) zu organisieren. Der entscheidende Vorteil ist, dass die mit dem Betrieb einer diakonischen Arbeit verbundenen Risiken auf diese GmbH beschränkt bleiben und andere Bereiche der Arbeit oder die Trägergemeinde von einer Insolvenz daher nicht direkt betroffen wären.

Zum anderen ermöglicht die Ernennung einer Geschäftsführung schnelle und rechtlich abgesicherte Entscheidungen in einem diakonischen Tätigkeitsfeld, das in vielen sozialen Bereichen wie dem Gesundheitswesen, der Senioren- und Familienhilfe, der Beratungsarbeit oder bei der Führung von Kindergärten, Bildungseinrichtungen oder Flüchtlingswohnheimen zunehmend nach Marktregeln organisiert ist. Es bleibt aber auch in dieser Form möglich, dass die Trägergemeinde oder der Diakonieverein als Gesellschafterin der GmbH einen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Arbeit behalten.

Strukturen als Unterstützung des Glaubenszeugnisses der Gemeinde

Im Endeffekt wird es immer wieder notwendig sein, von der eigenen Gemeindesituation her zu entscheiden, welche Struktur die eigene diakonische Gemeindearbeit jeweils braucht, um möglichst effektiv ein gutes Zeugnis von der Liebe Gottes ablegen zu können. Dabei sollte die Gemeinde sowohl rechtliche, als auch diakonische Fachkompetenz und Beratung in Anspruch nehmen, da für unterschiedliche diakonische Arbeitsfelder unterschiedliche Strukturen notwendig oder sinnvoll sein können.

Eine Beratung zu all diesen Fragen erhalten auch freikirchliche Gemeinden beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung, dem früheren Diakonischen Werk der EKD und in dessen Landesverbänden, denn fast alle deutschen Freikirchen sind Mitglieder der Diakonie und ihre Gemeinden haben damit Anspruch auf diese Beratungsleistungen. Darüber hinaus gibt es jeweils auch im eigenen Gemeindebund kompetente Ansprechpartner, die entsprechend Beratung und Begleitung bei der Entwicklung diakonischer Gemeindeaktivitäten anbieten.

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Datum: 30.04.2024
Autor: Ralf Dziewas
Quelle: Magazin Christsein Heute 4/24, SCM Bundes-Verlag

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