Wenn der Boden keine Luft mehr kriegt…

Bei schweren Landmaschinen nimmt das Risiko einer Verdichtung zu.
Bodenaufbau
Wiederherstellen benötigt Zeit

Das grösste zusammenhängende Höhlensystem der Erde fängt in Portugal an, zieht sich quer durch die Schweiz und endet an der Beringstrasse. Es ist – unser Boden. Forscher schlagen Alarm: Wir sind daran, ihm die Luft abzudrehen.

Die obersten Zentimeter des Bodens sind für die Sauerstoffzufuhr in tiefere Schichten entscheidend. Der Boden besteht rund zur Hälfte aus Hohlräumen. Sie machen landwirtschaftliche Produktion überhaupt erst möglich. Wie zerbrechlich dieses Hohlraumsystem ist, zeigt eine Langzeitstudie des Forschungsinstituts Agroscope in Reckenholz-Tänikon ART. Der Feldversuch läuft unter dem Kürzel COREBA (Compaction – Regeneration –Biological Activity); die Forscher haben nach vier Jahren erste Ergebnisse vorgelegt. Fazit: Bei schweren Landmaschinen – wenn sie nicht sachgerecht oder bei unpassenden Bedingungen eingesetzt werden – nimmt das Risiko einer Verdichtung zu.

Hohlräume bewahren

Den Boden durchzieht ein Netzwerk feiner Kanäle, deren Durchmesser von weniger als einem tausendstel Millimeter bis zu einigen Zentimetern variiert. Sie bilden ein natürliches Belüftungssystem für Bodenorganismen und Pflanzenwurzeln, die für ihre Tätigkeit Sauerstoff benötigen. Falsch eingesetzte Landwirtschaftsmaschinen können dem Boden und seinen Lebewesen jedoch buchstäblich die Luft abdrehen.

Atemnot im Unterboden

100 Kilogramm verteilt auf die Fläche einer Postkarte können ausreichen, um das Hohlraum-Geflecht eines Oberbodens kollabieren zu lassen. Auch wenn von dieser Verdichtung nur die obersten paar Zentimeter betroffen sind, kann das für darunter liegende Bodenschichten schwerwiegende Folgen haben, wie COREBA zeigt. Die Verdichtung des Oberbodens erschwert die Sauerstoffzufuhr in die tieferen Bodenschichten und verursacht damit Atemnot im unterirdischen Ökosystem.

Darunter leiden vor allem die landwirtschaftlichen Kulturpflanzen, die bei eingeschränkter Wurzelatmung nicht mehr ihre volle Leistung bringen. Die resultierenden Ertragsausfälle können bis zu 25 Prozent und mehr betragen, sagt der Versuchsleiter Hans-Rudolf Oberholzer. ,Darüber sollten wir uns schon Sorgen machen. Umso mehr als Verdichtungsschäden rasch und praktisch überall entstehen können, wo stark mechanisierte Landwirtschaft in feuchteren Klimazonen betrieben wird", sagt er.

Dazu kommt, dass das Problem nicht am Ackerrand endet. Wenn die Zugänge zum Mikrohöhlensytem an der Bodenoberfläche unterbrochen sind, fliesst Wasser aus Niederschlägen ungebremst in die Flüsse, was andernorts zu Überschwemmungen führen kann. Im Normalfall nimmt jeder Kubikmeter Boden die Hälfte seines Volumens an Wasser auf. Dieses enorme Wasser-Rückhaltevermögen trägt wesentlich zu einem besseren Hochwasserschutz bei.

Wiederherstellen benötigt Zeit

In den vier Versuchsjahren wurde in COREBA auch verfolgt, bis zu welchem Ausmass Bodenschäden wieder rückgängig gemacht werden können. Es zeigte sich, dass eine Bodenbearbeitung den Oberboden zwar wieder einigermassen lockern kann, die Schäden im Innern der Bodenteilchen jedoch bestehen bleiben. Verbesserungen im filigranen Bereich des Hohlraumsystems können nur durch natürliche Prozesse wie die Aktivität von Wurzeln und Bodenorganismen oder wiederholte Trocknungs- und Wiederbefeuchtungszyklen erreicht werden. Dies kann der Bauer durch Bewirtschaftungsmassnahmen fördern, zum Beispiel durch das Ausbringen von Mist und Kompost oder durch den Anbau von Pflanzen, die den Boden während langer Zeit intensiv durchwurzeln und bedecken.

Diesen Winter schliessen die Forschenden den COREBA-Modellversuch ab. In den kommenden Monaten werten sie die Daten im Detail aus und veröffentlichen sie anschliessend.

Kommentar

Der Boden des Fortschritts

Immer schneller, grösser und komplexer: Die abgründigen Kehrseiten des technischen Fortschritts zeigen sich auch in der Landwirtschaft. Wer nach ausgedehnten Niederschlägen die Regenrinnen in intensiv bewirtschafteten Feldern beobachtet, dem schwant Ungutes. Dem Boden, aus dem unsere Nahrung wächst, muten wir Tonnen zu, die er nicht tragen kann.

Welcher Bauer hat noch Zeit, durchs Feld zu gehen? Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften sind stolz darauf, dass ein kleiner Teil der Bevölkerung das Land bebaut und in grossen Mengen Lebensmittel produziert. Im Zeichen der Globalisierung wächst der Druck auf den Bauernstand, industriell einzufahren – mit noch schwereren Traktoren und grösseren Erntemaschinen.

Gottes Segen wird im Alten Testament mit Bildern von reichem Ertrag verdeutlicht. Geben die Böden nicht her, wozu sie geschaffen sind, zeigt dies in der Bibel in der Regel ein Strafgericht an – Gottes Urteil, dass die Menschen ihren Lebensgrundlagen nicht Sorge tragen.

Die dramatische globale Verteuerung der Nahrungsmittel macht uns bewusst: Wir haben unbedingt dafür zu sorgen, dass unsere Böden atmen können. Fortschritt bringt uns nur weiter, wenn wir auf dem Boden bleiben – und das heisst in diesem Fall: ihn nicht erdrücken.

Mehr zu COREBA
Am 23. Januar 2009 findet an der ART die Fachtagung „Bodenverluste vermindern“ statt. Infos
Bodenschutz und Bodenfruchtbarkeit in der Schweiz
Bodenverdichtung bringt Regenwürmer unter Druck
Geophysik und Bodenverdichtung

Quelle: Bundesamt für Landwirtschaft, Bearbeitung Livenet

Datum: 09.12.2008

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