Irak

Umweltdrama

Das "Worst Case Scenario" geht von dem Fall aus, dass alle Ölquellen in Flammen stehen und zudem die ungünstigsten Wetterverhältnisse herrschen.
Luftverschmutzung in Nahost

Köln. Die Schadstoffbelastung durch brennende Ölfelder im Irak breitet sich bis nach Afghanistan und in die Türkei aus. So die Prognose von Forschern des Eurad-Projektes (Europäisches Ausbreitungs- und Depositionsmodell) in Köln. Beim Eurad-Projekt unter der Leitung von Hermann Jakobs des Rheinischen Instituts für Umweltforschung an der Universität zu Köln wird täglich der Verlauf der Umweltkatastrophe in der Golfregion prognostiziert. Neben chemischen, physikalischen und dynamischen Prozessen werden aktuelle Wetterdaten herangezogen. Hinzu kommt die Einschätzung der Brandlage im Irak.

Das "Worst Case Scenario" geht von dem Fall aus, dass alle Ölquellen in Flammen stehen und zudem die ungünstigsten Wetterverhältnisse herrschen. Beim Brand entstehen in erster Linie Stickoxide, Schwefeloxide, Kohlenmonoxide und Russ. Sie werden mit dem Wind transportiert und durch Niederschlag sowie chemische Prozesse ausgewaschen und umgewandelt. Neben dem "Worst Case Scenario" wird die Prognose auch für die anhand von militärischen Infos angenommene aktuelle Brandlage erstellt. Sind die Wetterbedingungen hingegen günstig, könnte sich nach dem Löschen aller Ölfelder die Russ- und Oxidbelastung nach wenigen Tagen verflüchtigt haben.

Die Wüste stirbt

Zwar wurden bislang im Vergleich zum ersten Golfkrieg wesentlich weniger der insgesamt 1600 Ölquellen von den irakischen Militärs in Brand gesetzt. Aber auch die aus militärischen Gründen angelegten Gräben, um zur Verwirrung der US-Luftwaffe Öl abzufackeln, seien eine "relevante Quelle" diverser Schadstoffe und der lungenschädigenden Russ-Partikel.

"Wir werden diesmal noch mit ganz neuen Umweltzerstörungen rechnen müssen", sagt der Kriegsfolgen-Forscher Knut Krusewitz, 61, der früher an der Technischen Hochschule Berlin lehrte. So hätten die massiven Truppenbewegungen der Alliierten sowie der irakischen Militärs grossflächig die ökologisch wichtige "aride Bodenstruktur" zwischen Euphrat und Tigris zerstört.

Wird die oberste feine Flugsandschicht der sensiblen Wüstenregionen gewaltsam aufgewirbelt, bekommen die vorherrschenden Westwinde aus dem Mittelmeer "viel Futter" (Krusewitz). Die Folge sind eine Versandung der benachbarten landwirtschaftlichen Anbaugebiete, die dringend zur Versorgung der irakischen Bevölkerung gebraucht werden. Die Entstehung von neuen bis zu 50 Meter langen Wanderdünen im Kuweit brachte die Öko-Forscher auf diese schleichende Umweltgefahr.

Kettenfahrzeuge, Reifen von Truppentransportern, gebuddelte Unterstände oder der Einschlag von Granaten sowie Benzinbomben zur Minenräumung zerstörte die seit Jahrmillionen liegende lockere Kiesdecke unter dem Flugsand nachhaltig. Für die karge aber wichtige Pflanzenwelt der Wüste fehlt dann der Schutzschild - die Wüste stirbt.

Uran-Munition kann den Irak auf Jahre verseuchen

Jeden Tag fallen Tonnen von Bomben auf irakische Städte, Panzer feuern Tausende von Geschossen ab. Sie bringen nicht nur Tod und Zerstörung, sondern werden das Land auch auf Jahre verseuchen. Wie schon im zweiten Golfkrieg (1991), wie in Bosnien und im Kosovo kommt auch im aktuellen Irak-Krieg wieder Munition mit abgereichertem Uran (depleted uranium, DU) zum Einsatz, die wegen ihrer hohen Durchschlagskraft und ihrer kostengünstigen Herstellung von Militärplanern geschätzt wird.

Als Schwermetall wirkt Uran chemotoxisch und als Radionuklid radiotoxisch. Nach übereinstimmender Bewertung von Wissenschaftlern ist die spezifische Radioaktivität von DU sehr niedrig. Gefährlich könnten die Inkorporation durch Einatmen von Uranstaub und die Ingestion durch kontaminierte Nahrung oder verseuchtes Wasser sein. Das könne zu strahleninduzierten Krebserkrankungen wie Leukämie und zu Nieren- sowie Lungenschädigungen führen, befürchten Experten.

DU wird nicht nur als Ursache für die Häufung von Krebserkrankungen unter irakischen Bürgern sowie NATO-Soldaten, die auf dem Balkan eingesetzt worden sind, in Betracht gezogen, sondern auch als mögliche Ursache des Golfkriegssyndroms.

Die Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) haben mehrfach vor dem Einsatz uranhaltiger Munition gewarnt und die UN aufgefordert, sich für ein weltweites Verbot von DU-Munition einzusetzen. Das Inhalieren feiner Partikel sowie das Eindringen dieser Partikel in offene Wunden könne zu Krebserkrankungen führen. Und Forscher des Empirial College in London kamen noch vor einem Jahr zu dem Ergebnis, dass DU Nieren und Lungen von Soldaten schädigen könne.

Abgereichertes Uran fällt bei der Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke an. Das natürlich vorkommende Schwermetall Uran besteht zu mehr als 99 Prozent aus dem nicht direkt spaltbaren Isotop Uran-238 und nur zu 0,7 Prozent aus dem spaltbaren Uran-235. Da die Brennstäbe in Kernkraftwerken aber drei bis vier Prozent Uran-235 benötigen, muss das Isotop angereichert werden. Zurück bleibt abgereichertes Uran-238, das nur sehr schwach strahlt. Geschosse aus abgereichertem Uran besitzen eine sehr hohe Durchschlagskraft: Die Explosion beim Aufprall auf einen Panzer tötet die Besatzung auf der Stelle, die metallenen Wände schmelzen oder verdampfen.

Quelle: pte online/Livenet

Datum: 10.04.2003

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