Zwei-Finger-Hände

Übersprudelndes Leben trotz körperlicher Grenzen

Annelies Schneller musste zur Bewältigung des Alltags schon oft ganz andere Wege finden als die meisten Menschen. Sie wurde mit unfertig ausgebildeten Händen geboren. Doch sie hat schon mehr bewegt als viele Menschen mit zehn Fingern. Stets rechnet die Zürcherin mit Gottes unbegrenzten Möglichkeiten.
Annelies Schneller staunt über Gottes unbegrenzte Moglichkeiten. (Foto: ideaschweiz)

«Jetzt bin ich vor allem Lehrerin, dazu habe ich die Projekte und das offene Haus», erklärt die sportliche, 60-jährige Frau mit den dunkelbraunen Locken. Ihr Zürcher Wohnzimmer zeugt von Kontakten zu Menschen aus der ganzen Welt. Afrikanische Geigen, chinesische Schirme und Pflanzen wie im Dschungel verbreiten ein exotisches Flair.

Mit ihren «Pfötchen», wie sie ihre Zwei-Finger-Hände liebevoll nennt, weist sie auf eine Stoff-Collage in Tropfenform, die sie selber entworfen hat. «Unsere Grenzen - Gottes unbegrenzte Möglichkeiten»: Das ist zu ihrem Lebensmotto geworden.

Der Tropfen mit den zwei Fischen und fünf Broten symbolisiert das Wenige, das ermutigen soll, die eigenen beschränkten Möglichkeiten Gott hinzuhalten und zu erwarten, dass er viel daraus macht. Weshalb sie ohne Hände geboren wurde, ist unbekannt. «Bei mir sind die Grenzen offensichtlich», stellt sie fest. «Aber Gott hat versprochen, Gutes daraus entstehen zu lassen, wenn wir ihn lieben.»

Offenes Ohr und Herz

Zusammen mit ihrem Mann Peter, ebenfalls 60, engagierte sie sich während Jahren in der Studentenarbeit der VBG (Vereinigte Bibelgruppen), dann später und bis heute in internationalen Studentenaktivitäten. Daraus entstanden ihre diversen eigenen diakonischen Projekte in verschiedenen Ländern (siehe Kästchen).

Ihre Wohnung in Zürich gleicht oft einem Bienenhaus. Menschen aus allen Kontinenten und Studierende kommen und gehen, wohnen eine Weile da, helfen, wo es nötig ist und teilen ihr Leben miteinander. Sie hat ein offenes Ohr und Herz für alle, die aufkreuzen, geht auch mal zu einem Schüler nach Hause wenn es nötig ist.

Um die vielen Noten ihrer Mittelstufenschüler einzutippen, nimmt sie die Hilfe einer Freundin in Anspruch. «In der öffentlichen Schule darf ich meinen Glauben nicht mit Worten bezeugen», sagt Annelies Schneller. «Aber die Kinder spüren mein Herz.»

Positive Einstellung

Die Leitung durch den Heiligen Geist braucht sie vor allem auch, wenn sie an der christlichen Privatschule SalZH in Winterthur eine Kleinklasse unterrichtet: «Diese Schüler sind durch negative Schulerfahrungen sehr entmutigt.»

Doch für Annelies Schneller sind Probleme Herausforderungen: «Mit Jesus ist es zu schaffen!» Mit dieser Einstellung und ihrer Hartnäckigkeit, trotz Behinderung ihr Leben so weit als möglich selbständig zu meistern, ist sie nicht immer ein pflegeleichtes Gegenüber, das weiss die vielseitig begabte Frau. Sie löst damit auch Neid und Ablehnung aus. «Das tut weh», bekennt sie. «Aber weil ich Gott nötig habe, erlebe ich ihn auch hautnah.»

Sie will ermutigen

«Die Freude am Herrn ist meine Stärke»: Dieser Vers ist in ihrem Ehering, in ihrem Fall ein Armreif, eingraviert. Annelies Schneller will ermutigen. «Auch wenn es nur Tropfen der Ermutigung sind.» Sie gibt diese Tropfen weiter an Studenten und an Behinderte, die sie in Rumänien, im Kosovo, in Indien und Peru besucht.

Der von der Familie Schneller gegründete Verein «inswiss» hat schon Tonnen von Hilfsgütern verteilt oder mit einem Zahnarzt Behinderten in der Dritten Welt kostenlos Zähne geflickt. Fast jedes Jahr führt ein Team Camps für Behinderte durch, früher am Schwarzen Meer, heute in Albanien.

Diese Einsätze seien sehr bereichernd für die Studenten, die dabei mithelfen. Annelies Schneller meint: «Vieles habe ich nie geplant, es ist mir einfach zugefallen, durch Gottes Gnade.» Bei solchen Aktivitäten sind Schwierigkeiten oft vorprogrammiert. «Ich denke, Angriffe gehören einfach dazu», sagt sie. «Ein Drachen steigt nur gegen den Wind.»

Tödliche Krankheit

Mit zwanzig erkrankte Annelies Schneller an Lupus erythematodes, einer noch heute oft tödlich verlaufenden Krankheit. Die Ärzte hatten sie schon aufgegeben, als ein neues Medikament an ihr ausprobiert wurde.

Selber hatte sie keine Kraft mehr, um zu beten, aber ihre Grossmutter betete und glaubte für sie. Das Wunder geschah: Sie reagierte positiv und wurde eine der wenigen, welche diese schwere Form der Krankheit überlebten. Trotzdem musste sie damals viele Wünsche loslassen, zum Beispiel eine Familie zu gründen.

Doch noch schwanger

Aber Gott hat unbegrenzte Möglichkeiten: Nach mehreren Jahren der enttäuschten Hoffnung wurde sie doch noch schwanger. Mit Hilfe von Au-pair-Mädchen war es ihr möglich, die Arbeit zu bewältigen. Nun sind die beiden Kinder Christoph, 28, und Andrina, 25, aus dem Haus.

Dafür lassen Schnellers immer wieder junge Menschen, die ein Zuhause brauchen, bei sich wohnen. «Du hast eine natürliche Art, Brücken zu bauen», bemerkte eine Freundin, man fühle sich von ihr sofort angenommen.

Annelies Schneller weiss, woher die Kraft für ihr übersprudelndes Leben kommt: «Ich bin angeschlossen an die Quelle der Liebe Gottes. Wie beim römischen Brunnen füllt sie mich und überströmt dann. Meine Sorge muss nicht sein, wie gross meine Becken sind, sondern dass diese Liebe über mich hinaus weiterfliesst.»

Tropfen der Ermutigung

Mit ihren eigenen Projekten «Tropfen der Ermutigung» engagieren sich Annelies und Peter Schneller in verschiedenen Ländern für Behinderte. Zusammen mit einem Team laden sie zudem alljährlich Studierende aus vielen Ländern zu einem Ski- und Sportlager ein, wo sie neben dem Skiunterricht das Evangelium auf kreative Art weitergeben.

Diesen Artikel hat uns freundlicherweise «Idea Spektrum Schweiz» zur Verfügung gestellt. Idea abonnieren

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«Tropfen der Ermutigung»

Datum: 13.08.2011
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: ideaschweiz

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