Die Meisten bleiben ohne Medaille: Sportler nach dem Wettkampf

Nikos Kaklamanakis, Griechenland
Thomas Zindel
Läufer aus Kenia
Ji Hyun Jung aus Korea kämpft im wrestling gegen Roberto Monzon aus Kuba

In Athen packen bereits viele Sportler die Koffer. Der Wettkampf ist vorbei – und oft nicht so ausgegangen wie erhofft. Der Sportlerseelsorger Thomas Zindel spürt in vielen Gesprächen Enttäuschung.

Die Sportler sind ins Nachdenken gekommen, sagt Thomas Zindel gegenüber Livenet am Telefon: „Während ihre Gedanken vorher um den Wettkampf kreisten, fragen sie sich nun, wie sie nach den Spielen weiterleben sollen. Viele Fragen kommen nun an die Oberfläche; sie suchen Antworten.“

Zindel hat einen europäischen Diskuswerfer getroffen, der in Gedanken versunken in der Cafeteria sass, und sprach ihn an. Er hatte die Qualifikation für den eigentlichen Wettkampf nicht geschafft. Bald kam seine Frage hoch, die er nach dem misslungenen Einsatz wälzt: „Mache ich weiter? Ich habe jahrelang so hart trainiert. Im Wettkampf entscheiden ein paar Sekunden. Wozu das alles?“

Jahrelang hart trainiert – und nun?

Thomas Zindel, Leiter der christlichen Sportlerarbeit "Athletes in Action", stellte ihm Fragen und erzählte ihm dann eine Geschichte: die des 400-Meter-Läufers, der im Final von Barcelona 1992 nach 200 Metern stürzte. „Die Konkurrenten laufen weiter; er richtet sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. Da springt ein Mann auf der Tribüne vom Sitz, rennt hinunter, an den Sicherheitsleuten vorbei. Er läuft zum Sportler, hebt ihn, hält ihn und läuft mit ihm den Rest der Strecke bis zur Ziellinie. Der Mann war – der Vater des Sportlers.“ Thomas Zindel zeigte dem Diskuswerfer auch ein Foto der Begebenheit. „Ich glaube, der Mann konnte mit dieser Geschichte spüren, dass Gott ihm aufhilft.“

Täglich drei Sportler-Gottesdienste

Die akkreditierten 32 Sportlerseelsorger an den Olympischen Spielen arbeiten in vier Gruppen, die sich in Schichten ablösen. Täglich werden drei Gottesdienste angeboten, am Mittag, um halb fünf und abends um acht. „Wir beziehen Sportler mit ein. Sie berichten den anderen anhand einer Bibelstelle von ihrem Erleben mit Gott.“

Auch Coaches und Ärzte finden sich ein; einmal auch der Präsident eines nationalen olympischen Komitees. Im Sonntagsgottesdienst waren laut Zindel 80 Personen zugegen, sonst treffen sich täglich 40-50 zu den Andachten. Ein Hauptziel der ‚Chaplains’ ist, gläubige Sportlerinnen und Sportler zu ermutigen, dass sie ihren Freunden Mut machen.

‚Afrikaner wissen um die Abhängigkeit von Gott’

Noch in den Ohren ist dem Sportlerseelsorger ein spontaner Gottesdienst kenianischer Athleten vor dem Wettkampf. „Sie sangen ein Lied in ihrer Stammessprache. Ich betete für sie, dass sie ihre Gaben zur Ehre Gottes einsetzen können.“ Laut Zindel ist gläubigen Afrikanern deutlich abzuspüren, dass sie sich in der Abhängigkeit von Gott wissen. „Sie sind sich bewusst, dass ohne seine Hilfe nichts geht. In diesen Momenten bedeutet ihnen das gemeinsame Beten und Singen eine gewaltige Stärkung.“

Gute Stimmung bei den Schweizern

In der (nicht mit Medaillen verwöhnten) Schweizer Delegation herrscht eine gute Stimmung, sagt Thomas Zindel. Er wünscht den Sportlerinnen und Sportlern in den letzten Tagen noch Medaillen – „dass sie für ihren Einsatz belohnt werden“.

Nicht vergessen wird Zindel die drei Männer, die am Sonntagabend in den Bus stiegen: niedergeschlagene Ringer-Coaches. Sie hatten zwei ihrer Schützlinge verloren und kamen eben von der Poliklinik. „Einer erzählte mir, dass sich dasselbe vor vier Jahren schon zugetragen hatte. Die Frage stand ihnen ins Gesicht geschrieben: War der ganze Aufwand vergeblich?“

Nach vier Jahren daran erinnert: Gott vergisst nicht

Thomas Zindel erzählte den dreien von einem Ringer-Video. Da hellte sich das Gesicht des einen Coachs auf. Offensichtlich hatte er das Video gesehen. „Kommt da nicht ein Amerikaner vor, der in Russland lebt?“ fragte er. Zindel weiss, dass der Amerikaner auch in Athen weilt. Der Coach will ihn treffen. Durch solche Impulse, sagt der Seelsorger, werden Menschen daran erinnert, „dass sie einen Gott kennenlernen könnten, der sie nicht vergisst.“

Datum: 27.08.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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