Höher, weiter, schneller: auf Spitzenleistungen programmiert

Marcel Fischer

Die Leichtigkeit und Sprungkraft der Turnerinnen in Athen hat mich neu fasziniert. Ich sitze im Sessel und sie vollführen die unglaublichsten Sprünge. Die Spitzenschwimmer – die Stars aus den grossen und Unbekannte aus den kleinen Nationen – pflügen sich scheinbar mühelos durchs Wasser.

Neben den strahlenden Siegern (Marcel Fischer, bisher als einziger Schweizer) gibt es viele Athletinnen und Athleten, die arg unter den Erwartungen bleiben. Roger Federer, Fahnenträger des Schweizer Sports, scheidet im zweiten Spiel aus, Hanna Stockbauer schlägt nicht zeitig an. Jan Ullrich bleibt im Einzelrennen ohne Edelmetall, Flavia Rigamonti verfehlt den Finalplatz über 800 m Crawl um ganze vier Sekunden.

Die Medien haben die Latte hoch gelegt. Und gehen mit den Leistungsträgern, die frustrieren, ins Gericht. Der deutsche Journalistik-Professor Siegfried Weischenberg hat die Olympia-Berichterstattung von ARD und ZDF kritisiert. Insbesondere im Umgang mit den Nicht-Medaillengewinnern im Schwimmen (Franziska van Almsick!) seien mehr Respekt und Zurückhaltung geboten: "Wenn diese armen Nicht-Medaillengewinner gerade aus dem Becken steigen, wird ihnen das Mikrofon unter die Nase gehalten."

In den Augen Weischenbergs haben auch manche Tageszeitungen mit ihrer Kritik an den Sportlern das angemessene Mass überschritten. "Es gibt überall in der Welt grosse Tragödien. Man sollte den Sport sicher ernst nehmen, aber nicht zu ernst."

Olympia lebt seit Jahrzehnten vom Fernsehen – dass wir in der Bequemlichkeit der eigenen Stube Menschen in Extremsitutionen verfolgen und dann erst noch über sie urteilen können. Mich beschäftigt dabei das Vorherrschen der körperlichen Spitzenleistung (die natürlich auf mentalem Training und bewundernswertem jahrelangem Durchbeissen beruht).

Höher, weiter, schneller: ich bin davon fasziniert, ich geb’s zu. Aber Leben ist mehr. Und schmerzlich anders. Wir himmeln die besten Athleten an, während immer mehr Übergewichtige mit Treppensteigen Mühe haben. Und weil nur die Besten im Sport Ruhm gewinnen, greifen manche zum Doping. Spitzensport ist ganz und gar nicht heile Welt.

Der Apostel Paulus hat im Brief an seinen Mitarbeiter Timotheus dem Körperkult, mit dem der Spitzensport oft verbunden ist, eine Absage erteilt. Er schrieb Sätze, die uns, so ernüchternd sie auch sind, zu denken geben sollten: „Sich in körperlichen Entbehrungen zu üben bringt nur wenig Nutzen. Aber sich im Gehorsam gegen Gott zu üben ist für alles gut; denn es bringt Gottes Segen für dieses und für das zukünftige Leben“ (1. Timotheus 4,8).

Der Sport beeinflusst unsere Ideale. Behalten wir es im Auge: Wir sind mehr als unser Körper, und sein Training allein bringt uns nicht ans Ziel. Unsere Seele, unser Geist verlangen nach anderer Erfüllung.

Datum: 23.08.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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