Leben auf allen Zylindern

Wie Stefan Pfister das Ziel im Auge behält

Stefan Pfister, Pfarrer der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) in Davos, engagiert sich im Taekwondo-Verein Davos. Was treibt den Geistlichen zum Kampfsport? Er erzählt:
Stefan Pfister
Stefan Pfister an der Taekwondo-WM in Marina di Carrara IT 2012
Taekwondo-Verein Davos mit Stefan Pfister (2. v. l.)

Eineinhalb Stunden Training liegen hinter mir: Kraftübungen, Dehnungsübungen, Geschwindigkeitsverbesserungen, Verteidungssituationen. Wenn ich dann nach rund einer Stunde müde und verschwitzt bin, kommt noch das Kampftraining. Dabei habe ich mir einen schönen Haken eingefangen: Mein Gegner hat richtig gezielt und ich die falsche Bewegung gemacht, so dass der Schlag etwas stärker ausgefallen ist, als er hätte sollen. Seit wir in Davos wohnen, besuche ich wöchentlich das Taekwondo-Training. Auch wenn ich als Pazifist das Kampftraining nicht so liebe, finde ich es doch hilfreich für vieles in meinem Leben.

Lange Jahre ungenutzt

Während meiner Studienzeit am Theologischen Seminar in Reutlingen hatte ich während zwei Jahren bei meinem koreanischen Mitstudenten Taekwondo gelernt. Nach meinem Studium hatte ich nie mehr die Möglichkeit dazu. Mein Anzug war dennoch die ganzen 18 Jahre immer mitgezügelt worden. Man weiss ja nie...

Als wir im Sommer 2011 nach Davos kamen, sah ich bei einer Veranstaltung einen Taekwondo-Stand. Flyer für Gratis-Probetrainings lagen auf. Ich nahm einen mit. Bei der ersten Gelegenheit besuchte ich dieses Probetraining. Seither bin ich aktives Mitglied in diesem Verein.

Neu ausgerichtet

In den davor liegenden Jahren habe ich mich ausschliesslich auf die Gemeinde- und Kirchenarbeit konzentriert. Ich kannte kaum Menschen, die nicht eine (Frei-)Kirche besuchten. Bei der Versetzung nach Davos wusste ich: An meinem Lebenskonzept muss sich etwas ändern. Dass es dann so schnell und so klar geschehen würde, hätte ich jedoch nie gedacht.

Unterdessen verstehe ich Paulus ganz neu: Er vergleicht in 1. Korinther 9, 24-27 sein Leben mit einem Sporttraining. Wer gut sein will, muss auf einiges verzichten und sich diesem Training widmen. Wenn man gewinnen will, ist viel gefordert. Ich bin ja schliesslich nicht der einzige, der dieses Ziel verfolgt.

Fokussiert handeln

Das Kampftraining tut mir gut. Mein erster Ernstkampf an der WM in Italien wird mir in Erinnerung bleiben: Innerhalb von Sekunden war ich nur noch auf den Gegner fokussiert, versuchte herauszufinden, was er macht - um mich richtig verteidigen und im richtigen Moment zuschlagen zu können. Auch wenn ich nie ein guter Kämpfer werde (u.a. vom Alter her), hilft mir die Erfahrung in meinem Leben: Fokussiert sein, mich auf den Moment konzentrieren, beobachten, fühlen, fokussiert handeln. Auch geistlich ist dies zwischendrin ganz hilfreich (siehe Epheser 6).

Seelsorge im Pub

Am meisten begeistert es mich, so viele Freunde und Kollegen zu haben, die nicht zu einer Kirche gehören. Da bin ich mitten in dieser Horde Taekwondo-Kämpfer ... als Pfarrer. Wie viele Gespräche ergaben sich schon! Seit zweieinhalb Jahren führe ich Gespräche in Pubs und Bars, nicht mehr in meinem Büro oder in den Räumlichkeiten der Kirche. Dabei habe ich von mancher Not erfahren.

Letzthin habe ich eine Kollegin gefragt, ob ich für sie beten dürfte. Sie hat seit drei Monaten Schmerzen im Hüftgelenk nach einer blöden Bewegung beim Taekwondo. Schon vieles hat sie probiert. Sie ist «religiös» für einiges offen. Ich habe ihr erklärt, was ich glaube. Am Ende dieses Gesprächs durfte ich dann für sie und die Heilung ihres Hüftgelenkes beten.

Gemeinsam beten

Ende Januar hat mir ein Taekwondo-Kollege eine Mail mit einem Bild geschickt. Auf dem Bild war ein Haus. Oben am Dach war in grosser Leuchtschrift zu lesen: «Gott sucht dich.» Sein kurzer Kommentar: «Das sehe ich, wenn ich aus dem Hotelfenster schaue.» Ich habe das am darauffolgenden Sonntag in der Predigt erzählt und dazu gesagt: «Was wird wohl geschehen, wenn dieser Taekwondo-Kämpfer ein Nachfolger Christi wird? Ich bete dafür, ich bleibe dran in den Gesprächen mit ihm. Ich bin dankbar, wenn ihr mitbetet.» Nach der Predigt kam eine Frau der Gemeinde auf mich zu und erzählte: «Mir wurde heute wieder bewusst, dass ich ja die Eltern der Partnerin deines Kollegen von früher kenne. Ich will wieder ganz bewusst mit dir für sie beten.»

Fokussiert bleiben

Seit ich so viele Freunde und Kollegen ausserhalb von Kirchenmauern habe und es regelmässig Gespräche über Glaube und Bibel gibt, bin ich selber viel intensiver mit Christus unterwegs. Ich will – um es mit Paulus zu sagen – «nicht anderen predigen und selbst verwerflich werden» (1. Korinther 9,27). Ich will so leben, dass Christus durch mein Leben hindurch leuchten kann. Ich will so reden, dass es einfach, verständlich, nachvollziehbar und doch biblisch fundiert ist. Ich will beziehungs- und christusorientiert sein und nicht gesetzlich.

Seit zweieinhalb Jahren bin ich in diesem Bereich wieder ganz neu in der Schule! Es ist herausfordernd - und doch so befreiend. Mein Leben funktioniert wieder auf allen Zylindern. Dafür bin ich Gott dankbar. Auch wenn ich weiss: Selbst wenn ich allen alles werde, werden schlussendlich nur einige gerettet (1. Korinther 9,23). Doch gerade darum bleibe ich fokussiert an dem Platz, an den Christus mich gestellt hat! Denn ich wünsche mir von Herzen, dass mit mir noch ganz viele «einen unvergänglichen Kranz» empfangen werden.

Zum Autor

Stefan Pfister (*1968) ist seit Sommer 2011 Pfarrer in der EMK Davos, daneben im Auftrag von Connexio, dem Hilfswerk der EMK, in Kambodscha tätig. Engagiert im Taekwondo-Verein Davos. Seit über 20 Jahren mit Elisabeth verheiratet.

Datum: 14.03.2014
Autor: Stefan Pfister
Quelle: Livenet / Kirche und Welt

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