Fettsteuer gegen Übergewicht?

Fatboys
Fetthaltige Nahrung – oder lieber gesundes Essen?
Mehr „unvernünftige Ernährung“: Heiner Studer.
Bigger, please: Fastfood-Werbung in den USA

Man stirbt wieder früher – bis zum Jahr 2050 satte fünf Jahre! Nach einer englischen Studie liegt das an der Fettleibigkeit und deren Folgeerkrankungen. In der Schweiz hat EVP-Nationalrat Heiner Studer den Bundesrat aufgefordert, eine Steuer für besonders ungesunde, fetthaltige Nahrungsmittel zu prüfen.

Livenet: Heiner Studer, Sie sind Präsident von «Brot für alle» - und gerade Sie wollen Lebensmittel besteuern?
Heiner Studer: Es geht ja nicht um Grundnahrungsmittel; die dürfte man nicht besteuern. Sondern es geht darum, dass gesundheitsschädliche Lebensmittel nicht dominieren.

In England soll sich bis zum Jahr 2050 die Lebenserwartung erstmals wieder verkürzen, und zwar um satte fünf Jahre. Schuld daran sollen auch die Fettleibigkeit und ihre Folgeerkrankungen sein.
Bei solchen Erkenntnissen aus anderen westlichen Ländern müssen wir uns tatsächlich ernsthaft überlegen, was sie für unser eigenes Land und seine Gesetzgebung bedeuten. Ich meine, dass wir eingreifen müssen.

Immerhin prüft ja der Bundesrat Warnhinweise, weil ihm die Fettleibigkeit Sorge macht. Das ist die Gelegenheit für Ihre Steuer.
Also, der Bundesrat macht nichts. Er hat nur die Bereitschaft erklärt, weil ihn ein Vorstoss von Ruth Humbel dazu auffordert. Ich halte es für unabdingbar, dass die Lebensmittel besser angeschrieben werden. Viele halten dieses oder jenes Lebensmittel für wenig schädlich. Dabei ist es in Wahrheit umgekehrt. Eine saubere, gute Anschreibepflicht ist wichtig.

Worauf gäbe es denn alles eine Steuer – zum Beispiel bei 20 oder mehr Prozent Fett in einem Lebensmittel?
Das ist nicht meine Sache, sondern Sache des Bundes, eine solche Steuer zu prüfen. Mein Vorstoss war ja, dass der Bund prüfen soll, ob im Sinne einer Lenkungsabgabe eine solche Steuer eingeführt werden soll. Noch besser wäre es aber, schädliche Produkte überhaupt zu eliminieren. Dann bräuchte es keine derartige Steuer. Ich möchte lieber präventiv arbeiten. Die Steuer selber ist mir nicht das Hauptanliegen, sondern nur eine Notlösung, wenn das andere nicht funktioniert.

Sieht es zur Zeit so aus, dass sie vermieden werden kann?
Das Interesse am Thema nimmt zu. Auf meinen Vorstoss hin haben sich viele gemeldet, die sich mit diesen Fragen bereits auseinandersetzen. Aber der politische Druck ist noch nicht stark genug. Ich hoffe, dass er durch solche Vorstösse weiter zunimmt. Es muss etwas laufen.

Läuft tatsächlich etwas? Wird dieser Druck aufgebaut?
Indem vorhandene Vorstösse auch überwiesen werden. Und durch Kontakte mit dem Bundesamt fürs Gesundheitswesen, das diesen Fragen durchaus wohlwollend gegenübersteht. Das habe ich immer gemerkt. Aber es wird politisch von der Departementführung zurückgehalten. Das Bundesamt braucht mehr Unterstützung, um diese Anliegen weiterzuführen.

Wie dringend ist das Ganze? Vor zehn Jahren waren 30 Prozent der Erwachsenen übergewichtig; heute sind es ist 37 Prozent. Nehmen die Leute von sich aus auch wieder ab?
Unsere Gesellschaft basiert ein Stück weit auf Überfluss. Ungesundes wird immer auch da sein. Aber wir können die negativen Auswirkungen reduzieren. Da kann ich nicht von Prozenten reden, sondern von einer Richtung, die eingeschlagen werden müsste. Zur Zeit ist es einfach so, dass die unvernünftige Ernährung zugenommen hat. Darum müssen wir die unterschiedlichsten Massnahmen prüfen, um Gegensteuer zu geben.

Machen Sie sich damit auch unbeliebt, zum Beispiel bei Firmen, die ihre ungesunden Produkte verkaufen wollen?
Nein, so plump geht das nicht. Doch es gibt Leute aus dem Unternehmerbereich, die mich auch schon angesprochen haben und mit ihren Argumenten kommen. Aber ich erlebe nichts, das in Richtung Druck geht. Damit wäre bei mir auch wenig auszurichten. Ich bräuchte schon Argumente.

Denken Sie, dass sich Ihr Anliegen weiterentwickeln wird?
Ja, denn in den verschiedensten Parteien sind Leute, die die gleiche Stossrichtung vertreten. Und da sind Gespräch und Zusammenarbeit wichtig. Wie bei allem in der Politik braucht man einen langen Atem.

Wie lange muss der sein?
Das ist schwer zu sagen. Es hat schon Bereiche gegeben, da hatte ich eine Idee und dachte, dass dies lange geht; und plötzlich ging es rasch. Und bei anderem dachte ich, das muss doch allen klar sein. Aber da hat es nicht funktioniert. Ich engagierte mich für Massnahmen gegen Kampfhunde. Der Vorstoss gab ein Signal. Direkt passiert ist aber nichts. Aber dann punktuell.

Bei den Gen-Gesetzen beispielsweise wurden Zuchtbestimmungen eingeführt. Auch im Tierschutzgesetz läuft wieder ein Schritt in diese Richtung. Ich habe gelernt, dass man ein Gesamtziel anstreben muss – und dann «nid lugg lo» (Schweizerdeutsch für «nicht locker lassen; dranbleiben»).

Um Obst und Gemüse teuer zu halten, wurden gemäss Sonntagszeitung in der EU bis vor kurzem 85 Prozent der Obst- und Gemüseproduktion vernichtet. Wollen Sie auch da einen Kontrapunkt setzen und für billige gesunde Nahrungsmittel sorgen?
Mit dieser Frage der EU habe ich mich nicht beschäftigt. Ich glaube nicht, dass es in unserem Land populär ist, im grossen Stil Nahrungsmittel zu vernichten. Das gibt Gegenbewegungen. Was in der EU geschieht, müssen wir uns anschauen, aber nicht alles gleich übernehmen wollen.

Der Vorstoss für staatliche Massnahmen gegen Übergewicht:
www.heinerstuder.ch/politisches/vorstoesse.php

Datum: 13.06.2005
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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