Von Leidenden lernen

Wenn Christen an einer Wegkreuzung stehen

Seit Jahrzehnten steht Daniel Müller in Kontakt mit verfolgten und leidenden Christen. Sie haben ihn gelehrt, dass es zwei Wege durch eine Krisenzeit gibt. Entweder den Weg der Kontrolle und Absicherung oder den Weg der freudigen Abhängigkeit von Gott.
Daniel Müller (Bild: zVg)

Seit einem Autounfall in seinen Jugendjahren leidet Daniel Müller (55) unter Schmerzen. Später widmete er sich als Theologe den Leidenden und schrieb seine Promotionsarbeit zum Thema «Leiden und Jüngerschaft». Er begegnete vielen Menschen in Unsicherheit und Leid. Seit Jahrzehnten steht er ausserdem in Kontakt mit verfolgten Christen, deren Geschichten sein Leben geprägt haben. Heute arbeitet Daniel als Projektleiter beim international tätigen Hilfswerk «HMK Hilfe für Mensch und Kirche» (Sitz in Thun BE).

Angekommen in einer Krisensituation

Die Coronakrise hat die meisten Menschen richtiggehend überrollt. Medienmeldungen können verwirren oder sogar beängstigen. Existenzangst oder Zukunftssorgen können belasten. «Wie gehe ich mit Angst, Verzweiflung, Zorn, Trauer und Hilflosigkeit um, die wie ein Geierschwarm in meinen Gedanken Kreise ziehen?», fragt Daniel. Durch seine bisherigen Erfahrungen kennt er zwei Wege, die hier normalerweise beschritten werden: Entweder der Weg der Kontrolle und Absicherung oder aber der Weg der freudigen Abhängigkeit.

Der Weg der Kontrolle und Absicherung

«Dieser erste Weg ist mir gut vertraut und repräsentiert meine natürliche Neigung», erzählt Daniel. «Wenn etwas mein Sicherheitsgefühl bedroht, suche ich nach mehr Informationen, um die Situation oder Bedrohung zu verstehen. Es nervt mich, wenn ich nicht genügend Informationen erhalte und ich den Eindruck habe, andere halten mich hin mit Informationen, die sie haben. Mein Ziel ist dann, genau zu verstehen, um entsprechend planen und die Situation in den Griff kriegen zu können. Ich fühle mich hingezogen zu Lösungen, die versprechen, wie ich die Kontrolle über meine finanzielle Zukunft, Berufsaussichten und Gesundheit gewinnen kann.»

Aus eigener Erfahrung weiss Daniel nur allzu gut: Der natürliche Mensch sucht seine Sicherheit im Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. In Krisensituationen wird dieses Gefühl aber immer wieder erschüttert, was zu erneutem Stress führt. Deshalb ermutigt Daniel, den zweiten Weg zu gehen.

Der Weg der freudigen Abhängigkeit

«Der zweite Weg wird mir immer wieder von verfolgten Christen vorgelebt. Not, Leid und Verfolgung gehören zu ihrem Alltag und sie versuchen erst gar nicht, sich ihre Zukunft abzusichern. Stattdessen übergeben sie sich der Fürsorge Gottes. Sie vertrauen darauf, dass Gott sie liebt und an ihrer Seite ist. Sie leben in einer freudigen Abhängigkeit von ihm.» Ein lohnender Weg, dessen ist sich Daniel gewiss. «Als Antwort auf ihre Abhängigkeit offenbart sich Gott ihnen inmitten ihrer schwierigen Umstände.»

Das ist der Weg des Glaubens. Ein Weg, den Christen in der westlichen Welt selten in letzter Konsequenz leben. Dieses Leben in absoluter Abhängigkeit an Gott gehört für uns selten zur normalen Glaubenspraxis.

Wegkreuzung: Welchen Weg wählen wir?

In den unterschiedlichen Herausforderungen der aktuellen Pandemie stehen viele Christen vor einer Weichenstellung. Welchen Weg wollen sie gehen? Halten sie am Weg der Kontrolle fest und versuchen sich mit «zuverlässigen» Informationen oder Krisenplänen das Gefühl der Sicherheit zu geben? Oder wagen sie es, dass absolute Abhängigkeit von Gott nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern tatsächlicher Lebensstil wird?

«Ich brauche die Gnade Gottes!», ist sich Daniel bewusst. «Ich bitte ihn, mir zu helfen, dass ich mein Vertrauen voll auf ihn abstütze und nicht auf meine Fähigkeit, den perfekten Plan auszuarbeiten. Ich bitte um Gnade, dass ich Einblicke in sein Wirken erhasche und wozu er mich einlädt mitzumachen. Anstatt ständige Unsicherheit erlebe ich so Freude, Mut und Zuversicht – und ich sehne mich nach noch mehr davon. Er ist mit mir und für mich. Ich bin nicht allein, egal was noch kommen mag.»

Zum Thema «Umgang mit Schmerzen» mit Daniel Müller:

Weitere Informationen zu HMK

Zum Thema:
Mit Leid leben: Ein Helfer in den schlimmsten Zeiten
Leid im Leben: Gott durch Schmerzen besser kennenlernen
Die Warum-Frage: Warum lässt Gott das Leid zu?

Datum: 16.04.2020
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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