«Unsere Tochter bestiehlt uns»
Ich kann es gut nachvollziehen, wenn Sie sagen, dass diese Lage Sie sehr belastet. Lassen Sie mich vorweg eine persönliche Erfahrung erzählen.
Heilsamer Schock
Als Teenager habe ich selbst gestohlen, zusammen mit ein paar Kollegen. Wir taten es aus Langeweile und weil wir einen Kick suchten. Wir kannten den Besitzer eines kleinen Spielwarenladens. Vor Geschäftsschluss entriegelte ein Kollege die Hintertür. Der Besitzer merkte es nicht. Abends schlichen wir uns ein und bedienten uns.
Tags darauf war eine Aufregung in seinem Geschäft. Es wurde nach Zeugen gesucht. Dann flog das Ganze auf und ich gestand auch die anderen Dinge, die wir getan hatten. Meinen Eltern musste ich sagen, dass ich auch zu Hause Geld genommen hatte. Sie haben darunter sehr gelitten. Der Schock war heilsam; mit dem Stehlen war Schluss.
Das Gespräch suchen
Sie vermuten, dass Ihre Tochter Ihnen inzwischen 1500 Franken geklaut hat. Daraus schliesse ich, dass bei Ihnen so viel Geld vorhanden ist, dass Ihre Tochter den ein oder anderen Wunsch erfüllt bekommt. Sie stiehlt also kaum, um von Zeit zu Zeit an gefällige Klamotten zu kommen.
Auch wenn Sie es sicher schon oft probiert haben, rate ich Ihnen dennoch: Suchen Sie das Gespräch mit Ihrer Tochter, und zwar in einem Umfeld, in dem beide Seiten sowohl sachlich als auch vertraulich miteinander reden können. Achten Sie darauf, dass die Emotionen dabei nicht zu stark werden.
Den Gründen auf der Spur
Welche Gründe für diese Diebstähle mag es geben? Sie sollten drei Dinge abklären:
1. Stielt Ihre Tochter krankhaft, leidet sie also an Kleptomanie?
2. Wird sie erpresst? Das geschieht auch unter Teenager-Mädchen.
3. Leidet Ihre Tochter an einer Sucht, die sie vielleicht mit Stehlen finanziert?
Ein Versuch
Sie können davon ausgehen, dass Ihre Tochter beim Stehlen Gewissensbisse hat. Daher könnten Sie - dies ein Vorschlag, der zugegebenermassen ungewöhnlich ist - ihr nochmals Gelegenheit zum Klauen geben, aber dabei ihre Gewissensbisse verstärken. Konkret: Legen Sie die Noten gefaltet ins Kuvert - und zu jedem einzelnen Schein eine Notiz für Ihre Tochter. Schreiben Sie ihr auf diese Zettel beispielsweise, dass Sie sie lieben (aber nicht so, dass Sie damit ihr Stehlen gleichsam entschuldigen). Auf diese Weise können Sie das Gewissen Ihrer Tochter wachrütteln.
Vielleicht kommen Sie jedoch eher zum Ziel, wenn Sie zu den Scheinen gut sichtbar ein paar Visitenkärtchen legen; Kärtchen zum Beispiel von einem Polizisten, der sich mit Jugendkriminalität auseinandersetzt, oder etwas ähnliches. Oder der Flyer einer Beratungsstelle? Es darf so wirken, als sei es bereits fünf vor zwölf.
Liebevolle Klarheit
Bedenken Sie dabei: Auch wenn Ihre Tochter nach aussen womöglich eine harte Nuss ist, könnte die sanfte Tour mit persönlichen Notizen mehr Erfolg versprechen. Sie soll begreifen, dass Sie trotz dem Vertrauensbruch nicht mit ihr brechen. Alles was Sie unternehmen, muss - wie oben bereits erwähnt - auf Gespräche hinführen.
Ihre Tochter wird es Ihnen einmal danken, dass Sie sich ernsthaft mit ihr auseinandergesetzt haben. Ob darin ein weiteres Motiv für ihr Tun zu sehen ist? Dass sie nämlich vor allem Ihre Aufmerksamkeit möchte? Sie selber kennen Ihre Tochter am besten. Und Gott. Der segne Ihre Familie!
* Die Bibel, Römer, Kapitel 12, Vers 20: «Wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.»
Weiterführende Links:
www.ratgeber.jesus.ch
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Fragen zur Erziehung
Datum: 24.09.2008
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch