Fach "Religion und Kultur": überholtes Unterrichtskonzept

Religionsunterricht

Im Kanton Zürich soll ein obligatorisches Oberstufenschulfach „Religion und Kultur“ eingerichtet werden. Das dazu gehörende Lehrmittel „Menschen leben in Religionen und Kulturen“ ist im letzten November erschienen. Es propagiert das interreligiöse Lernen und Kommunizieren. Dazu der Kommentar des Leiters des VBG*-Fachkreises „Pädagogik“.

Darf der Staat in der Schule eine obligatorische Religionskunde einführen, um das Verständnis zwischen Schülern verschiedener Religionen zu fördern? Ja, sagt die Zürcher Bildungsdirektion; dadurch werde die Glaubensfreiheit nicht verletzt. Schon in der Unterstufe der Primarschule sollen neben Jesus auch Buddha und Mohammed vorgestellt werden. Seit November 2006 liegt der Lehrplan vor.

Beim Durchsehen der Unterlagen für das neue Primarschul-Fach (vor allem den Lehrplan) fällt auf, dass von den Inhalten her eine recht klare Gewichtung auf der christlichen Religion liegt. Damit kommt die Bildungsdirektion den Forderungen der Volksinitiative für die Weiterführung des Fachs „Biblische Geschichte“ entgegen.

Überholter Ansatz

Auf das Kernanliegen der Kritiker, dass ein interreligiöser Unterricht grundsätzlich aus mindestens zwei Gründen problematisch ist, wird aber nicht eingegangen. Je nach Anliegen, das hinter der Einführung des Faches steht, geht es darum, zu einem friedlichen Zusammenleben engagiert anzuleiten oder dann über religiöse Leitkulturen zu informieren. Hier besteht aber ein Dilemma: Entweder die Lehrkraft informiert sachlich über religiöse Positionen, so dass Ausgewogenheit und Neutralität im Vordergrund stehen, oder sie gestaltet den Unterricht erlebnisorientiert, involviert die Kinder und bringt ihnen religiöse Werthaltungen und Überzeugungen engagiert nahe.

Damit verletzt sie aber den Anspruch der konfessionellen Neutralität! Insofern liegt eigentlich nur ein Ansatz drin, der im Sinne der Religionskunde sachlich über die verschiedenen Positionen informiert und so Einstellungen in den Kindern anregt. Ein solches Modell der Werterziehung, das voraussetzt, dass Information zu handlungsrelevanten Überzeugungen und Werthaltungen führt, stammt aus den 60/70er-Jahren und ist heute eindeutig überholt!

Deshalb werde ich den Eindruck nicht los, dass ein solcher Unterricht eigentlich für alle religiös Engagierten und Interessierten wenig bringt und deshalb vor allem im Interesse der Areligiösen steht. Das Desinteresse der Gesellschaft gegenüber dem Christentum wird, gerade wenn die Dosis obligatorisch ist, so eher verstärkt.

Friedliches Zusammenleben fördern

Falls das friedliche Zusammenleben der religiös Engagierten im Vordergrund der Bemühungen steht, wäre ein anderes Vorgehen in meinen Augen geeigneter, da es Grundsätze der Werterziehung besser aufnimmt. Wert-Identität – und das betrifft auch die religiöse Identität – entsteht in erster Linie durch Identifikation. Im ersten Schritt des Identitätsaufbaus geht es immer darum, durch Vorbilder erlebte Überzeugungen und Werthaltungen zu erfahren und selbst auszuprobieren.

Erst nach dem Aufbau einer gefestigten Identität ist es sinnvoll und möglich, auch eine kritische und eigentlich meist schmerzhafte) Auseinandersetzung einzuleiten, die dann zu einer differenzierteren Positionierung führen kann. Falls ein Kind aber gleich zu Beginn mit kontroversen Überzeugungen konfrontiert wird, wie dies im Lehrplan vorgesehen ist, wird der Aufbau einer religiösen Identität grundlegend gestört und Religion in der Bedeutung relativiert.

Friedenspotential der Religionen selbst fördern

Um das friedliche Zusammenleben zu fördern, wäre es sinnvoller, die Gruppe in Pflicht zu nehmen, die für die Wertorientierung der Kinder primär ausschlaggebend ist. Das würde bedeuten, dass das Ziel eines friedlichen Zusammenlebens für religiös orientierte Kinder durch ihre Religionsgemeinschaft selbst erklärt und in der Bedeutung erlebbar wird.

Es wäre ein sehr spannender Ansatz, wenn jede Religionsgemeinschaft ihren Kindern vermitteln müsste, weshalb ein friedliches Zusammenleben mit Andersglaubenden von zentraler Bedeutung ist. Ob die Schule hierzu einen passenden Rahmen bieten kann, müsste abgeklärt werden, der Kanton Luzern hat hierzu erste Erfahrungen gesammelt. Bei Kindern, die keine religiöse Verwurzelung haben, muss ein anderer Wurzelgrund gesucht werden, um die Bedeutung eines friedlichen Zusammenlebens aufzubauen.

Verzicht statt Vermischung?

Das Fach „Religion und Kultur“ unterstützt in der aktuellen Konzeption die religiöse Identitätsfindung der Kinder nicht, sondern verwirrt sie eher. Ebenso wenig vermittelt es eine Wertschätzung der Religionen gemäss ihrem eigenen Selbstverständnis. Von daher ist zu überlegen, ob der Verzicht auf Religion in der Schule und ein engagiertes Angebot der Religionsgemeinschaften und christlichen Schulen nicht mehr bringt als die hier geplante obligatorische Sachinformation über Religion schon auf dieser Stufe.

*Vereinigte Bibelgruppen

Autor: Daniel Kummer/Fachkreis Pädagogik

Datum: 28.04.2007
Quelle: Bausteine/VBG

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