Agape

Nordkoreas geschasste Helfer hoffen

Nach zehn Jahren kam der Rauswurf: Ende 2005 wies Nordkorea ‚Agape international’ und alle anderen Hilfsorganisationen aus. Doch Projektleiter Stefan Burckhardt hat Grund zur Hoffnung, dass die Schweizer Helfer anknüpfen können. Irgendwie.
Austausch: Der Schweizer Agronom Daniel Gerster im Gespräch mit Einheimischen
Karges Hügelland: Hirtin mit Ziegen
Milch produziert und haltbar gemacht: nordkoreanischer Geissenkäse
Hofft weiter: Projektleiter Stefan Burckhardt

Agape international, ein Zweig der Schulungs- und Missionsorganisation Campus für Christus Schweiz, war im Herbst 1995 nach katastrophalen Überschwemmungen mit 400 Tonnen Reis in Nordkorea eingestiegen. In der Folge betrieb das Hilfswerk, um Nachhaltigkeit bemüht, Ziegenzucht, Futterbau, Milch- und Häuteverarbeitung in entlegenen Landesteilen. Die Landwirtschaft sollte dem verbreiteten Hunger abhelfen. Wegen des hügeligen Geländes sind bloss 15 Prozent der Fläche landwirtschaftlich nutzbar.

Starke Anstösse für angepasste Landwirtschaft

In einem Jahrzehnt entstanden 12 Musterbetriebe in sechs der zwölf Provinzen. Der Geissenbestand wuchs von 0,7 auf 2,7 Millionen Tiere. Im Landwirtschaftsministerium erarbeiteten sich die Schweizer viel Goodwill. Fast 100 (!) Nordkoreaner konnten in der Schweiz mehrmonatige Praktika durchlaufen. 2003 besuchte Bundesrätin Calmy-Rey die von der Eidgenossenschaft mitgeförderten Käsereien im abgeschotteten ostasiatischen Land.

Helfer im Land nicht mehr erwünscht

Doch keinem Land gefällt es, unaufhörlich Hilfe zu benötigen. Ende 2005 unterstrich das undurchsichtige Regime die Selbstgenügsamkeit Nordkoreas, welche im Zentrum seiner Dschudsche-Staatsideologie steht, mit der Ausweisung der ausländischen Hilfsorganisationen, die Büros im Land hatten. Agape international war auch davon betroffen; die Verantwortlichen brachten dies mit dem Ja der neutralen Schweiz zum UN-Protest gegen nordkoreanische Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang. Im Februar 2006 schloss das Hilfswerk das Büro in der Hauptstadt Pjöngjang.

Positives Signal des Botschafters

Dann setzte Nordkoreas Botschafter in der Schweiz ein positives Signal, indem er selbst das Hilfswerk in Zürich besuchte und Vorschläge für die weitere Zusammenarbeit unterbreitete. Denn die Hilfe abzuwürgen hatte das Regime (oder mindestens seine klardenkenden Funktionäre) nicht beabsichtigt; die Fachleute sollten temporär einreisen. „Aber wir können praktische Arbeit – wie die Käser-Ausbildung – nicht aus 20'000 km Distanz durchführen“, sagt Stefan Burckhardt. Agape verhandelt seither mit der Botschaft über eine Fortführung der Projektarbeit – „wir wollen herausfinden, was möglich ist, und die Rahmenbedingungen dafür formulieren“.

Offenheit

Hanspeter Nüesch, der Leiter von Campus für Christus, zu dem Agape international gehört, betonte im Dezember 2005 vor der Presse, die Schweizer hätten „von Anfang an mit offenen Karten gespielt“ und sich als gläubige Christen zu erkennen gegeben. Sie hätten sich nicht vor den allgegenwärtigen Statuen des Staatsgründers Kim Il Sung verbeugt. Manche Helfer konnten länger als sonst erlaubt an den Projektorten verweilen und in (überwachten) näheren Kontakt zu den Einheimischen treten. „Uns war wichtig, auf praktische Weise zu zeigen, dass die Liebe Gottes Hände und Füsse hat und allen Menschen gilt.“

Für Diplomaten: Dritte Kirche in der Millionenstadt

Die nordkoreanischen Partner hätten die Offenheit der Schweizer geschätzt, sagte Nüesch. Wie die Einweihung einer russisch-orthodoxen Kirche in Pjöngjang am Sonntag zeigt, ist bei Freundlichkeiten des Regimes auch Kalkül dabei. Der „Geliebte Führer“ Kim Jong Il, der bei seiner Russlandreise im gepanzerten Sonderzug 2002 eine orthodoxe Kirche besucht hatte, lobte den Bau mit den Zwiebeltürmen (erst die dritte Kirche in der Millionenstadt) als «Brücke der Freundschaft zwischen dem russischen und dem koreanischen Volk»…

Warten und verhandeln

Auch wenn sich Kim Jong Il nicht am Fuss von Eiger, Mönch und Jungfrau blicken lassen sollte: Die Vertrauensbasis lässt Stefan Burckhardt auf eine neue Chance hoffen. Die Hilfswerke aus EU-Ländern hätten sich unter den EU-Schirm begeben, um weiter arbeiten zu können; das kam für Agape international nicht in Frage.

Dabei herrscht in Nordkorea (22 Millionen Einwohner) weiterhin Mangel. Die Rede ist von einem jährlichen Nahrungshilfebedarf von einer Million Tonnen. Die Nachbarn China und Südkorea liefern den Grossteil, ohne das unberechenbare, mit Mittelstreckenraketen spielende und mit Nukleartechnologie drohende Regime domestizieren zu können. Zu dritt wartet das Team in Zürich auf einen Durchbruch. Das griechische Wort „Agape“ bedeutet zu lieben, wo keine Lorbeeren zu holen sind, und dranzubleiben…

Datum: 17.08.2006
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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