Pastor unter Gangmitgliedern

«Sie sind die besten theologischen Gesprächspartner»

Es gibt viele Gefängnisseelsorger auf dieser Welt, doch nur wenige ziehen es vor, mit den Gefangenen in der Bibel zu lesen, anstatt in ihrer eigenen Gemeinde zu sein. Aber genau so ist es im Fall von Chris Hoke. Und seine Arbeit trägt Früchte: Gangmitglieder wie Jose «Neaners» Garcia haben ihr Leben um 180 Grad geändert – und sind nun ein Vorbild für andere.
Chris Hoke (l.), Neaners (Mitte) mit seiner Verlobten und seiner Tochter

«Ich liebe es, ins Gefängnis zu gehen», erklärt Chris Hoke. «Es ist, als ob ich dort wirklich Gottes Freude spüren kann.» Der Pastor aus dem US-Staat Washington ist in der Kirche aufgewachsen und war lange Zeit Lobpreisleiter, aber es fehlte ihm immer etwas. «Ich wollte Jesus finden, ihn berühren und nicht einfach nur Lieder über ihn singen.»

Nun ist er schon seit zehn Jahren Gefängnispastor unter gewalttätigen Gangmitgliedern. Ihre Authentizität beeindruckte ihn von Anfang an. «Sie haben sehr schnell kapiert, was Jesus getan hat. Und ich mochte sie. Sie sind zu meinen besten theologischen Gesprächspartnern geworden. Sie geben einem nie die altbekannten, dummen Kirchenantworten und ihre Sprache ist total vulgär, aber sehr ehrlich.»

Mit 8 Jahren in die Gang

In der Umgebung von Skagit Valley gibt es viele gewalttätige Gangs, wodurch die Kriminalitätsrate sehr hoch ist. Viele Migranten, die als Saison-Arbeiter hergekommen sind, bleiben in der Gegend und werden von der Gesellschaft ausgegrenzt. Inmitten des Rassismus haben es ihre Kinder sehr schwer, sich einzuleben und viele von ihnen landen in einer Gang.

So auch Jose «Neaners» Garcia. «Neaners» bedeutet im Bandenslang Baby. Schon mit 8 Jahren wurde er ein Gangmitglied. Er wurde immer krimineller, kam für kurze Zeit ins Gefängnis und wurde nach seiner Freilassung sofort wieder rückfällig. 20 der nächsten 25 Jahre verbrachte er hinter Gittern. «Ich fühlte nichts, mir war alles egal», erzählt Neaners. «Wenn ich rauskam, ging ich sofort wieder los und machte weiter. Jeder sagte: Dieser Junge hat kein Herz!»

Als Chris Hoke den «herzlosen» jungen Mann kennenlernte, jagte ihm seine Härte keine Angst ein. «Ich liebte diese Typen einfach. Es war wie ein Abenteuer. Wir beteten und dann schütteten sie mir ihr Herz aus. Und es entstand eine Art von Freundschaft, die ich immer gesucht hatte.»

Neue Hoffnung für Neaners

Die Freundschaft zwischen Hoke und Neaners wuchs immer weiter. Sie begannen, sich gegenseitig Briefe zu schreiben – und der Gefängnispastor lernte einen ganz anderen Mann kennen, nicht den Ganganführer, sondern einen Jungen mit einem zerbrochenen Herz, das sich nach Liebe sehnt. Chris Hoke erinnert sich: «Als sein Herz sich zu verändern begann und unsere Freundschaft tiefer wurde, bekam er wieder neue Hoffnung. Und er sagte mir: 'Ich würde gerne meine kleine Tochter sehen. Könntest du mir dabei helfen, einen Besuch zu organisieren?'» Nach einigen Monaten holte der Pastor die vier Autostunden entfernt lebende Adelita ab und brachte sie zu ihrem Vater. Diese Aufopferung und die Liebe, die der Pastor Neaners entgegenbrachte, berührten den Ganganführer – und er weinte zum ersten Mal seit 15 Jahren.

Drei Jahre später kam Neaners wieder aus dem Gefängnis – und er hofft, dass es diesmal wirklich das letzte Mal ist. Er wird bald heiraten und helfen, seine zwei Töchter aufzuziehen. «Ich bin nie für diese Mädchen da gewesen. Sie brauchen mich. Auch ich hatte nie einen Vater und jetzt werde ich das sein, was ich mir immer gewünscht hätte. Ich dachte immer, ich würde mein Leben lang Gangmitglied sein, aktiv oder hinter Gittern. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so gut sein würde...»

Ein grosses Zeichen für die Gangs

In den letzten Jahren ist die Gang-Aktivität in Skagit Valley wieder zurückgegangen. Die Polizei freut sich besonders, wenn Führer und Vorbilder wie Neaners ihr Leben verändern. «Wenn jemand, der in der Gang-Hierarchie weit oben ist, die Entscheidung trifft, die Gang zu verlassen, dann ist das ein grosses Zeichen für die Gang-Subkultur», erklärt Lt.Chris Cammock der Polizei von Mount Vernon gegenüber CBN News.

Und auch Neaners ist sich bewusst, dass er eine Vorbildfunktion innehat. «Manchmal ist es schwierig, andere dazu zu bringen, an Gott zu glauben. Aber sie sehen: 'Hey, der Typ macht das auch. Ich will das haben, was er hat.' Und so versuche ich, ihnen mit meinem Leben ein wenig Hoffnung zu geben.»

Zur Webseite:
Homepage von Chris Hoke

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Datum: 29.06.2015
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / CBN

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