Glen und seine Queen

80 Jahre und kein bisschen leise

Er sprüht vor Lebensfreude, macht Witze, erzählt aus seinem Leben – und lächelt seiner Frischangetrauten zu: Glen King erlebt mit 80 einen zweiten Frühling. Der Witwer hat im Mai geheiratet und zeigt seiner Dorris die Schweiz. Glens Motto: Er liebt Jesus und weiss nichts Besseres, als ihn mit Liedern zu loben.
Honigmond: Glen und Dorris
Der Kirche und ihrer Tradition verbunden: die Kings mit einer Begleiterin vor der Täuferhöhle im Zürcher Oberland
Liebe am Abend des Lebens – Tag für Tag im Vertrauen auf Jesus
In jeder Kirche würde Glen gern ein ermutigendes Grusswort weitergeben.
Zurück ins Land der Hurricanes: Die Kings am Flughafen

Glen King kommt aus dem Sunshine State Florida, doch hat er Schweres hinter sich: Seine erste Frau erkrankte an Alzheimer. Margaret weilte sechs Jahre im Heim. Glen hat sie wöchentlich dreimal besucht; ein Gegenüber war sie ihm nicht mehr. Als sie Anfang 2003 starb, reifte der Wunsch nach einer neuen Beziehung.

Dorris, 75, Witwe seit zwölf Jahren, lebte im Norden der USA. Gemeinsame Verwandte im Milieu der US-Mennoniten mit ihren unendlich verästelten Grossfamilien brachten die Beiden in Kontakt. Im Gegensatz zu anderen Paaren im Rentnerparadies wussten sie, dass sie nicht ohne Trauschein zusammen leben wollten.

Trauung zweimal verschoben

Die Hochzeit war auf den 3. Januar 2004 angesetzt. Doch das ging Glens Kindern zu rasch. Die Tochter sträubte sich dagegen. „Ich verstand das“, sagt der Vater heute. Zweimal verschob er die Trauung, was der Braut sehr schwer fiel. So war am 15. Mai höchste Zeit für die Feier im Haus des Pastors, in der Glen King seine Dorris zur ‚Queen’ erhob, wie er strahlend erzählt.

Der Honeymoon bestand aus Besuchen, bis hinauf an die kanadische Grenze, bei jenen Kindern und Verwandten, die aus dem Anlass nicht nach Florida hatten reisen mögen. 6500 Kilometer, die den Frischvermählten nicht lang vorkamen. Ende August folgte nun die zweite, noch grössere Reise: Glen zeigt seiner Dorris die Schweiz, die er vor 30 Jahren bereits mit Margaret besucht hatte.

Sie hat zum erstenmal den Ozean überflogen – und die schönsten Wochen im Schweizer Spätsommer getroffen. „Wir haben euch das Prachtwetter gebracht!“ witzelt Glen. In zwölf Tagen erlebten die beiden mit dem Touristen-Generalabo Bern und den Genfersee, Luzern, den Vierwaldstättersee und Pilatus, Zermatt und den Gornergrat, Zürich und St. Moritz. Ebenfalls in Erinnerung bleiben wird den aktiven Mennoniten die Wanderung zur Täuferhöhle oberhalb Wappenswil im Zürcher Oberland, wo einst verfolgte Täufer Unterschlupf fanden.

Achtsam

Dorris betreut heute Betagte. Dies ist für die pensionierte Lehrerin mehr als ein Job – eine Berufung: „Wir haben der nächsten Generation zu zeigen, wie sie Menschen umsorgen soll.“ Es fällt auf, wie achtsam die beiden miteinander umgehen, einander Raum für die Eigenarten geben und zugleich ergänzen. Im Gespräch hört Glen nicht auf, Fragen zu stellen. Ihn interessieren der Gotthard-Basistunnel wie auch die Schweizer Geschichte und das Leben in der reformierten Kirche…

Glens lebensfroher, vitaler Glaube hat seinen Charakter geprägt. Immerhin achtzehn Jahre war der schmächtige, heute leicht gebückt gehende Mann als Bauführer tätig. „Nie gingen mein Boss und ich im Streit auseinander. Er pflegte zu sagen: ‚Ich bin sicher, dass ich Recht habe – meine ich jedenfalls’. Und dieser Nachsatz ermöglichte mir regelmässig, ihn vom Gegenteil zu überzeugen!“

Am Ende eines langen Tages hat Glen Witze auf Lager, natürlich mit biblischem Hintergrund. Mondschein-Schnaps heissen in den USA illegal gebrannte Wasser. Joshua, ein Schwarzer, kommt wegen solcher Umtriebe im Bibelgürtel vor Gericht. Der Vorsitzende spielt in der Befragung auf die Geschichte aus dem Josuabuch an, in der der Führer der Israeliten Gott bittet, den Tag zu verlängern. „Sind Sie der Joshua, der die Sonne still stehen liess?“ – „Nein, Herr Richter, ich habe den Mond zum Scheinen gebracht!“

Schweres bleibt nicht aus

Glen erzählt beiläufig, dass Dorris in diesem Jahr ein golfballgrosser Tumor entfernt wurde. Er selbst wollte den Grauen Star an beiden Augen operieren lassen. Doch statt den Eingriff vorzunehmen, rief der Arzt die Notfall-Ambulanz: „Ich operiere Sie nicht, denn Sie könnten unter meinen Händen sterben“ – Glens Puls lag unter 40. Zuerst musste ihm ein Herzschrittmacher eingesetzt werden. So gewinnt das Lied für sie tiefen Sinn, in dem es heisst: „Ich weiss nicht, was morgen kommt, aber ich sorge mich nicht. Ich gehe mit Jesus, denn er weiss, was vor mir liegt. Vieles verstehe ich nicht… aber Jesus hält mich an der Hand.“

Mit nach Europa sind drei Mundharmonikas gekommen. Wie wir uns unterhalten, zieht Glen sie aus der Tasche. Und spielt mit Hingabe und Finesse ein Liebeslied für Jesus, das er am 15. Mai während der Trauung vortrug – in traditioneller und wie damals auch in jazziger Manier (mit einem Lächeln bittet ihn Dorris darum). Einen Song nach dem andern stimmen das Paar an. Glen schliesst die Augen und singt mit kräftiger Stimme, Dorris mit feinem Alt.

Es ist ihnen abzuspüren, dass nicht das Fernsehen, nicht Shoppen, Sonnenbaden und Spazieren im Rentnerparadies, sondern das Singen solcher Lieder ihre Tage erfüllt – und ihr Gemüt durchstrahlt. Lieder zur Ehre Gottes, Melodien der Anbetung und der Freude, Worte des Vertrauens zu Christus haben die Beiden, die in über 150 Lebensjahren von Wechselfällen nicht verschont blieben, jung erhalten.

Datum: 10.09.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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