Buch „Freundschaft unter Männern”

„Wir Männer reden nicht über uns, das ist uns zu langweilig!"

„Geben wir es ruhig zu: Wir sind als Männer nicht gerade Hel­den auf dem Gebiet ‚Beziehun­gen’.” Nüchterne Bestandsaufnahme von James Osterhaus in seinem Buch „Freundschaft unter Männern”. „Männer haben eher etwas Kämpferisches”, bestätigt auch Dr. Heinrich Christian Rust, Pastor im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden und ehemaliger Leiter der Männerbewegung „Promise Keepers Deutschland”. Erziehung, Erwartungen, Erfolgsdenken – all das macht Männern den Weg zu einer aufrichtigen Freundschaft schwer, doch nicht unmöglich.
Männergruppe
Heinrich Christian Rust

Herr Dr. Rust, haben Sie einen besten Freund?
Dr. Heinrich Christian Rust: Ja, den habe ich.

Was schätzen Sie an Ihrem Freund am meisten?
Seine Spontanität. Ich bin eher durchgeplant. Etwas anzufangen, ohne zu wissen, wo es endet, keine Kontrolle zu haben – das ist für mich sehr neu. Einerseits ärgert mich dieser Zug manchmal sehr, andererseits faszi­niert er mich. Dazu kommt: Er ist absolut ehrlich, ich kann mich in allem total auf ihn verlassen.

Was gehört denn Ihrer Meinung nach zu einer guten Män­nerfreundschaft?
Ehrlichkeit, Vertrautheit und der Wille, zu investieren.

Nun sagen Frauen oft: „Männerfreundschaften, so etwas gibt es gar nicht!” Haben sie Recht?
Ich würde hier von zwei polarisierten Trends sprechen. Zum ei­nen sehen wir eine Zunahme von wirk­lich guten, stabilen Männerfreundschaf­ten. Andererseits scheint es Männern nicht unbedingt in die Wiege gelegt, eine vertrauensvolle Beziehung zu einem anderen Mann einzugehen. Ich denke, der Mann hat etwas Kämpferisches, möchte unabhängig sein und vieles alleine schaffen. Da würde ich den Frauen schon zustim­men. Bei den Männerseminaren, die ich halte, frage ich schon mal: „Wer hat einen wirklich guten Freund?”, und da mel­det sich höchstens ein Drittel der Männer.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Eine ganz oberflächliche Be­gründung ist, dass Männern oft die Zeit dazu fehlt. Ein Mann steuert Dinge eher vom Kopf her. Er fragt sich, wie viel Zeit er auf etwas verwenden muss und was es ihm bringt.

Doch wenn es den Männern wirklich wichtig wäre, hätten sie Zeit, oder?
Ja, da haben Sie recht. Ich denke, viele Männer haben den Wert einer Freundschaft noch nicht richtig erkannt. Das mag daran liegen, dass Freundschaften in unserer Gesellschaft nicht unbedingt als wichtig angesehen werden.

Ist das ein Problem unserer westlichen neuzeitlichen Kultur?
Soweit ich das wahrnehme, ja. In vielen südlichen, afrikanischen oder auch muslimischen Ländern hat Männerfreundschaft einen ganz anderen Stellenwert.

Haben Männer Angst davor, von der Umgebung als homosexu­ell betrachtet zu werden, wenn sie einem anderen Mann auch auf der emotionalen Ebene begegnen?
Nun ja, leider werden auch nicht-sexuelle Gefühlsäusserungen zwischen Männern von der Gesell­schaft anders betrachtet als die zwischen Frauen. Was Männer aber nötig hätten, ist, dass sie einem anderen Mann durchaus auch einmal Zuwendung zeigen dürf­ten, ohne in die homosexuelle Ecke gedrückt zu werden. Ich bin sicher, dass mancher Mann vielleicht seinen Freund einmal gerne in den Arm nehmen würde, sich aber nicht traut.

Spielt dabei auch eine Rolle, wie Männer – gerade vielleicht der Nachkriegsgeneration – ihren Vater erlebt oder eben nicht erlebt haben?
Ja, das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Viele Männer haben nie Zärtlichkeit von ihrem Vater erlebt. Das ist so eine Frage, die ich auf Seminaren gern stelle. Es ist erschreckend, da rollen oft die Tränen. Es gab da mal ei­nen älteren Mann, aus dem brach es förmlich heraus: „Mein Vater hat mich nie, nie in den Arm genommen, immer nur auf Distanz gehalten! Er hat mir nie gesagt, dass er mich lieb hat!” Solche Erlebnisse haben ganze Generationen geprägt. Und das muss man bedenken, wenn man über Männerfreundschaften nachdenkt.

Forscher haben herausgefunden, dass Frauen in Bezug auf Eigenschaften wie Art­teilnahme und Einfühlungsvermögen genetisch bevorteilt sind, Männer hingegen diese Fähigkeiten erst erlernen müssten. Ist Freundschaft denn „erlernbar”?
Trainierbar würde ich sagen. Und ich glaube nicht, dass sie eine Frage der Gene ist. Vielmehr denke ich, dass Männer, wenn sie angereizt würden, sich auch vermehrt auf den Weg zu einer Freundschaft machen würden. Doch ganz davon abgesehen: Männer führen eine Freundschaft einfach anders als Frauen.

Wo liegt der grosse Unterschied?
Ich als Mann empfinde es so, dass Männerfreundschaften in der Regel relativ unkompliziert sind. Sie sind nicht dramatisch, da wird nicht viel geweint, man fügt sich wenig Schmerz zu. Männer scheinen mir eher sachorientiert, sie machen sich und ihre Freundschaft weniger zum Thema. Männergespräche kreisen eher um Dinge, die die Männer bewegen. Sie kriechen nicht in sich hinein und wollen nicht ihre Gefühle definieren. Wir Männer treffen uns nicht, um über uns zu reden. Das ist uns zu langweilig (lacht).

Was aber nun, wenn Mann ein richtig grosses Problem hat – kann er sich in Gegenwart seines Freundes auch mal gehen lassen?
Die emotionale Beweglichkeit ist von Mann zu Mann sicher unterschiedlich. Ich erlebe es schon so, dass ich in der Gegenwart eines anderen Mannes weinen kann. Und doch sind Tränen für mich nicht unbedingt ein Zeichen für emotionale Offenheit. Wenn man sachlich und inhaltlich wirklich ehrlich von sich mitteilt, dann scheint mir das eine viel dichtere Geschichte zu sein. Und da sind Männer erstaunlich offen. Sie sind sehr direkt, sie geben viel preis, wenn die Freundschaft gut ist.

Um was genau kreisen Männergespräche denn – auch ums Eheleben?
Das kann ein Thema sein, sicher. Man erzählt sich, wie man die Ehefrau erlebt, holt sich Rat. Doch das erste Thema zwischen Männern ist der Beruf, da die Arbeit das Leben eines Mannes häufig sehr prägt. Dazu kommen politische Themen, gesellschaftliche Entwicklungen und natürlich die Hobbys.

Nun hört man hin und wieder einen Mann sagen: „Ich brauche keinen Freund – denn ich habe meine Frau!” Was würden Sie dem entgegensetzen?
Ich denke, wenn jemand da keinen Mangel empfindet, spricht das ja auch sehr für dessen Ehe. Da würde ich dann auch gar nicht gross dran rumkratzen. Was ich versuchen würde, wäre, solch einen Mann einfach einmal gedanklich auf eine andere Spur zu lenken, um ihm zu zeigen, dass eine solche Aussage ja auch eine sehr egoistische Haltung spiegelt. Sein Hauptmotiv könnte ja auch lauten: „Wem kann ich ein Freund sein? Wer braucht mich?” Und man sollte ihm klarmachen, dass eine Männerfreundschaft ja gar nicht in Konkurrenz zu seiner Ehe steht. Im Gegenteil: Eine gute Freundschaft wird eine Ehe nur noch besser machen.

Wenn ein Mann nun gerne eine gute Freundschaft aufbauen will, aber einfach nicht weiss, wie er damit anfangen soll - was wären Ihre Tipps?
Nun, ich würde ihm als erstes sagen, dass er beten und Gott fragen sollte: „Wem kann ich ein guter Freund sein?“ Danach sollte er einfach sein Beziehungsumfeld betrachten und schauen: „Wer könnte sich wünschen, dass ich sein Freund bin? Wen hätte ich gerne zum Freund?” Für einen dritten wichtigen Punkt halte ich einen bewussten Start einer Freundschaft. Das ist für mich übrigens typisch männlich, das man sagt: „Könntest du dir vorstellen, dass wir Freunde sind?” Doch einem Mann hilft das, weil er dann weiss, woran er ist. Weiter muss man überlegen: „Wie kann ich die Freundschaft gestalten? Welche Ressourcen habe ich zeitlich?” Man sollte ungefähr das Mass wissen, die Freundschaft nicht einfach auf sich zukommen lassen. Und ein Letztes: Er sollte das weitere Umfeld des Freundes kennen lernen. Seine Familie, seine Arbeitskollegen, andere Freunde. Man sollte nicht immer nur zu zweit zusammen sitzen, sondern wirklich das Leben miteinander teilen.

Autorin: Sabine Schmidt

Datum: 04.02.2006
Quelle: Neues Leben

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