Generation 21

…und wenn Gott nichts nützt?

Manchmal habe ich das Gefühl, die nächste Generation kaum mehr wieder zu erkennen. Sie scheint in einer anderen Welt zu leben. Und das sage ich, ein 25-Jähriger. Gedanken zur Shell-Jugendstudie 2002.
Jugend
Reue

Die Shell Jugendstudie macht Hoffnung. Jugendliche lassen sich bewegen. Das Bild vom gleichgültigen und passiven Kiffer ist kein Spiegel der nächsten Generation. Die folgende kleine Analyse der Studie zeigt eine neue Perspektive, nämlich, dass die heutige Jugend ihr Potential zur Veränderung der Welt nicht verloren hat!

Drei grundsätzliche Dinge lassen sich beobachten: Erstens haben die Jugendlichen klare Vorstellungen, wo sie mit ihrem Leben hinkommen möchten, zweitens sind sie bereit, sich dafür zu investieren, und drittens sind ihre Motive dafür bemerkenswert egozentrisch geworden.

Treue – ganz wichtig

Einige Beispiele:

· Die meisten Jugendlichen – um die 70% – wollen eine Familie gründen und Kinder haben. Treue steht mit 78% ganz oben auf der Skala der Dinge, die von jungen Leuten heute als „in“ bezeichnet werden. Allerdings verstehen sie unter Familie nur mehr ein Mittel zum Zweck. Sie wird gebraucht, um glücklich zu sein.

· Ein grosser Teil der Jugend hat das Leben in einer Leistungsgesellschaft akzeptiert. Ziel ist nicht mehr, aus ideologischen Gründen daraus auszubrechen (Revolution!), sondern sie zu nutzen, um Karriere machen. Dafür sind sie bereit, die Anstrengungen zu erhöhen und die Chancen zu packen, die ihnen geboten werden.

· Sicherheit wird grossgeschrieben. Junge Menschen wollen in einer Welt aufwachsen, die sie vor Krankheit, Terrorismus und Unfällen bewahrt. Die Kosten dafür wollen sie in Kauf nehmen: strengere Sicherheitsmassnahmen, Verzicht auf technische Entwicklungen, die dem Menschen Schaden könnten, ein guter Umgang mit der Natur als Lebensraum.

· Auch soziales Engagement ist zwar vorhanden, aber vor allem selbstbezogen. „Es dominieren (…) der Einsatz für die Interessen sowie für die sinnvolle Freizeitgestaltung der Jugend. Dafür ist etwa die Hälfte der Jugendlichen gelegentlich aktiv.“ Alles, was ausserhalb des eigenen, direkten Nutzens liegt, verliert mehr und mehr an Unterstützung.

Der grosse Gott ist ‚out’

Was ist mit der Religion? Spiegelt sich dieses Denken auch im Verhältnis der Jugendlichen zu Gott? Beobachtungen dazu.

· Der grosse Gott ist „out“. Auf einer Liste mit 24 Werten der Jugendlichen rangiert der Gottesglaube gerade noch auf dem fünftletzten Platz. Er nützt nichts mehr. Mit seinen überhöhten und überholten normativen Ansprüchen steht er den eigenen Wünschen im Weg.

· Der kleine Gott ist „in“. Gott als Flaschengeist, der in schwierigen Zeiten abrufbar ist, Gott als Diener, der herbeigewinkt wird und die Bestellung unserer Wünsche und Bedürfnisse aufnimmt. Gott als der treue Freund, der mir zur Seite steht und mir hilft, mich zu verwirklichen und zu meiner Bestimmung zu kommen; der mir schwierige Entscheidungen abnimmt und der keine eigenen Ansprüche erhebt. Religion darf auch etwas sein, das Sicherheit und Halt verleiht. Sie darf aber nicht verlangen, dass ich aus dem Boot steigen muss.

Gott nicht als Zauberfläschchen anbieten!

Was können wir tun, um die heutige Jugend für den ungewollten Meister zu gewinnen?

1. Aufhören, den kleinen Gott zu verkaufen. Er hat nichts mit unserem Gott zu tun. Wenn wir nur ein weiteres Mittel zum Erfolg mitgeben, ein weiteres Zauberfläschchen, das ihnen auf ihrem Weg hilft, haben wir nichts verändert: Gott steht auf gleicher Stufe mit Karriere, Freunden, Freizeit.

2. Jugendliche bei ihren Werten abholen. Laut der Shellstudie ist der wichtigste Wert der Jugendlichen die Freundschaft – 95% der Befragten stimmten dem zu. Dicht dahinter folgen „Partnerschaft“ und „Familienleben“. Beziehung kommt vor allem Anderen. Daran muss die christliche Gemeinde anknüpfen, ob sie das biblisch findet oder nicht. Gemeinde muss ein Ort sein, wo Freunde gewonnen werden können.

3. Die Schwachen tragen. Die jungen Verlierer der Leistungsgesellschaft brauchen Hilfe von Menschen, die ein wirtschaftliches Denken haben, das nicht mehr Geld, sondern mehr Mensch zum Ziel setzt. Sozial-christliche Werke wie die Job Factory in Basel, die sich das Eingliedern von Jugendlichen ohne Lehrstelle in die Gesellschaft zum Ziel gesetzt hat, sind dringend nötig. Auf persönlicher Ebene kann freundschaftliche Unterstützung, freiwilliger Nachhilfeunterricht oder Nachbarschaftshilfe einen Weg in die Zukunft bieten.

4. Anders denken lernen. Alle Massnahmen nützen nichts, wenn nicht eine grundlegende Wandlung des Denkens geschieht. Solange sich alles um die eigenen Bedürfnisse dreht, spielt es keine Rolle, ob der Kontext weltlich oder christlich ist. Der Mensch darf nicht mehr im Mittelpunkt stehen, seine Selbstverwirklichung muss zweitrangig werden. Und bei solchen Aussagen stehen die Haare der Jugendlichen zu Berge. Wer wird es wagen, ihre Werte auf den Kopf zu stellen?

Den Sinn ändern

Die Bibel spricht von „Busse“ oder „Sinnesänderung“, um diesen Prozess zu beschreiben. Bleibt er aus, ist alles nur Spiel: jugendgerechte Gottesdienste, niederschwellige Angebote, offene Jugendarbeit. Hier kommen wir an unsere Grenzen. Wir können niemanden dazu bringen, anders zu denken. Wir haben keinen kleinen Gott, den wir dafür einsetzen könnten. Was bleibt? Unser Gott, der bis ins Herz greift.

(durch die Redaktion gekürzt)
Vollständige Fassung dieses Artikels: www.ebausteine.ch/thema0504b.htm

Datum: 11.06.2004
Autor: Simon Kaldewey
Quelle: Bausteine/VBG

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