Bergen – eine Stadt wird transformiert

Bergen - eine Stadt wird transformiert.
Christen werden zum Leuchtturm für andere Menschen
Reidar Paulsen
Bergen

Die Hafenstadt Bergen liegt eine halbe Flugstunde von Oslo weg; der Flug geht über Berge und Gletscher. Obwohl der Ort mit den meisten Regenfällen, ist es eine Bilderbuchstadt. Mit 230.000 Einwohnern mittelgross, liegt sie wie ein spektakuläres Amphitheater mitten in den Bergen, die die Stadt und das Meer überragen. Die bekannte Hafenfront "Bryggen", in dem häufig Kreuzfahrtschiffe anlegen, ein grosser Fischmarkt sowie zahllose alte Gassen und Häuser, die meisten aus Holz, locken viele Besucher an.

"Die Füsse im Meer, der Kopf im Himmel und das Herz am richtigen Fleck"

Die Stadt ist etwa 1000 Jahre alt; im Mittelalter war sie die grösste Stadt des Nordens und eine der wichtigsten Hansestädte an der Nordsee. Erst im 19. Jahrhundert wurde Bergen an Einwohnerzahl und Bedeutung von Oslo überflügelt.

Heute ist die Stadt vor allem als "kulturelle Hauptstadt Norwegens" bekannt. Bergen, Geburtsstätte des Komponisten Edvard Grieg, war eine der europäischen Kulturstädte des Jahres 2000; das alljährliche Bergen-Festival ist das grösste kulturelle Ereignis Norwegens. Zahllose kleinere Festivals, aber auch Museen und Ausstellungen füllen die Stadt das ganze Jahr durch mit pulsierendem Leben und lassen den häufigen Regen vergessen.

Unter Christen ist Bergen in den letzten Jahren aber nicht wegen der Kultur bekannt geworden, sondern als eine der europäischen Städte, in der eine deutlich greifbare geistliche Transformation stattfindet. Über die Hälfte der Kirchen und Freikirchen der Stadt haben sich zu einer Strategie zusammengefunden, die das geistliche Klima von Bergen in den letzten Jahren spürbar verändert hat. Was ist geschehen?

Einheit in der Vision

Es war in der ersten Hälfte der 90er Jahre, als zwei Männer zu einer näheren Beziehung zueinander kamen, die bis heute das Schicksal der Gemeinden in der Stadt leiten: Reidar Paulsen, Chefredakteur von "Visjon", der grössten christlichen Zeitschrift des Landes, und Noralv Askeland, Pastor einer jungen, aufstrebenden und missionarischen Gemeinde. Beide wurden durch den "Toronto-Segen" innerlich verändert und "aufgeweicht" und schlossen sich in der Mitte der 90er Jahre zu einer Gebets-Bruderschaft zusammen. "Wir beschlossen, dass etwas geschehen müsse", sagte Reidar, "und begannen erst zu zweit und dann mit einer Gruppe von Pastoren, einmal im Monat zu einem Gebet für die Stadt zusammenzukommen."

Von Anfang an war die Stadt und ihr Wohl im Visier der Gebets-Pioniere. Im Jahre 1998 fuhr Reidar Paulsen nach Argentinien, um "Erweckung zu sehen". Dort traf er mit Ed Silvoso zusammen, der ihm half, eine Gebets-Strategie für die Stadt klarer zu verstehen und zu planen.

Licht-Häuser übers Radio

1999 kam Silvoso zum ersten Mal nach Bergen, und eine neue Phase begann: Pastoren begannen, sich jede Woche am Mittwochmorgen zur Bruderschaft und zum Gebet zu treffen. Gleichzeitig entschieden sich die ersten Gemeinden für eine gemeinsame Gebetsstrategie, die auf dem Prinzip der "Lighthouses" beruht: die Gemeinden lehren ihre Mitglieder, wie sie als Familie Leuchttürme und Licht-Häuser für ihre Quartiere und Umgebung sein können. Immer mehr Familien begannen, gezielt für ihr Quartier, ihre Nachbarn, Kollegen und Freunde zu beten, sich aber auch konkret um sie zu kümmern.

Im Sommer 2001 hatten sie etwa 300 solcher Licht-Häuser in der ganzen Stadt. Die Leiter der Gemeinden waren damit aber nicht zufrieden. Man beschloss eine ganze Woche von verschiedenen Events; im Laufe dieser Woche kamen 700 Familien als neue "Leuchttürme" dazu, und zwar vor allem über das Radio! In einer Serie von gezielten Radiosendungen lernten sie am 1. Abend, ihr Haus Gott und dem Gebet zu weihen, es am 2. Abend bewusst zu reinigen und am 3. Abend hinauszugehen und für Menschen zu beten. Wenn eine Familie heute ihr Haus als Licht-Haus weihen will, dann kommt in der Regel jemand von einer örtlichen Gemeinde dazu – so werden die Häuser und Familien in das stadtweite Netz eingebunden. Die meisten Gemeinden sind nach Auskunft von Reidar Paulsen völlig in das Programm involviert, andere kaum, einige gar nicht. Aber immer noch kommen neue Kirchen dazu, heute sogar einige Gemeinden der lutherischen (Staats-) Kirche.

Die Gebetsstrategie wird ab und zu von der Öffentlichkeit und den Massenmedien wahrgenommen, so etwa in einer Titelgeschichte der grössten Zeitung der Stadt und in einigen Radio-Berichten, beides in sehr positiver Art und Weise. Das Hauptziel der Leiter ist aber nicht so sehr Medienpräsenz, sondern die Motivation und Mobilisation der Christen zu einer echten Massen-Bewegung.

Im Jahr 2001 wurde die Gebetsbewegung sichtbar: An einem Abend im Sommer gingen die Christen aus ihren Häusern heraus und bestiegen die 7 Berggipfel, die die Stadt umrahmen. Auf jedem Gipfel wurde ein Höhenfeuer angezündet, gebetet und Jesus als Herr der Stadt ausgerufen. Mindestens einmal im Jahr treffen sich die Christen zu einer grossen Celebration in der grössten Kulturhalle der Stadt, und bei vielen kulturellen Anlässen und Festivals bieten sie Parallel-Programme auf den Strassen an.

Auswirkungen

Wenn man die Leiter nach den Auswirkungen auf die Stadt fragt, bekommt man einhellig die Antwort, dass sich das geistliche Klima in Bergen in den letzten Jahren enorm verändert habe. Reidar Paulsen: "Es ist heute so viel einfacher, das Evangelium zu verkündigen! Einige Gruppen gehen z.B. in die Schulen und stellen gerade in den letzten Monaten eine erstaunliche Öffnung des Klimas fest". Die "Jesus Revolution" von Anne und Stefan Christiansen ( www.jesusrevolution.org ), einer der stärksten evangelistischen und Gemeindegründenden Jugendbewegungen Europas, haben Teams in vielen norwegischen Städten, aber es gebe keine Stadt im ganzen Land, wo sich so viele junge Menschen zu Jesus bekehrten.

Damit niemand ein falsches Bild bekommt: hier geht es nicht um eine charismatische Strategie, die die Christen in der Stadt womöglich noch spaltet. Sondern Pastoren und Gemeinden aller Lager arbeiten eng zusammen. Und die Jugendarbeit in jeder Gemeinde wächst beträchtlich im Vergleich zu dem, was man vor 10 Jahren sah. Beispiel: eine konservative Bewegung hatte einen Saal von 300 Plätzen. Wegen zu grossen Andrangs mussten sie im letzten Jahr ihr Haus schliessen und baten die lokale Landeskirche um Raum. Heute können sie die grösste Kirche benutzen, und regelmässig tauchen 700 junge Leute an ihren Anlässen auf. Bergen ist ein treffender Beweis für die alte Erkenntnis "wenn sie auf die anderen losgehen, gehen sie nicht mehr aufeinander los"....

Spannungen

... wenigstens fast. Wo so viel Einheit ist, bleiben oft ernsthafte Rückschläge nicht aus. Eine der grössten Gemeinden am Ort war am Anfang Teil der Bewegung, bis der Pastor begann, kritische Artikel über die Stadt-Strategie zu schreiben; Christen waren irritiert und enttäuscht, vor allem, als die Muttergemeinde in Oslo die Kritik aufnahm und in ihrer nationalen Zeitschrift nachdoppelte, bis hin zur Behauptung, hier gehe es um eine "Strategie des Feindes". Der Kern der Kritik: eine Stadt-Strategie weicht die Autonomie und Autorität der Ortsgemeinde und ihrer Leitung auf. Trotz vieler Gespräche war es bisher unmöglich, zu einem gemeinsamen Standpunkt zu kommen. Kommentar von Reidar Paulsen: "Wenn man eine gemeinsame Wirkung auf die Stadt haben will, ist es nicht genug, dass du dich nur als Pastor deiner Herde siehst; du musst dich als Pastor für die Stadt sehen." Eine kürzliche Untersuchung in den Niederlanden hat das bestätigt: die Schallmauer für einen nachhaltigen stadtweiten Prozess ist die Frage der Eigenständigkeit der diversen "Ortsgemeinden". Marc van der Woude, der verschiedene stadtweite Prozesse in Holland untersucht hat, kommt zum pointierten Ergebnis, die meisten Gemeindeleiter wollten zwar "Erweckung, aber lasst bloss meine Gemeinde in Ruhe" (die ganze Analyse finden Sie auf www.dawneurope.net )

Entwicklungen

Die monatlichen Gebetstreffen wurden vor einiger Zeit eingestellt. Heute verfolgt man mehrere grosse Events jährlich, darunter 2x ein gemeinsamer Sonntagmorgengottesdienst pro Jahr. Im letzten Sommer gab es grosse öffentliche Veranstaltungen unter dem Thema "Kinder segnen die Stadt", in der Kinder aus allen Gemeinden für die Stadt beteten. Für dieses Frühjahr sind Konzerte und Worship-Events überall in der Stadt geplant, ebenso eine Gebets-Messe und wiederum Höhenfeuer auf allen Bergen.

Mittelfristig planen die Christen in Bergen, aktiver in die Gesellschaft hineinzugehen. Der "Marktplatz" rückt ins Zentrum ihrer Planungen. Bergen ist eine Stadt mit viel Handel, und Christen sollen zunehmend ausgebildet werden, in der Gesellschaft zu dienen. "Sonst können wir die Stadt nicht gewinnen", ist Reidar Paulsen überzeugt.

Transformation?

Was soll das Endprodukt einer solchen Langzeit-Strategie sein? Reidar Paulsen bringt es auf einen einfachen Nenner. Neben immer mehr Bekehrungen, wachsenden und neuen Gemeinden sieht er "eine Stadt, die mehr und mehr von den Werten des Reiches Gottes gekennzeichnet ist. Christen, die die Bergpredigt in alle Sektoren der Gesellschaft hinein ausleben und den Shalom der Stadt suchen. Wenn die Stadt Shalom hat, hat es die Kirche auch." Transformation nicht als fixes Endziel, sondern als ständigen Prozess – in Bergen ist man unterwegs.

Datum: 12.05.2003
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet.ch

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