Beten: dafür oder dagegen?

Der Papst und der Gletscher

Die Geschichte ging vor Jahren durch die Medien: Nachdem die Bewohner des Walliser Dorfes Fiesch vor über 300 Jahren den Papst baten, gegen die Ausdehnung des Aletschgletschers zu beten, kehrten sie das Anliegen nun um. Was soll Gott da tun?   
Der Aletschgletscher (Bild: Wikimedia / CC BY-SA 2.0)

Es gab eine Zeit, in der der Aletschgletscher wuchs und wuchs und bedrohlich nahe ans Dorf heranrückte. Im Jahr 1678 legten die Bewohnerinnen und Bewohner von Fiesch und Fieschertal darum ein Gelübde ab, in dem sie vor Gott und der Welt kund taten, fortan tugendhaft zu leben und fleissig zu beten, dass der Gletscher sein Wachstum einstelle. Einmal im Jahr, später zweimal, gab es eine Prozession, um dem Gebet Nachdruck zu verleihen. Sogar Papst Innozenz segnete auf Anfrage der Fiescher – via Bischof von Sitten und Nuntius in Bern – das Gelübde ab.

Aus zu viel Gletscher wird zu wenig

Es ist unbekannt, wie sehr der jeweilige Papst sich in das Anti-Gletscher-Gebet einklinkte. Tatsache ist, dass die Fiescher nicht nur vor gröberen Katastrophen bewahrt blieben, sondern dass sich der Gletscher um dreieinhalb Kilometer zurückgezogen hat – so sehr, dass man sich im Jahr 2009 gedrungen sah, wiederum eine Delegation zum Papst zu schicken mit der Bitte, nun ums Gegenteil zu beten. Ganz im Einklang mit dem vorherrschenden Klimawandel-Gefühl «prozessieren» die Fiescher nun dafür, dass der Aletschgletscher nicht verschwindet, sonst sind sie ihre Haupt-Touristenattraktion los und haben vielleicht kein Wasser mehr.

Und der Herrgott?

Die Gletscher-Geschichte zeigt sehr schön auf, dass richtiges Gebet gar nicht so einfach ist. Sollen wir um Regen oder um Sonne beten? Die Bauern brauchen eins, die Touristen ein anderes. Haben Sie auch schon überlegt, dass es für Gott gar nicht so einfach ist, alle die Millionen Gebete, die ihn täglich bestürmen, unter einen Hut zu bringen?

Wenn wir in diese Frage eine Bresche schlagen, dann am besten anhand des «Muster-Gebets», das Jesus (selbst ein gewaltiger Beter) uns gelehrt hat. Im «Vater unser» stecken ein paar Schlüssel, die uns in der ganzen Frage, wie man denn nun beten soll, eine grosse Hilfe sein können. Schauen wir mal hin:

  • Das Gebet ist (erstaunlich) kurz
    Jesus selbst warnt uns vor dem heidnischen Brauch, viele Worte zu machen in der Meinung, Gott damit unter Druck zu bringen und auf seine Seite zu ziehen. Religionen plappern, der Glaubende kennt seinen Gott.
  • Es umfasst die wichtigsten Bereiche unseres Lebens
    Unsere physische Versorgung in angemessenem Masse («das tägliche Brot»), unsere Schuld (die wir gern verdrängen) und unsere Endlichkeit und Gefährdung («führe uns nicht in Versuchung»).

  • Das Gebet hat klare Prioritäten
    Vor allem anderen kommt «Dein Name, Dein Reich, Dein Wille»: die Anliegen Gottes sind der Rahmen, in dem Er handelt. Es tut gut, mitten in den eigenen Problemen, die uns bestürmen, den Namen, das Reich und den Willen Gottes in den Fokus zu nehmen.

Beten ist gut. Beten ist noch besser, wenn es in Bahnen läuft, die eine Erhörung wahrscheinlicher machen. Beten ist am besten, wenn es synchron läuft mit den Anliegen und Prioritäten Gottes für unsere Welt. Was uns «wahnsinnig wichtig» ist, muss es in den Augen Gottes gar nicht sein – und umgekehrt. Darum ist Beten zu einem grossen Teil «Hören».

Es geht darum, möglichst gut herauszuspüren, was Gott wichtig ist. Die Bibel und die Geschichte zeigen: Beter können unglaublich viel bewegen. Und nicht nur die schwindenden Gletscher und das Klima dahinter, sondern eine Menge politische und ethische Brennpunkte unserer Welt rufen nach dem Gebet aller Gläubigen – den Papst eingeschlossen.

Zum Thema:
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Datum: 19.08.2021
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch

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