Trauerbewältigung

„Ich trauere um meinen Mann“

"Vor einem halben Jahr starb mein Mann nach langer und schwerer Krankheit. Er war ein gläubiger Christ und wir alle sahen seinen Tod als Erlösung an. Trotzdem komme ich immer noch nicht darüber hinweg. Müsste ich denn nicht die Trauer schon hinter mir haben? Was kann ich tun, um damit fertig zu werden?"
Trauer

Sie leiden noch immer sehr darunter, dass Ihr Mann nicht mehr da ist. Das ist normal. Trauerbewältigung ist mit der Heilung einer großen Wunde vergleichbar. Das braucht Zeit und beansprucht Priorität. Ich gebe Ihnen zehn Empfehlungen, wie Sie mit dieser Wunde so umgehen können, dass sich die Heilung nicht unnötig verzögert.

1. Schauen Sie den Tatsachen ins Gesicht
Erst wenn Sie den Verlust ganz realistisch sehen, können Sie ihn auch annehmen. Sie können das Geschehen nur dann verarbeiten, wenn Sie es verinnerlichen. Verdrängen Sie nichts, sondern erinnern Sie sich ganz bewusst, um immer besser zu realisieren, was wirklich passiert ist.

2. Geben Sie der Trauer Ausdruck
Sprechen Sie viel über das Verlustereignis mit Menschen, die zuhören können, und geben Sie Ihren Gefühlen Ausdruck. Führen Sie ein Tagebuch, malen Sie oder geben Sie der Trauer durch Sie Musik und Tanz eine Gestalt. Akzeptieren Sie Ihr Aufgewühltsein und besonders auch Ihr Aufbegehren. Das Gefühl der Aggression ist wichtiger Bestandteil des Heilungsprozesses.

3. Suchen Sie Gott
Sie erleben den Tod als Übermacht. Ist es Gott, der Sie so bedrängt? Was hat er mit Ihnen vor? Gefällt es ihm, wenn Sie leiden? - Lassen Sie diese Fragen zu und wenden Sie sich damit an die richtige Adresse, nämlich an Gott selbst. Kanalisieren Sie Ihre Aggression zu Gott hin. Klagen Sie vor ihm. Wenn es eine tröstliche Antwort gibt, dann nur bei ihm.

4. Lassen Sie der Trauer ihre Zeit
Verletzte Tiere legen sich in ein Versteck, um ihre Wunden zu lecken. Sinnvolle Trauer ist vorübergehender Rückzug, damit die Wunden des Verlusts heilen können. Beanspruchen Sie viel Raum und Zeit zum Heilungsprozess des Trauerns. Erlauben Sie sich den Rückzug, wenn Sie ihn brauchen. Gehen Sie in die Natur. Erlauben Sie sich auch, manches unverändert zu lassen, bis Sie selbst spüren, dass die Zeit für Neues gekommen ist.

5. Ertrinken Sie nicht in den Gefühlen
Verhindern Sie nach Möglichkeit, dass die Traurigkeit übermächtig wird. Ein bewährtes Mittel dagegen ist die Ablenkung im Sinne der bewussten Konzentration auf eine sinnvolle Tätigkeit. Ablenkung soll Hinlenkung der Aufmerksamkeit auf die vorhandenen Lebensmöglichkeiten sein.

6. Geben Sie der Trauer Struktur
Sie können es nicht brauchen, ständig dem Drang, zu klagen und zu grübeln, nachzugeben. Das würde Ihnen zu oft die Konzentration auf das rauben, was im Alltag für Sie wichtig ist. Ein Kompromiss, der beiden gerecht wird, kann in fest eingegrenzten Grübel- und Klagezeiten bestehen. Hilfreich kann zum Beispiel auch ein eigener Raum dazu sein, eine stille Ecke in Ihrer Wohnung zum Beispiel, in der Sie Gegenstände und Fotos Ihres verstorbenen Mannes aufbewahren.

7. Lassen Sie zurück, was Sie nicht ändern können
Erlauben Sie sich auch negative Gedanken über Ihren Mann, der wie jeder Mensch eben kein Engel war und deswegen auch an Ihnen schuldig wurde. Nur dann können Sie ihm auch vergeben. Das Kleben an der Vergangenheit behindert die Trauerarbeit. Beginnen Sie wieder, sich konsequent auf sinnvolle und erreichbare Ziele in näherer Zukunft zu konzentrieren.

8. Gönnen Sie sich Gutes
Sorgen Sie verantwortlich für sich selbst. Gönnen Sie sich genügend Ruhe, gehen Sie freundlich mit Ihren körperlichen und seelischen Bedürfnissen um und sorgen Sie für viel Entspannung.

9. Nehmen sie andere Menschen in Anspruch
Sie müssen sich wieder selbst neu finden und organisieren. Nutzen Sie dazu die Hilfe Ihres sozialen Umfelds. Gehen Sie offensiv auf andere zu, um ihre Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Bemühen Sie sich aktiv um die Erweiterung Ihres Horizonts. Bleiben Sie mit Ihrer Trauer nicht allein. Suchen Sie auch das Gespräch mit Personen, denen es ähnlich geht wie Ihnen. Eine wichtige Unterstützung kann eine Selbsthilfegruppe sein.

10. Lassen Sie sich allmählich wieder selbst in Anspruch nehmen
Trauer kann die Einstellung zum Leben positiv verändern. Man wird sich der Endlichkeit mehr bewusst. Das Leben wird kostbarer. Der Wert zwischenmenschlicher Beziehungen wird höher eingeschätzt als zuvor. Nutzen Sie dieses Potenzial, indem Sie sich für andere einsetzen. Überfordern Sie sich aber nicht mit sozialem Engagement, sondern nehmen Sie einfach ohne Druck allmählich wahr, was Sie in dieser Hinsicht verwirklichen können.

Autor: Hans-Arved Willberg, Theologe, Fachtherapeut für Psychotherapie, E-Mail: ha@willberg-karlsruhe.de

Datum: 21.03.2006
Quelle: Neues Leben

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