Christen in Myanmar

David gegen Goliath

Länger als der Eiserne Vorhang hält der Bambusvorhang. Ohne dass die Welt davon hört, leisten die Christen in Myanmar (Burma) Grossartiges – trotz gewaltigen Widerständen. Hkyen Naw gibt ihnen eine Stimme.
Seine Bibelschule braucht dringend mehr Räumlichkeiten: Hkyen Naw in der Schweiz, Herbst 2006.
Christentum und Volkstradition: Fest im Dorf.
Mehr Evangelium fürs Land: Hkyen Naw (unten links) mit seiner Frau und den Söhnen Matthäus, Markus, Lukas, Johannes und Tochter Ruth um 1990. Der Älteste wird theologischer Lehrer.
Unermüdlich: Hkyen Naw und seine Frau auf dem Motorrad.
Buddhistische Mönche, vom Regime unterstützt, betreiben die religiöse Einigung des Landes auf ihre Weise.
Licht für den armen Norden Burmas: Hkyen Naws Studenten stammen aus benachteiligten Völkern und Stämmen.

Mit gegen 50 Millionen Menschen gehört Myanmar zu den 25 bevölkerungsreichsten Staaten der Welt. Im Kontrast zum buddhistisch geprägten Hauptvolk der Burmesen haben viele Stämme und Völker eine christliche Identität. Doch fällt es den Christen im bitterarmen Land – die meisten Menschen überleben mit Reis – sehr schwer, Kinder und Jugendliche zu unterrichten und Gemeinden aufzubauen.

Bibelschule entspricht grossem Bedürfnis

Kürzlich weilte Hkyen Naw, Präsident des baptistischen Kachin Theological College (KTC), in der Schweiz. Im Gespräch mit Livenet berichtete er von seiner Schule in der Stadt Myitkyina, der grössten theologischen Ausbildungsstätte im Norden des Landes, die den Bachelor of Theology und den Master of Divinity verleiht und in den letzten 15 Jahren ein starkes Wachstum erlebt hat. „Seit dem Zusammenbruch des Sozialismus wollen viele Absolventen von Colleges und Sekundarschulen das KTC besuchen.“ Zahlreiche Kurse werden englisch unterrichtet; im abgeschotteten Land sehen Eltern hier offensichtlich ein Sprungbrett für die Laufbahn ihrer Sprösslinge.

Laut Naw hat die Schule derzeit 400 Studenten im Internat und 240 extern. „Dringend sollten wir Schlafräume für Frauen bauen.“ Bisher können nur Männer am KTC studieren. Naw, der einst hohe Hürden überwinden musste, um im Ausland den Magister und dann mit Schweizer Hilfe den Doktorgrad zu erlangen, sucht Sponsoren für dieses Projekt.

Völker gegen Militärregime

Burma, im Zweiten Weltkrieg von den Japanern besetzt und 1948 von den Briten in die Unabhängigkeit entlassen, ist ethnisch sehr vielfältig. Dem harten Zugriff der burmesischen Herrscher in Rangun, die das Land in Myanmar umbenannt haben, setzen viele Völker anhaltenden Widerstand entgegen. Die den Kachin benachbarte Volksgruppe der Wa an der Grenze zu China wurde gemäss Hkyen Naw bis 1990 strikt kommunistisch regiert; christlicher Einfluss war im Gebiet unerwünscht.

Überrumpelt

Doch dann wandten sich einige Führer der Wa – sie hatten in ihrer Jugend Missionsschulen besucht – ans KTC. „Sie baten uns um 300 christliche Grundschullehrer für die Alphabetisierung – und für den Religionsunterricht. Wir waren überrumpelt. Bis heute haben wir etwa 30 Personen senden können.“ Die Behörden hätten bloss den Reis für die Lehrer zugesichert, sagt Naw, und Bedauern schwingt in seiner Stimme mit: „Den Rest des Lebensunterhalts konnten wir nicht finanzieren, weil dort chinesische Währung in Gebrauch ist – und unsere burmesische Währung ist im Tausch nichts wert.“

Als Lehrer beliebt

Im Norden Myanmars wurden KTC-Absolventen in ein Gebiet eingeladen, in dem ein anderer Teil des Kachin-Volks lebt. Seine kommunistischen Herrscher weigerten sich jahrelang, die von der Landesregierung gesandten burmesischen buddhistischen Lehrer und Mönche wirken zu lassen. „Nun haben wir Lehrer hinsenden können, und sie sind beliebter als die Buddhisten – aber auch dort fehlen uns die nötigen Mittel für ihren Unterhalt.“ Ausländer könnten dort nicht unterrichten oder als Supervisoren arbeiten, erläutert der KTC-Präsident. Dass deswegen ausländische Missionsgesellschaften der Arbeit ihre Unterstützung versagten, damit hat er zu leben gelernt.

Pragmatische Buddhisten

Der Finanzmangel schmerzt Naw jedoch umso mehr, als die Buddhisten gutgeschulte Missionare in alle Himmelsrichtungen aussenden. Sie kommen namentlich in christlich geprägte Stammesgebiete – und kopieren laut Naw die Strategien der Christen: „Sie haben Medikamente dabei, gründen Schulheime und bezahlen armen Kindern das Schulgeld.“ Die Christen könnten wegen mangelnder Finanzen nichts dagegen ausrichten. „Sie nehmen viele Kinder weg.“ Seinen eigenen vier Söhnen haben Hkyen Naw und seine Frau die Namen der vier Evangelisten gegeben; ihre Tochter heisst Ruth.

Eine Million spricht Kachin

Die Kachin-Sprache wird im Land von etwa 800'000 Menschen gesprochen; dazu kommen Volksgruppen im benachbarten China, das gemäss Naw von Myitkyina aus in weniger als drei Stunden erreicht werden kann (die Bahnreise in die eigene Hauptstadt Rangun dauert drei Tage). „In Kachin haben wir erst einzelne christliche Bücher; daher stützen wir uns auf englische Literatur.“ Bis 1995 war das Kachin-Gebiet Ausländern nicht zugänglich; die Christen hatten keinen Kontakt zur Aussenwelt. Seit einigen Jahren können ausländische Christen als Touristen – nicht als Bibellehrer – das KTC besuchen. Gestattet sind Grussworte bis etwa 20 Minuten…

Unbeirrbar und unermüdlich trotz Armut und Schlägen

Der Bau von Kirchen als Kirchen ist in Myanmar laut Naw nicht erlaubt, „aber wir können mit staatlicher Bewilligung christliche Zentren und Jugendzentren errichten.“ Der Sonntagsgottesdienst werde dann als Teil des Wochenprogramms akzeptiert. Die Pastoren müssen ohne Lohn auskommen; sie hängen von den Gaben der Christen ab. Mit über 3500 Gemeinden sind die Baptisten weitaus die grösste Kirche in Myanmar. Sie zählt über 600'000 getaufte Erwachsene als Mitglieder (nach ‚Operation World’, 2001).

Wenn Christen in Haft geraten, dann werden ihnen nicht religiöse Aktivitäten, sondern andere Vergehen zur Last gelegt. Einer der Vorgänger Naws wurde 1979 verhaftet und im Gefängnis zu Tode gefoltert. Diese Verfolgung habe die Kirche in einer Zeit rasanten Gemeindewachstums getroffen, sagt der Bibelschulleiter.

„Das am stärksten buddhistisch geprägte Land“

In den Neunzigerjahren sind die Machthaber dazu übergegangen, den Buddhismus zu fördern. Obwohl nicht Staatsreligion, dominiert er das öffentliche Leben. Der Bau buddhistischer Tempel wird finanziert. In den Augen von Naw ist Myanmar mit einer halben Million Mönche „das am stärksten buddhistisch geprägte Land der Welt“. An der Universität in der Hauptstadt studieren auch viele westliche Studenten die Religionsphilosophie, die Erleuchtung verheisst. In ihrer Jugend gehen Burmesen für einige Wochen oder ein Jahr ins Kloster. Studenten lassen sich in den grossen Semesterferien kahl scheren und leben als Mönche. Ohne staatlichen Rückenwind, aber mit umso mehr Elan – und bewundernswerter Hartnäckigkeit – arbeiten die Christen in Myanmar auf eine gedeihliche Entwicklung ihres Landes hin.

Spenden für das Kachin Theological College können auf das PC 30-29082-3 „Projekt Hkyen Naw, Paul Veraguth, 3665 Wattenwil“ einbezahlt werden.
Kontaktperson: Pfarrer Paul Veraguth, p.veraguth@gmx.ch , 033 356 33 27.

Datum: 26.02.2007

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