Evang. Kirche Deutschland

Das Kreuz – zwischen Aktualität und Anstoss

Kein Zweifel: Das Kreuz ist das zentrale Symbol der Christen. Tod und Auferstehung von Jesus Christus bilden den Kern des christlichen Glaubens. Gleichzeitig ringt die Kirche seit ihrer Frühzeit um das richtige Verständnis des «Wortes vom Kreuz». Kurz vor Ostern hat die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nun einen Grundlagentext zur Theologie des Kreuzes vorgelegt: «Für uns gestorben».
Kreuz

Immer wieder gibt es heftige Diskussionen darüber, ob das Kreuz noch zeitgemässer Inhalt der christlichen Verkündigung sein kann. Konservative Christen halten am Opfergedanken fest und unterstreichen, dass der Tod von Jesus am Kreuz ohne diesen seinen ganzen Sinn verlieren würde. Andere sehen hinter dem Sühnegedanken einen grausamen und sadistischen Gott, der unmöglich identisch sein kann mit dem Gott der Liebe, den Jesus gepredigt hat.

Das Anliegen des Grundlagentextes

«Der EKD-Grundlagentext zeichnet eine mittlere Linie zwischen denjenigen, die unter allen Umständen an der klassischen Gestalt der Sühnopfer-Vorstellung festhalten wollen und den anderen, die sie sofort streichen wollen.» Dies hält Christoph Markschies fest. Der Kirchenhistoriker hat als Vorsitzender der Kammer für Theologie massgeblich am Text mitgearbeitet. Er nennt als sein Anliegen, «gegen allzu vorschnelle Kritik zu erklären, warum es sinnvoll ist, gerade dieses christliche Erbe zu bewahren». Dazu soll er zunächst einmal sachlich die Befunde darstellen.

Die öffentliche Haltung: diffus

Als staatlicher Feiertag erfährt der Karfreitag wenig Beachtung, dennoch – so heisst es auf der Webseite der EKD zum Grundlagentext – «ist immer wieder ein 'Karfreitagsbewusstsein' zu erkennen». Ursachen und Motive sind sicher sehr unterschiedlich, doch neben anerzogenem Respekt spielt auch das Nachdenken über die eigene Sterblichkeit eine Rolle. So ist «der Karfreitag immer noch an spezifischen Fernsehprogrammen erkennbar (Historienfilme über das frühe Christentum, Evangelienverfilmungen und weitere 'ernste' Themen)». Kirchendistanzierte Menschen und auch viele Gläubige nehmen aber Anstoss am Kreuz. Sie möchten eher wie Jesus glauben und nicht an ihn. Andere finden Halt für sich in der Ausrichtung aufs Kirchenjahr. Auch die nichtchristliche Öffentlichkeit reagiert sehr unterschiedlich auf das Kreuz: «Gleichgültigkeit, Belächeln und Marginalisierung begegnen ebenso wie Angriff oder interessierte Offenheit.» Klar ist damit: Nichts ist klar. Die Wahrnehmung des Kreuzes ist sehr divergent.

Das biblische Verständnis: Liebe

Ein Ansatz des Grundlagentextes «Für uns gestorben» ist das Herausarbeiten des biblischen Befundes. Der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, unterstreicht gegenüber Kritikern in der Einleitung: «Dass Gott seinen Sohn hat sterben lassen, um unsere Sünden zu vergeben, erscheint ihnen als Akt der Willkur und Brutalität». Er ergänzt jedoch: «Gott opfert im Kreuzestod Jesu nicht einen anderen, um seine Rachsucht zu befriedigen, sondern in Jesus Christus gibt er sich selbst hin, um die Menschen zu versöhnen. Die Gewalt geht nicht von Gott aus. Gott wird vielmehr selbst zum Opfer und liefert sich menschlicher Feindschaft und menschlichem Hass aus. Nicht die Legitimierung der Gewalt, sondern ihre Überwindung durch Liebe und Vergebung ist das Ziel.»

Die gesellschaftliche Realität: Sehnsucht

Ein weiterer Ansatz des Grundlagenpapiers ist sein Bezug zur aktuellen gesellschaftlichen Situation. Und die erschöpft sich nicht in Kritik an der unverständlichen Seite des Kreuzes. Sie beinhaltet vielmehr ein ungebrochenes Interesse an Passionskonzerten. Regelmässig bilden sich Menschenschlangen vor Kirchentüren und Besucher werden tief berührt von der Musik Johann Sebastian Bachs, die Angst, Schmerz, Zuversicht und Freude gleichermassen thematisiert – und Menschen damit unters Kreuz führt. Verfilmungen der Jesusgeschichte bzw. der Passionszeit liegen im Trend und interessieren erstaunlich viele Zuschauer. Auch andere Filme verwenden neutestamentliche Bilder wie die Bereitschaft zum Opfertod – und sie tun dies mit grossem Erfolg und breiter Akzeptanz. Ob «Matrix» oder «Herr der Ringe», auch ein säkularer Zuschauer «akzeptiert im Kino sogar eine fast barocke Blut- und Wundenfrömmigkeit, die er – käme sie von der Kirche – zurückwiese.»

Die kirchliche Aufgabe: Erklärung

Bedford-Strohm unterstreicht die Aktualität und Gültigkeit des Kreuzes und setzt sie gleichzeitig in Bezug zu politischen Herausforderungen. Er betont: «Das Kreuz ist das christliche Zeichen der Menschenfreundlichkeit Gottes und der Versöhnung der Welt. Das macht seine Aktualität aus und hat politische Sprengkraft. Es darf aus christlicher Sicht keinen Zweifel geben, dass jegliche Menschenfeindlichkeit – sei es im Namen wiedererwachender Nationalismen oder auch im Zuge wachsender Konflikte zwischen den Religionen – inakzeptabel und unvereinbar mit dem christlichen Glauben ist.» Doch dies ist nicht selbsterklärend. So definiert er als abschliessende Herausforderung: «Christliche Theologie steht vor der Aufgabe, das Verständnis der Liebe Gottes im Kreuz immer wieder neu zu erklären und zu entfalten.»

Zur Webseite:
EKD-Grundlagentext

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Datum: 30.03.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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