Religiöse Wurzeln

Der Muttertag wird 100 Jahre alt

Der Muttertag wurde aus einem Gebet geboren und zuerst von christlichen Bewegungen verbreitet. Genau vor 100 Jahren wurde er in den USA zum ersten Mal offiziell gefeiert.
Grossmutter mit ihrer Tochter und Enkelin (Bigstock: 60339950)

Religiöser Feminismus am Ende des 19. Jahrhunderts in Amerika

Der Muttertag, wie wir ihn heute kennen, wurde massgeblich von Anna Jarvis, einer bekannten US-amerikanischen Frauenrechtlerin, ins Leben gerufen. Bereits 1872 war so ein Tag von einer anderen Frauenrechtlerin, Julia Ward Howe, in Amerika eingefordert worden, ihre Bemühungen blieben jedoch zunächst erfolglos. Man wollte erreichen, dass die amerikanischen Mütter an einem Tag im Jahr einmal besonders für all ihre Mühen und Entbehrungen geehrt würden.

Anna Jarvis war eines von 11 Kindern, ihr Vater war methodistischer Pfarrer. Als sie 12 Jahre alt war, hörte sie ihre Mutter, Ann Reeves Jarvis - nachdem sie über Mütter in der Bibel gelehrt hatte - in einer Sonntagschulklasse beten: «Ich hoffe und bete, dass irgendjemand irgendwann einen Gedenktag einführt, in dem die Mutter geehrt wird für ihren unermüdlichen Dienst an der Menschheit in jedem Feld des Lebens. Sie hat ein Recht darauf.»

Ein Gebet hat Folgen

Dieses Gebet brannte sich tief in das Gedächtnis von Anna Jarvis ein. Am Grab ihrer Mutter schwor sie, dass sie diese Person sein würde. Sie wählte den Todestag ihrer Mutter, den 8. Mai 1905, und feierte diesen Tag erstmal zwei Jahre später in der Kirche ihres Heimatortes Grafton in West Virginia. Im Jahr darauf wurde ein Name für das Fest gefunden: «General Memorial Day of all Mothers» (Allgemeiner Gedächtnistag für alle Mütter). Der Tag breitete sich aus und wurde immer mehr in Kirchen im ganzen Land gefeiert. Zahlreiche Petitionen bei Präsident Woodrow Wilson bewogen diesen schliesslich, den Muttertag zum offiziellen nationalen Feiertag zu erheben. Am 8. Mai 1914 erklärte der amerikanische Kongress den zweiten Sonntag im Mai zum Muttertag. Der Tag wurde zum nationalen Feiertag der USA erhoben – vor genau 100 Jahren.

Eine Idee breitet sich aus

England folgte wenig später nach und ließ auch den Muttertag wieder aufleben, den es dort bereits eine Zeit lang im 13. Jahrhundert unter Heinrich dem Dritten gegeben hatte. 1917 schloss sich die Schweiz an, 1918 Norwegen, 1919 Schweden, 1922 Deutschland und im Jahre 1924 auch Österreich. Im Laufe der Zeit verlor der Muttertag jedoch mehr und mehr von seiner eigentlichen Intention und entwickelte sich zu einem Tag der Geschenke. Unternehmer und Verkäufer witterten das grosse Geschäft und begannen damit, diesen Tag erfolgreich für sich zu vermarkten. Das war eine Entwicklung, die Anna Jarvis ganz und gar nicht gefiel; sie versuchte vor Gericht, den Muttertag wieder verbieten zu lassen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Anna Jarvis starb 1948.

Schweiz: Christen und Floristen

In der Schweiz wurde der Muttertag zuerst von zwei Gruppierungen vertreten und bekannt gemacht: die Unions Chrétiennes de Jeunes Gens de la Suisse romande (CVJM) und vor allem die Heilsarmee. Erstere veröffentlichten ihren Aufruf bereits 1914 in ihrem Vereinsorgan, wobei sie sich ausdrücklich auf das angelsächsische Vorbild beriefen; sie stiessen in der französischsprachigen Schweiz bei reformierten Pfarrern auf ein gewisses Echo, konnten aber in der Deutschschweiz mit ihrer Initiative nicht Fuss fassen. Die Heilsarmee erliess erstmals im Sommer 1917 einen Aufruf zur Begehung eines Ehrentages für die Mutter, der die religiöse Berechtigung einer solchen Ehrung betonte.

Beide Initiativen waren in ihren jeweiligen Institutionen erfolgreich, blieben bis in die zwanziger Jahre hinein auf kleine Kreise beschränkt. Dann begannen die schweizerischen Verbände der Floristen, der Gärtnermeister und der Konditormeister sich für den Muttertag zu engagieren. Sie halfen, den Muttertag zu propagieren, blieben allerdings in der Öffentlichkeit eher im Hintergrund. Personen des öffentlichen Lebens unterzeichneten öffentliche Aufrufe. Über Presse, Flugblätter, das Radio und die Schaufenster der beteiligten Berufsverbände wurde der Muttertag für den zweiten Mai-Sonntag 1930 propagiert und gelangte so zum Durchbruch.

Datum: 10.05.2014
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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