Geburtstag

1906 – 2006: Hundert Jahre Pfingstbewegung

2006 feiert die Pfingstbewegung ihren hundertsten Geburtstag. In dieser kurzen Spanne wuchs sie von einem kleinen afrikanisch/amerikanischen Grüppchen in einem Hinterhof zu einer weltweiten Bewegung mit einigen hundert Millionen Gläubigen. Jakob Zopfi, der langjährige Leiter der Schweizer Pfingstmission und Kenner der globalen Pfingstbewegung, zeichnet ihr Gepräge mit Portraits von führenden Männern nach.
Hundert Jahre Pfingstbewegung
Thomas Ball Barratt
Lewi Pethrus
Smith Wigglesworth
George Jeffreys
Donald Gee
David Yonggi Cho
Reinhard Bonnke
Jakob Zopfi hat die Hälfte der hundertjährigen Geschichte selbst miterlebt.

Dabei lässt sich die Geburtsstunde der Pfingstbewegung wohl kaum mathematisch genau festlegen. Sie fiel ja nicht wie ein kompakter Stern vom Himmel, um präzise berechenbar auf unserem Planeten aufzuschlagen. Schon vor ihrer Geburt bewegten sich machtvolle erweckliche Ströme. Die Reformation, parallel zu ihr die Täuferbewegung, später der Pietismus. Es erhoben sich die Wogen des Methodismus, der Heilsarmee und der Heiligungsbewegungen. 1904 elektrisierte die Erweckung in Wales die gläubige Welt und belebte die Erwartung auf ein neues Pfingsten, auf eine Heimsuchung des Heiligen Geistes mit Gaben und Kräften.

Geburtsstunde in Los Angeles

Allgemein wird der Beginn der Pfingstbewegung auf die Erweckung datiert, die Samstag, den 14. April 1906, in der "Azusa Street Mission" Los Angeles aufflammte. Menschlich gesehen ein erbärmlicher Beginn, wie Notizen Per Olov Enquists, eines nichtpfingstlichen Beobachters, zeigen: "Die Pfingstbewegung, in Sägespänen in einer Methodistenkirche geboren, in einem kleinen verfallenen Lagerplatz für altes Bauholz und anderes Gerümpel. Zwei leere Packkisten als Rednerpult, Sitzplätze für vierzig Personen. Die Taufe im Ozean. Der einäugige, leicht hinkende Neger Seymour hatte den Funken entzündet mit Worten von solcher Macht, dass selbst der stärkste Gegner in die Sägespäne auf den Boden sank und nach Gnade und Erlösung rief." Wieder einmal: Wenn Gottes Stunde schlägt, ist ihm die Armseligkeit des Menschen ein Pappenstiel.

Die Pfingstbewegung wurde also nicht wie andere Kirchen und Gemeindebewegungen von überragenden Persönlichkeiten – denken wir an Martin Luther, John Wesley, General Booth – ins Leben gerufen. Sie hat aber ein Heer von Zeugen Jesu hervorgebracht, die das Evangelium wie Sturmvögel bis zu den letzten Stämmen und Völkern trugen. Und mit ihrer Pionierzeit hat sie Persönlichkeiten hervorgebracht, die wie Leuchttürme bis in unsere Zeit hineinleuchten:

Thomas Ball Barratt und Lewi Pethrus…

Sie bildeten ein wahres pfingstliches Apostelpaar aus dem Norden: der Norweger T.B. Barratt (1862-1940), ein Mann mit künstlerischem Profil, Schüler von Edvard Grieg, und der Schwede Lewi Pethrus (1884-1974), eine kantige Persönlichkeit, Sohn eines Fabrikarbeiters. In beiden, die siebzehnjährig zu predigen begannen, loderte das Feuer der Evangelisation und der Mission.

Barratt gründete als methodistischer Pastor 1902 die Oslo City Mission. Pethrus sagte am Schluss seines lebenslangen Dienstes: "Ich glaube, nicht einen Gottesdienst gehalten zu haben, an dem ich nicht Sünder zu Christus rief."

Sie waren Männer des Bibel-Wortes. Ein Beispiel: Barratt brauchte einige Zeit, bis er die Richtigkeit der Glaubenstaufe erkannte. Als es soweit war, stand Pethrus im Wasser und rief Barratt zu: "Ich bedarf wohl, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir?" Barratt antwortete: "Lass es jetzt so sein, denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen!" Da liess er's geschehen.

…als Bahnbrecher in Europa

1906 kam Barratt auf einer Kollektenreise in den USA mit der explodierenden jungen Pfingstbewegung in Berührung. In New York erlebte er eine mächtige Geistestaufe. Nach seiner Rückkehr begann das Feuer in Oslo hell zu brennen. Dort erlebte 1907 Pethrus, damals baptistischer Pastor, die Geistestaufe.

Der schon gesegnete Dienst dieser Männer wurde dadurch revolutioniert. Gegen ihren Willen ertrugen die alten konfessionellen Schläuche den neuen Wein nicht. So wurde in Schweden und Norwegen die Pfingstbewegung geboren. Pethrus, der überzeugt war, "weder der individuelle Gläubige noch die Kirche Christi könne ohne die Taufe im Heiligen Geist den von Gott gegebenen Auftrag erfüllen", wurde Pastor der grössten Pfingstgemeinde Europas in Stockholm. Und zudem Bahnbrecher der schwedischen Pfingstbewegung mit heute 160’000 Zugehörigen. Seine Schriften und Bücher gingen um die Welt.

Barratt, auch er ein viel beachteter Verfasser von Schriften und Büchern, war als reisender Evangelist während der Anfangsdekade bei der Entstehung der Pfingstbewegung in vielen europäischen Ländern zugegen, bevor er bis zu seinem Lebensende Pastor der Filadelfia-Gemeinde in Oslo wurde. Zu Recht wurde er "Apostel Europas" genannt.

Fels in der Brandung: Jonathan Paul

Wo immer sich Erweckung erhebt, formiert sich auch bitterer Widerstand. Das war bei Jesus so, es war bei den Aposteln und bei der Urgemeinde so. Auch die Pfingstbewegung blieb davon nicht verschont. Ab 1909 kamen grosse Scharen aus allen Teilen Deutschlands nach Mülheim/Ruhr. Da ging es (wie bisher in Heiligungskonferenzen) um Wortverkündigung, Stärkung der Gläubigen, um Gebet für Kranke. Dazu kamen nun auch "Geistesausgiessungen, wo das Jubeln kein Ende nehmen wollte." Die Pfingstbewegung hatte Fuss gefasst.

Nun erhob sich der Sturm einer wahren Geisterdebatte. In der neuen Bewegung hätten Dämonen das von Wesley gelegte Kuckucksei der Geistestaufe ausgebrütet. Da stand vor allem ein Mann der ersten Stunde, Jonathan Paul (1853 - 1931), wie ein Fels in der Brandung. Lutherischer Pastor und Theologe, Autor, Dichter und begabter Prediger – er gehörte neben Jakob Vetter zu den populärsten Evangelisten Deutschlands –, trug Paul die Hauptlast dieses bitteren Kampfes.

Der spitze Dorn im Fleisch der Evangelikalen – die Berliner Erklärung von 1909 – ist Gott sei Dank längst gezogen. Nicht zuletzt, weil Pastor Pauls Herz und Hand grossherzig und versöhnend auch dem – theologischen – Gegner zugewandt blieb. Er statuierte damit, dass die echte Pfingstbewegung immer auch um Einheit unter Brüdern ringt.

Seine Betonung der Heiligung lässt zudem nie vergessen, dass die Pfingstbewegung aus dem breiten Strom der Heiligungsbewegung entstand. "Der Heiligung nachzujagen" war das grosse Thema Wesleys. Auf dem Zelt der Deutschen Zeltmission flatterte die Fahne "Heilig dem Herrn". Kein Wunder, zielte für Jonathan Paul das Wirken des Heiligen Geistes in diesem neuen geistlichen Aufbruch auch in Richtung Heiligung. Man mag ihm ankreiden, er hätte mit seiner Lehre des "reinen Herzens" über das Ziel hinausgeschossen. Wir müssen bekennen, dass die praktische Heiligung heute viel eher zu kurz kommt!

Apostel des Glaubens: Smith Wigglesworth

Smith Wigglesworth (1859-1947), der als Sohn armer Eltern schon siebenjährig in einer Stahlwollfabrik täglich zwölf Stunden zu arbeiten hatte, wurde bei den "Old-Time Wesleyan Methodists" wiedergeboren. Es war die Leidenschaft des Sechzehnjährigen, mit der Heilsarmee an Strassenecken und in Openair-Meetings zu evangelisieren. Er war ein "Seelengewinner". Sammelte er am Wochenende Kinder um sich, war er enttäuscht, wenn sich weniger als fünfzig von ihnen für Jesus entschieden.

Da wurde er von den frühen pfingstlichen Wogen erfasst und von Männern wie T.B. Barratt und Lew Pethrus, vor allem auch von Pastor Alexander Boddy aus der Sunderland-Erweckung, inspiriert. Die Taufe im Heiligen Geist entzündete in ihm einen feurigen Glauben. Er war eine prophetische Gestalt, die aufrief, den Himmel zu stürmen und das volle, reiche, überfliessende Leben in Christus zu beanspruchen. Er las nie ein anderes Buch als die Bibel, "glaubte an das Wort Gottes und glaubte an den Gott des Wortes." An der Geistestaufe liess er nicht rütteln: "Ich glaube an die Taufe im Heiligen Geist und glaube, dass alle, die geistgetauft werden, in anderen Sprachen reden, wie der Geist ihnen auszusprechen gibt."

Über welchen Text er immer predigte, früher oder später war er beim Thema Glaube. Sein Lieblingschorus war: "Glaube nur, alles ist möglich dem, der da glaubt." Ein Mann des Fastens und des Gebets – er zitierte für sich Paulus: "Ich rede mehr in Zungen als ihr alle!"–, konnte er sagen: "Oft kann ich in einem Moment des Glaubens mehr erreichen als in einem Monat des Schreiens zu Gott!" Weit über die Grenzen Englands hinaus – Europa, Amerika, Indien, Afrika – eilte er von Evangelisation zu Evangelisation. Er war ein "Apostel des Glaubens".

Vollmächtige Evangelisten: Stephen und George Jeffreys

Als Kohlenarbeiter in den Minen Südwales vom Tornado der walisischen Erweckung erfasst, erlebten die Brüder Jeffreys 1904 die Geistestaufe. Beide schon eifrige "Seelengewinner", sagte Stephen: "Ich möchte den ganzen Weg mit dem Herrn gehen. Er wird mich zu einer Feuerflamme machen." Das Feuer für die Evangelisation brannte denn auch lichterloh. George (1889 -1962) und Stephen (1876 -1943) verkündigten das Evangelium, nicht ohne Sünde und Gottlosigkeit zu brandmarken, was ihnen den Ruf moderner "Johannes der Täufer" eintrug.

Beiden war das Wort Gottes heilig. Gegen Ende seines Lebens besuchte ich George Jeffreys, eine imponierende Gestalt mit dem Haupt eines Löwen. Auf die Frage, was das Geheimnis seines grossen Segens sei, sagte er: "The Word, the Word - das Wort, das Wort!" Stephen klagte: "Es gibt so viele Lehrer und Möchtegernlehrer, aber wenig Evangelisten!"

Die beiden brausten durch England wie ein Feuersturm. Ihr Dienst konnte von der Tagespresse nicht verschwiegen werden. Besonders der Dienst Stephens war von ausserordentlichen Heilungen begleitet. Es wurde buchstäblich wahr: "Blinde sehen, Lahme gehen, Armen wird das Evangelium gepredigt." Oft begannen sie, mit einer Handvoll Zuhörern in grossen Hallen zu evangelisieren. Sie füllten sich so bald, dass sich Leute am Eingang in Warteschlangen einreihen mussten. George wurde ein Pionier der Elim-Bewegung, Stephen wies den ‚Assemblies of God’ den Weg. Beide Bewegungen zählen heute je 150’000 Zugehörige.

Apostle of Balance: Donald Gee

Donald Gee (1891-1966) fand 14-jährig als scheuer Teenager zum Glauben. Die Neigung zur Skepsis macht es dem jungen Kaufmann nicht leicht. Erweckliche Unruhe war ihm ein Gräuel. Die Taufe seiner Mutter versetzte ihn in Zorn, und von einer Geistestaufe mit Hingabe und Harren wollte er nichts wissen. Aber er konnte dem Strom des Geistes nicht widerstehen. Die Geistestaufe erfüllte den scheuen Mann so mit Freude, dass er die Anbetung im Geist nicht nur im stillen Kämmerlein erlebte, sondern sich auch nicht schämte, in der Gemeinde in neuen Zungen laut zu singen. Donald Gee war auch musikalisch sehr begabt. Mit seinem Klavier- und Orgelspiel konnte er an Osterkonferenzen die mit Teilnehmern bis zum letzten Platz gefüllte Albert Hall in London mitreissen.

Vor allem aber fiel an dem jungen Pfingstpastor seine aussergewöhnliche Lehrbegabung auf. Er hatte eine geniale Fähigkeit, auch schwierige Themen einfach darzustellen, sei es in Predigt, Belehrung oder Schrift. In der Nacht vor seiner Abreise nach Australien und Neuseeland träumte ihm von einem grossen Ozean-Liner. Er erschrak, dass die Kommandobrücke des hin- und herschlingernden Riesen nicht besetzt war. Der Traum sollte eine tiefe Bedeutung haben. Die junge Pfingstbewegung war ein Schiff unter Volldampf. Ein Heer junger Evangelisten stürmte mit der Fackel des Evangeliums vorwärts. Aber nun bedurfte es der Ausgewogenheit und Führung im unruhigen Gewässer des Spektakulären.

Auf der Überfahrt schrieb Donald Gee ein Manuskript über das ihm aufgegebene Thema: "Über die geistlichen Gaben". Bücher mit diesem und anderen Themen – wie "Pfingsten", "Die Früchte des Geistes" und andere – sollten bahnbrechende Wirkung haben. Es gab wohl keine pfingstliche Zeitschrift rund um die Welt, die nicht Beiträge von ihm veröffentlichte. Als überragender Lehrer wurde er einer der ersten Männer der Pfingstbewegung, und als solcher auch Herausgeber der Monatsschrift WORLD PENTECOST im Auftrag der Weltpfingstkonferenz.

Auf der Kommandobrücke, wo er sich mit als Lehrer sah, war er nie abgehoben. Er wusste sehr wohl um die Dienste an den Dampfkesseln: "Lehrer sind nicht gefragt, ohne dass Evangelisten ihren Dienst ausführen und Propheten unsere Herzen mit feurigen Botschaften aus der Höhe erwecken." Klarheit, Transparenz und geistliche Wärme waren seine Markenzeichen, gerade auch, wenn er die Geistestaufe biblisch begründete. Man nannte diesen Mann voll Weisheit und Vollmacht "Apostle of Balance".

Mission: David Yonggi Cho…

Von ihrem Geburtstag bis heute ist die Pfingstbewegung durch und durch evangelistisch und missionarisch. Evangelisten standen an ihrer Wiege, und ein Heer von Missionaren liess sie dynamisch wachsen. Auch der "Schweizerischen Pfingstmission" blieb dieses Label, weil sie als Missionsgesellschaft gegründet wurde. Man kann kaum einen Fleck der Erde berühren, ohne auf pfingstliche Missionare zu stossen. Heute sind zwei ihrer Repräsentanten weltbekannt:

David Yonggi Cho öffnete sich als Buddhist dem Evangelium und wurde gleichzeitig gerettet und von Tuberkulose geheilt. Bald begann er in den Slums von Seoul in einem ausgedienten Marinezelt zu evangelisieren. Daraus ist die Yoido Full Gospel Church geworden, die grösste Kirche der Welt. Ununterbrochen verkündet er in Asien und auf anderen Kontinenten das Evangelium. Auf die Frage nach dem Geheimnis dieses Erfolgs, sagt er: "Es hat nichts mit besonderen Fähigkeiten meinerseits zu tun. Und doch, es gibt ein Geheimnis. Es ist das Gebet, das die Hand Gottes bewegt, den Pastor und seinen ganzen Stab mit dem Heiligen Geist auszurüsten und das Leben der Versammlungsmitglieder zu berühren."

…und Reinhard Bonnke

Reinhard Bonnke, 1940 in Königsberg geboren, ging 1967 als Missionar in den südafrikanischen Bergstaat Lesotho. 1974 gründete er die Missionsgesellschaft CfaN: Christus für alle Nationen. Zu seinen Evangelisationen, nicht nur, aber vor allem in Afrika, vereinigt er Hunderte von Kirchen und Gemeinden, Tausende von Ordnern, und erreicht so Hunderttausende. Reinhard Bonnke ist ein einzigartiger evangelistischer Visionär.

Er hält es weniger mit dem Pflücken einzelner Ähren. Einem Pastor, der sein Burnout beklagte, sagte er: "Dein Problem ist nicht, dass du ausgebrannt bist. Du sitzt in einem Kühlschrank und bist deswegen ausgekühlt. Also spring ins Feuer des Heiligen Geistes. Unser Gott ist Feuer, darum kann er nicht von Kühlschränken repräsentiert werden." Im Ganzen geht es ihm um die grosse Ernte. In "Feuerkonferenzen" gibt er an Massen evangelistisches Feuer weiter und proklamiert: "Wir können Hunderttausende von Seelen dem Teufel vor der Nase wegschnappen! Das begeistert mein Herz!"

Gestern, heute, morgen

Schliesslich: Was die Pfingstbewegung von gestern, heute und morgen auf ihrem Banner trägt, ist Jesus Christus. Wie die Cherubime im ersten Kapitel des Propheten Hesekiel hat sie vier Flügel: Jesus rettet, Jesus heilt, Jesus tauft mit Heiligem Geist und Jesus kommt wieder! Und so hört man denn auch das Rauschen ihrer Flügel wie das Rauschen grosser Wasser und wie ein Getön des Allmächtigen, wenn sie gehen. Wie das Getümmel in einem Heer.

Autor: Jakob Zopfi

Datum: 05.06.2006
Quelle: Livenet.ch

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